Dienstag, 18. September 2012

Mal wieder: la rentrée

Hallo! Willkommen auf den Blogseiten einer Spracharbeiterin. Ich dolmetsche und übersetze Politiker, Stars, Wirtschaftsbosse, Regisseure, Literaten, künftige Eheleute ... und halte hier fest, was mir am Rand so auffällt.

Mehr als fünfeinhalb Jahre gibt es dieses Blog hier schon, und da der 5. Geburtstag parallel zur Berlinale kein Moment des Innehaltens war, hole ich das jetzt nach. Dass ich hier mehr als ein halbes Jahrzehnt zugange sein würde, hätte ich natürlich nie gedacht. Und ja, ich destilliere schon die ersten Themen für ein Buch zum Thema, denn inzwischen habe ich das vierte Buchangebot erhalten. Was für mich aber zentral ist: Nulla dies sine linea hat der Blog, auch wenn er nicht täglich neu erscheint, bislang für mich bedeutet, und mir größere Sicherheit beim Schreiben bereitet.

Linke Gehrinhälfte: Sprache, Lesen, Rechnen ... Analyse, rechte Hälfte: Kunst, globale Wahrnehmung
Dabei ist es nicht einfach, neue Themen zu finden, die Glücksmomente und Probleme wiederholen sich. Jedes Jahr Anfang September heißt es in Frankreich: c'est la rentrée, die Schule geht wieder los! Und in den Wochen danach fängt das gesellschaftliche Leben wieder an, la rentrée sociale, das politische Leben, la rentrée politique.

Zeitlgeich setzt auch der Bücherherbst ein, la rentrée littéraire. Kurz: In Frankreich ist la rentrée ein kleines Übergangsritual (rite de passage), la rentrée gibt den Auftakt für ein neues Jahr, viele Kalender auch der Erwachsenen gehen wie Schülerkalender vom Herbst des einen zum Sommer des darauffolgenden Jahres.

So hat auch mein Blog seine rentrée. Die Themen werden sich gleichen, Landeskunde, Sprachliches, Beobachtungen aus dem Alltag, sich verschlechternde Arbeitsbedingungen (bis sich das wieder ändert), über das Arbeitsleben mit Sprache, Kulturtransfer und Medien. Neu wird sein, dass ich öfter mal in mein Archiv gehe und einen alten Text präsentiere. Nach wie vor bringe ich feedback der Kunden und Lesetipps aus dem Alltag.

Hier kommt gleich ein Lesetipp. Kurz vor dem Auftakt der rentrée sprach das Medienmagazin DWDL mit Oliver Kalkofe, von dem ich noch nie was gesehen habe, über das deutsche Fernsehen. Zitat Kalkofe:
Sowohl vor als auch hinter der Kamera arbeiten immer weniger Profis. Bekloppte spielen Bescheuerte nach und müssen verkorkste Proleten-Porno-Fantasien von gelangweilten Hilfsredakteuren und Teilzeit-Praktikanten umsetzen, die inzwischen das ersetzen was früher mal eine Redaktion war. Schauspieler, Autoren, Kostüm, Maske, Licht, Kamera – wozu dafür noch Profis beschäftigen? Das kann doch jeder – und irgendein Kumpel hat auf dem Rechner bestimmt auch ein Schnittprogramm ...
Da einer meiner Arbeitsschwerpunkte die Medien sind, bin ich davon direkt betroffen. Bislang hat uns geschützt, dass unprofesssionelles Dolmetschen und Übersetzen meistens sichtbar ist, auffällt. Da aber allgemein die Ansprüche ans Programm sinken, sinkt offenbar auch die Neigung, Profis zu beschäftigen. Oder liegt es daran, dass noch mehr Praktikanten auf den Markt drängen? Die Erbengeneration finanziert sich ihre Praktika immer öfter selbst, sogar Firmengründungen und unlauterer Wettbewerb lassen sich durch dieses Modell befördert beobachten. Gleich noch ein Lesetipp in diese Richtung: "Verkauft euch nicht zu billig", KarriereSPIEGEL vom 31.08.2012: Klick!

Ich schließe mit Kalkofe:
Das Sehenswerte wird ja (vom Öffentlich-Rechtlichen) meist versteckt, aus Angst es könnte jemand nicht verstehen.
Untertitel, zweisprachig: Ich weiß nicht, wie ich dir das erklären soll.
Dazu passt eine Meldung der ARD, die viele französische Filme in deutschen TV-Erstaufführungen abfeiern will. Sendezeit: Immer kurz oder nach Mitternacht geht's los. Als Fachfrau für französisches Kino hab ich einige Fragen: Warum so spät? Haben Leute, die eine Glotze haben, zugleich immer auch einen Festplattenrekorder?

Warum werden zu dieser späten Stunde keine Untertitelfassungen gesendet? Wer ist die Zielgruppe? Und ist inzwischen gesichert, dass mit ein- und demselben TV-Gerät Leute (z.T. per Kopfhörer) dem Synchron- und auch dem Originalton folgen können?

Vor Jahren war das nicht so, daher boyottiere ich die "kleine Leinwand" (petit écran), wie die Franzosen das Möbel nennen; nur Arte sehe ich zuhause in Frankreich. Ab dem 01.01.2013 müssen aber auch Leute wie ich in Deutschland für die Glotze zahlen. Ich schlage vor, wir nehmen das einfach ernst, besorgen uns eine Kiste, schalten uns ein. Senden jede Woche eine knappe TV-Kritik an Redaktion, Intendanz und einen Politiker unserer Wahl, Motto: Einschalten, um sich einzuschalten. Genauso werde ich es mit den Themen meines Blogs halten, gern auch humorvoll. Nochmal Kalkofe: "Wenn man über sich selbst lachen kann, ist alles nur halb so schlimm."

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Fotos: C.E.

2 Kommentare:

André hat gesagt…

Scheint eine Berufskrankheit von Sprachmittlern zu sein, dass man das reguläre TV-Programm bis auf Außnahmen nicht mehr ertragen kann. ;)

caro_berlin hat gesagt…

Leider wird's immer schlimmer! Was uns in einem Jahr als nicht mehr zu unterbieten vorkam, ist im nächsten Jahr schon gar nicht mehr wahrnehmbar. Was mich inzwischen sehr, sehr ärgert: Dass ich für den Sch...wachsinn auch noch zahlen muss. Eigentlich bleiben nur 3sat, TV5Monde und Arte, für die würde ich gerne mehr zahlen, zehn Euro im Monat, damit sie ihre Mitarbeiter anständig bezahlen, für die andren aber nichts.