Sonntag, 31. Oktober 2010

Große Agentur vs. Sprachmittlernetzwerk

Heute geht es um: Wer wir sind. Was wir machen.

Nicht weniger und nicht mehr. Das scheint mir mal wieder geboten, denn unlängst wollte eine Dame, die im Namen einer Jobsuchmaschine schrieb, mit mir "Links" tauschen. Nun denkt sich bei einem solchen Namen der arglose Leser doch: ich guck mal rein, vielleicht gibt's da interessante Jobs. Und wer inseriert dort auf Kundensuche, statt Dolmetschjobs feilzubieten? Die Mega-Agenturen mit ihren bezahlten Google-Ads, großen Büros in repräsentativen Lagen oder aggressiver Pressearbeit à la "Communicatio Universalis hat die 40. deutsche Filiale im Franchising-Modell eröffnet. Der deutsche Marktführer Communicatio Universalis ist bald in jeder Stadt mit mehr als 100.000 Einwohnern vertreten!"

Viele dieser Übersetzer- und Dolmetscherfirmen werden gar nicht von Fachkollegen geleitet, sondern von Kaufleuten. Und die müssen vorab für den Namen zahlen, ähnlich wie jene, die Sandwiches der Marke métro (oder so) feilbieten wollen: hier eine hohe Summe für die Innenausstattung, dort ein Betrag, der dem Jahresumsatz eines mittleren Einzelkämpferbüros entspricht, muss der Unternehmer in Spe aus eigener Tasche vorstecken, um sich das Label zu kaufen, und später regelmäßig Franchisegebühren an den Erfinder der Marke abführen. Zurück zur Sprachdienstleistung: Damit solch ein Büro läuft, wird Geld für die Umlaufmittel aus den Honoraren abgezweigt, eine Agenturgebühr. Kurz, bei Franchisebüros zahlt derjenige, der am Ende der Kette hängt, doppelt: der Übersetzer (der natürlich in den meisten Fällen eine Übersetzerin ist). Bei den anderen großen Agenturen zahlt sie oder er 'nur' einmal.

So schrieb ich denn auch als Antwort auf die Anfrage jener Jobportal-Dame: "Es ist nicht mein Anliegen, auch nur indirekt für Platzhirschen zu werben, die zahlreich auf Ihrer Plattform annoncieren und 30 – 60 % des Dolmetscherhonorars als “Vermittlungsgebühr” einbehalten."

Die Absenderin der sicher gutgemeinten Mail weiß vermutlich nicht, was Dolmetscher sind und wie wir arbeiten. Wir sitzen in einer sehr kleinen Nische der hochgradig Spezialisierten – und keiner unserer Kunden würde auf den Gedanken kommen, für eine Konferenz seine Dolmetscher über ein Jobportal oder eine Zeitarbeitsfirma zu suchen!

Deshalb engagieren wir uns als Kolleginnen immer dann füreinander, wenn ein Auftrag mit einer Sprachkombination ins Haus steht, den der Einzelne nicht oder nicht allein abdecken kann. Wir sind ein Netzwerk von Übersetzern und Dolmetschern (der weibliche Begriff sei jetzt mal hier mitgedacht), die sich gegenseitig vertreten.

Zum Schluss noch eine Richtigstellung in Sachen "Agenturgebühr", die kennen nämlich auch wir. Fällt besonders viel Extraarbeit für die Vermittlerin/den Vermittler an, Formatierung (Drehbücher!), Korrekturlesen, Anpassen von Fachtermini, so zahlen wir uns auch ein gesondertes Honorar, meist übersteigt das aber nicht die 10 %, die wir uns ohnehin für Vermittlung und Abwicklung gegenseitig gutschreiben. Manchmal aber nicht mal die ... bei Nachwuchsfilmprojekten oder gnadenlos Unterfinanziertem lassen wir das sein. Wir sind halt selbst nicht nur vom Fach, sondern stecken selbst zugleich auch in der Haut desjenigen, der die Arbeit am Ende auch macht.

Samstag, 30. Oktober 2010

Drei Arbeitsplätze ...

... in einem Bild - das ist mein Foto der Woche. Wir sind bei den Programmierern von Archimedes, einer Berliner Firma, die Ausstellungsmedien entwickelt. Am Tag unseres Besuchs ist das auch der Arbeitsplatz des Pariser Kameramanns von Radio Canada. Und meiner - denn es ist meine 'subjektive Einstellung' ... ich recherchierte und dolmetsche.


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Foto: C. Elias

Schlaf!

Hier was zur Kategorie unnützes Wissen: Heute sind wir mittendrin in etwas, das es seit 823 Jahren nicht gegeben hat: dieser Oktober hat jeweils 5 Freitage, Samstage und Sonntage. Angeblich bringt das Glück. 

Danke, Elvira.

Weiter mit nützlichem Wissen: Das Dossier "Wir Unausgeschlafenen" der Hamburger Wochenzeitung DIE ZEIT, passend zum Wochenende mit der Zeitumstellung. Der Schlaf, dieser rätselhafte Betriebsmodus unserer Körper und Gehirne, ist notwendig fürs Lernen. Kinder können besser lernen, das wissen wir alle, sie schlafen meist mehr als die Alten, das ist auch bekannt. Aber schlafen sie mehr, weil sie viel lernen, oder lernen sie mehr, weil sie viel schlafen? Lässt sich unser erwachsenes Lernen durch Schlaf beeinflussen? Schlafen wir überhaupt genug? Wie lässt sich schnelleres Einschlafen fördern?

Alles Fragen, die mich als Dolmetscherin brennend interessieren. Mein Link der Woche daher fürs ZEIT-Dossier online - und die analoge Form gibt's am Kiosk oder sie war schon am Donnerstag in ihrem Briefkasten, wenn Sie wie ich Abonnent sind.

Und als Rausschmeißer ein Zitat von Erich Kästner: "Wer schlafen kann, darf glücklich sein."

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Foto: DIE ZEIT

Donnerstag, 28. Oktober 2010

Sprechmuschel und Co.

Wie schön! Ich habe mal wieder ein Drehbuch zu einem historischen Film auf dem Tisch. Es spielt nach dem zweiten Weltkrieg, und ich kann Szenen, bei denen das Telefonat in der Zeile zuvor angekündigt wird, so übersetzen:

                  GABRIEL                                                       GABRIEL
          (au téléphone)                                           (in die Sprechmuschel)
 … oui, je m'en doutais un peu !                ... ja, das hatte ich befürchtet!

Bei 'il raccroche' darf ich endlich wieder er hängt ein schreiben. Vorher aber schlägt er entnervt auf die Telefongabel.

Eine andere Stelle: "Aufgeregt haut Ivan den Brief in die Tasten der Schreibmaschine."

Mit der Technik haben sich die Filmszenen verändert. Manches, das für uns heute selbstverständlich ist, wäre damals unverständlich gewesen.

So wie Szene um 2000, als das Handy Gemeingut wurde und alle noch die gleichen drei, vier Klingeltöne hatten: Jemand steht wartend auf den Treppen der Pariser Oper und beobachtet die Passantinnen und Passanten. Da ertönt ein bekannter Klingelton. Alle Passanten führen gleichzeitig Rucksack, Handtäschchen oder Aktenkoffer zum Ohr, einer lauscht an der hochgeschlagenen Jacketttasche. (Kein Film, ist selbst beobachtet.)

Oder die Geste und das Wort "wegdrücken": Im Kurzfilm "Schule Utopia" (2005) von Bernadette Klausberger hatte ich eine kleine Off-Stimmen-Rolle und musste mindestens dreißigmal vorwurfsvoll sagen: Du hast mich weggedrückt! Der Satz war ein teils routiniert zu sprechen, teils genervt und gelangweilt, weil die Figur von ihrem wohl künftigen Ex-Freund nichts anderes mehr erwartet hat als blöde Aktionen. (Ich musste den Satz so oft wiederholen, weil in einer Sitzbank vom Flohmarkt ein völlig untechnischer Holzwurm unablässig reinfunkte, was das Mikrophon, so gut wie es war, aufs Genaueste aufnahm! Das Kerlchen war so laut, dass wir schon an einem Kurzfilm rumspintisierten à la Hölzi muss ausziehen - Tierschutz für den Holzwurm? Aber das ist ein anderes Thema.)

Telefonszenen wie das berühmte Moment bei der "Frau von nebenan" (La femme d'à côté, F, 1981) von Truffaut, sehen wir heute nicht mehr. Sie (Fanny Ardant) ruft ihn an, hört das Besetztzeichen, er (Gérard Depardieu) ruft sie auch an, ebenfalls Besetztzeichen, das Ganze in Parallelmontage; außerdem wissen wir, dass sie jeweils direkt nebenan wohnen ... So eine Szene ist im Kino von heute nicht mehr möglich. Auch im wirklichen Leben ist sie sehr selten, nur gestern erlebte ich sie wieder, als ich mit meinem analogen Privatanschluss meinen Vater anrief und das Gespräch kurz unterbrochen wurde, worauf ... ;-)

Wie dem auch sei, wenn Filmfranzosen zu einer Szene sagen, c'est téléphoné, dann meinen sie nicht, dass es sich um eine Telefonszene handelt, sondern sie wollen das ausdrücken, was man auf Deutsch mit: "Die Szene raschelt nach Papier" umschreiben kann. Dann klingt es hölzern, und zwar selbst dann, wenn das Buch auf holzfreies Papier gedruckt ist.

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Foto: Das alte Telefon von Marie - so sahen früher alle franzö-
sischen Telefone aus, oder aber das Modell in braun-beige.

Mittwoch, 27. Oktober 2010

Hinterbandkontrolle

Auch Dolmetscher rezipieren manchmal Medien. Und berufsbedingt werde ich gelegentlich aus dem Lauschen oder Sehen unsanft rauskatapultiert ... Am liebsten ist mir das Radio, weil dort meist noch gründlicher gearbeitet wird.

Denn wenn französische Namen bemüht werden, kommt mir mitunter sehr das Grausen, sogar beim Kultursender, dem mit der binationalen Herkunft.

Von "Camille Ohnesinn" schrieb ich hier bereits, und auch von "jedem Chriac". Neue Worte meiner Liste sind "Gasallaza" - da es sich um einen Pariser Verkehrsknotenpunkt handelte, schloss ich nach wiederholtem Hören, dass es die Gare Saint Lazare sein müsse. Das ist Französisch auf Touristenniveau, gehört bei einem regionalen öffentlich-rechtlichen Sender.

Der Sender, der mein Hauskanal sein müsste, präsentierte unlängst "Catherine Deneuf" - mit hartem F statt weichem W, was schon sehr komisch klingt. Wo bleibt, was früher Hinterbandkontrolle hieß? Wurde da ein Profi eingespart?

Grinsen durfte ich, als ich Radio hörte, die "Anschupsfinanzierung" hat ja wenigstens noch einen fast poetischen anderen Sinn ... Manchmal haben Fehler doch auch schöne Seiten.

Dienstag, 26. Oktober 2010

Mitfühlen

Es gibt Tage, an denen bin ich abends so geschafft, als hätte ich als Arbeiter im Straßenbau sagen wir mal den Bürgersteig vor unserem Haus aufgerissen, ein metertiefes Loch gebuddelt, neue Rohre verlegt, alles wieder zugeschüttet und neu gepflastert. Es gibt Tage, an denen schlafe ich fast im Stehen ein, so müde bin ich. Dabei arbeite ich nur als Dolmetscherin für die französische Sprache in Berlin.

Und als Dolmetscherin 'vertone' ich meine Kunden immer in der ersten Person Singular. Ich sage also "ich", wenn der andere "je" sagt.

Nun war ich wieder mit Sozialstadträten aus der französischen Vorstadt unterwegs. Wir sprachen mit Lehrern aus Problemschulen, die ihre Worte mit Bedacht wählten - und viel Erschöpfung zum Ausdruck brachten. Wir sprachen mit Leuten von Notunterkünften, von einer Suppenküche und mit Sozialarbeitern. Immer klang es wie Kästner im Original, wie Notrufe und "Es geht um die Kinder!" war allenthalben auch das Echo. (Zitat aus Die Konferenz der Tiere, in einer ökologisch abgewandelten Fassung, derzeit im Kino).

Die bleischwere Last, die auf manchem unserer Gesprächspartner lag, übertrug sich immer mehr auf mich. Ich sage beim Dolmetschen "ich", wenn mein Gegenüber "je" sagt, ich schlüpfe hinein in den anderen, mache mir seine Sorgen und Nöte zu eigen.

Dann besichtigten wir noch einige Einrichtungen Neuköllns, und wir gingen zu Fuß von einem Ort zum anderen. Einmal standen wir an einer Ampel hinter einer alten Dame. Mein Kopf sortierte, nein, von Alten war heute nicht die Rede gewesen. Die kleine Dame - sie ging mir vielleicht bis zur Brust - war pieksauber gekleidet mit von Hand reparierter Hutkrempe. Sie schaute irritiert drein, als sie sah, dass sie von beschlipsten und seidenbetuchten Anzug- und Kostümträgern umringt war.

Ich ging mit einigem Abstand hinter ihr her. Ich fühlte plötzlich, als wäre ich sie, wie mühsam sie sich mit Gehstock über die Chaussee bewegte und dem schadhaften Stellen im Asphaltbelag auswich. Auf der Mittelinsel machte sie Halt. Mein Blick fiel auf ihre Beine.

Ja, eine akkurate Dame, und ihr Stolz ist größer als ihr Vermögen. Für sie kommt es nicht infrage, mit löchrigen Strümpfen aus dem Haus zu gehen. Mir blieb gerade Zeit für ein rasches Foto. Dann ging die alte Dame aus Neukölln mühsam, aber ruhig weiter.

(Einigen meiner Begleiter waren die Details von Madame entgangen, sie fragten mich nachher, was ich denn da auf der Straße Interessantes fotografiert habe.)

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Foto: Caroline Elias

Hinterzimmerdiplomatie

Als ich das schicke Restaurant betrete, das noch vor wenigen Jahren in the middle of nowhere gelegen hat, ist es anscheinend leer. Nur Servicekräfte stürzen sich erwartungsfreudig auf mich. Ich stelle mich als die Dolmetscherin vor, die gleich für eine bedeutende politische Institution ein Mittagessen zwischen vier Volksvertretern aus Frankreich und Deutschland begleiten wird.

"Die Herren von *Räusper* sind schon da!", sagt der Chef des Etablissements und begleitet mich ins Séparée. Hier sitzen aber mir völlig unbekannte Gesichter - einen meinen Kunden kenne ich von einer Konferenz, andere aus den Nachrichten.

Ich stelle mich der Tischgesellschaft kurz vor und ernte Kopfschütteln, nein, von einer Dolmetscherin wisse man nichts. Da tritt der Chef des Restaurants erneut an den Tisch, diesmal hat er den Kalender in der Hand. Es sei leider etwas sehr seltenes geschehen, sagt er mit dem Ausdruck vollster Zerknirschung, die genannte Institution habe zwei Tische fast zur gleichen Zeit bestellt und dieser hier, im ruhigen Nebenraum, sei leider für Gäste reserviert, die er unmöglich im großen Gastraum platzieren könne, bittet um Verständnis und erntet zum Glück sofortiges Verständnis.

Der Umzug wird gemacht, "unser" Tisch rasch neu gedeckt. Wie gut, dass ich gerne zwanzig Minuten vor Termin erscheine! Jetzt kann es mit der Diplomatie im Hinterzimmer auch gleich losgehen ...

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Foto: C. Elias

Sonntag, 24. Oktober 2010

kanadisch-tschechisches Französisch

Zu Monatsanfang war ich als Dolmetscherin für ein Planspiel in Franken, das Tschechen, Franzosen und Deutsche zusammenbrachte, ich schrieb hier darüber.

Die jungen Leute hatten am ersten Tag und zum Kennenlernen einen Stadtrallye quer durch Würzburg gemacht, die das deutsch-französische Jugendwerk jetzt veröffentlicht hat. (Am Ende ist auch 'mein' junger Tscheche zu sehen und zu hören, der kanadisches Französisch spricht ;-)


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Film: deutsch-französisches Jugendwerk

Notizenheft im Nebenjob

Erst für den Weißabgleich ...


... dann, um keine komische Gesten zu machen:


Alexandra Szacka, die Europa-Korrespondentin von Radio Canada, wusste gestern mit meinem Notizbuch für die Dolmetschernotizen etwas anzufangen!

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Foto: C. Elias

Samstag, 23. Oktober 2010

Bedarf steigt

Der Bedarf an Sprachdienstleistungen steigt jährlich um 10 Prozent, vermeldet der Bundesverband der Übersetzer und Dolmetscher e.V. (BDÜ). Diese Zahl, Ergebnis einer Umfrage unter Verbandsmitgliedern, wird von einer EU-Studie gestützt: Bis 2015 soll der Sektor Sprachdienstleistungen ein Marktvolumen von 11,06 Milliarden Euro in Europa erreichen.



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Bild: BDÜ

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Tagesrhythmen

Gestern morgen schrieb ich, dass ich neue Aufträge suche, und prompt rief für einen Blitzauftrag das kanadische öffentlich-rechtliche Fernsehen an, für das ich seit sieben Jahren als Dolmetscherin und Rechercheurin arbeite. So mag ich das! (Und es war reiner Zufall ...)

Also hatte ich kurzfristig einen Recherchetag - und durfte mal wieder spüren, wie sehr die französischen und deutschen Arbeitszeiten nicht zueinander passen.

Ich fange gern um 10.00 Uhr morgens an, so habe ich morgens Zeit für langsames Aufwachen, eigene Texte, Sport. Für deutsche Büroverhältnisse ist das oft schon eine Stunde zu spät, die aber gestern nicht aufzuholen war, weil die erste Redaktionsbesprechung mit der in Paris ansässigen Europa-Korrespondentin auch erst nach zehn Uhr stattfand. Anschließend knüppelte ich mit Recherchen, Anfragen, Mails, Nachhaken durch bis viertel nach zwölf, wurde ausgebremst, weil dann in Bayern schon "wegen Tischzeit" niemand mehr zu erreichen war. Die französische Mittagspause geht später los und dauert gern auch mal länger, ist mitunter mit Arbeitsessen verbunden. An normalen Tagen, wenn ich nicht den Patensohn aus der Schule abhole, halte ich mich gern an diese Zeiten und schlafe vor drei Uhr sogar noch ein klitzekleines Viertelstündchen. Nach 15.00 Uhr erreiche ich in Frankreich wieder problemlos meine Ansprechpartner.

Habe ich aber wie gestern noch deutsche Namen auf der Liste, müsste ich mich sputen, denn nach halb vier, vier sind die ersten deutschen Büros verwaist. An langen Recherchetagen wie dem gestrigen halte ich die Pause kurz, telefoniere in der deutschen Mittagspause mit den Franzosen, in der französischen mit den Deutschen - und esse nur ein Butterbrot.

Und während sich Stunden später viele Deutsche auf dem Weg in den Feierabend befinden, legen die Kollegen in Frankreich nochmal los - Telefonate mit Paris um 18.00, 19.00 Uhr sind keine Seltenheit. Dann schreibe ich noch meine aufgeschobenen Mails, übersetze falls nötig meine Telefonprotokolle bzw. das, was ich nicht beim deutschen Telefonat direkt auf Französisch niedergeschrieben hab ... und gehe als allerletzte in den wohlverdienten Abend.

Schon ganz schön anstrengend, diese nicht zusammenpassenden Tagesrhythmen!

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Foto: Detail von meinem Vokabel-
lernschreibtisch

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Kapazitäten frei!

Für kurze Dolmetscheinsätze habe ich noch im Oktober, für kurze oder längere Dolmetscheinsätze sowie Übersetzungen von Drehbüchern, Projekten und anderen Dokumente von November bis Januar kurzfristig wieder freie Kapazitäten!

Normalerweise stehen die meisten meiner Termine zwei bis sechs Monate im Voraus fest. Was bei der Filmherstellung auch für unsereinen manchmal schwierig ist, sind geplatzte Verträge mit Sendern, erkrankte Stars oder wenn ein im Grunde vielversprechendes Projekt an der letzten Filmfinanzierungshürde scheitert. Dann wird verschoben, verschoben, umgeplant, werden Szenen gestrichen, Inhalte auf andere Szenen übertragen, neu übersetzt ... und manches scheitert in der Zielgeraden dann doch, manchmal liegt's am Ende an so Banalem wie den Witterungsbedingungen, der falschen Jahreszeit, den kurzen Drehtagen im Winter.

Außerdem merkt die Branche inzwischen die Krise. In einigen (Bundes-)Ländern bzw. Regionen wurden Termine bei der staatlichen Filmförderung gestrichen, das Geld steht der Branche nicht zur Verfügung. Die Sender halten sich zurück oder wollen, dass alles bis ins letzte Detail planbar wird. Indikator dafür ist für mich der Trend beim Dokumentarfilm zur "scripted reality" - ein Widerspruch erster Güte, diese szenarisierte Wirklichkeit als vorgebenes Format, das die Regisseure dann nur noch zu füllen haben. Der mitgliederstärkste deutsche Filmverband, die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm, hat sich gerade dagegen ausgesprochen.

Vielleicht ist der Trend zur durchgeplanten, vorhersehbaren Wirklichkeit auch eine Reaktion mancher Senderverantwortlicher in Richtung Planbarkeit eines anscheinend immer undurchschaubarer werdenden Alltags. (Ich schreibe hier anscheinend, weil ich denke, dass sie es immer war, nur ist die Informationslage heute eine andere).

Mit der Unplanbarkeit müssen nicht zuletzt wir Dolmetscher und Übersetzer leben, jedes Jahr ist wirtschaftlich anders, nichts ist von Dauer. Das sei als kleine Warnung vor allem jenen mitgegeben, die mit feuchtglänzenden Augen von einer Karriere als Filmdolmetscher oder Fachübersetzer für Medien träumen: Die Honorare sinken seit Jahren, denn zum Beispiel beim Fernsehen ist das Programmangebot explodiert, was mehr Investitionen in Technik und Gehälter derjenigen zur Folge hatte, die Programme aussuchen, präsentieren und abrechnen.

Qualität kostet aber. Wir arbeiten weiterhin auf einem hohen Niveau mit gegenseitiger Supervision, Lektoraten und gelegentlichem Coaching. Dennoch haben auch wir eine breite Preisspanne, erzielen nicht immer die höchsten Sätze, fördern indirekt mit einigen guten Honorarergebnissen durch Preisnachlässe an anderer Stelle jene, die nicht so viel zahlen können ...

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Foto: Auf der Berlinale

Dienstag, 19. Oktober 2010

Schlagfertig mit Dolmetscharten

Eine internationale Firma sucht Mitarbeiter - und schaltet folgende Anzeige:
.
Das Unternehmen präsentiert sich im Netz als hochgradig erfolgreich.

Das Image der Firma und die Anzeige passen nicht zusammen. In Antwort auf Derlei empfehle hie eine Art Dolmetschart, die beim Einüben von Schlagfertigkeit bekannt ist: Ich übersetze ruhig und bedacht das, was mir missfällt, in klare Worte. Und aus der eigenen Position heraus dolmetsche ich, was ich höre oder lese.

Also, wertes Unternehmen, Sie suchen offenbar keinen Profi, denn als Erfolgsunternehmen wissen Sie genau: Qualität hat ihren Preis!

Streik ...

Dolmetscher brauchen Nerven wie Stahlseile, hat eine Dolmetschprofessorin mal zu uns gesagt - und sie müssen immer eine Lösung finden. Ich weiß jetzt, was ich in den letzten Berufsjahren gelernt habe.

Herbstferien in einem streikenden Land zu machen, ist schon merkwürdig. Wenn dann auch aus anderen Gründen vieles erstmal nicht klappt, gilt es Ruhe zu be­wah­ren, vor allem vor einem Sechsjährigen. Der junge Mann hat (wie in seinem Alter üblich) nicht nur das Talent zum control freak, er hat auch einen Reizmagen, also übe ich mich in der Ankündigung von Varianten (die einem auch erstmal ein­fal­len müssen), beweise innere Ruhe, lese vor, bis ich kaum noch Stimme habe, denn vom Lesen bei Zugruckeln, so der Mini, würde ihm schlecht. Zum Glück reisen wir mit dem dicken roten Cannes-Koffer - in dem sich bis zur Rückfahrt 18 (in Worten: achtzehn) Bücher angesammelt haben. Leser halt ...

Anders als geplant war es schon mit Beginn der Reise. In Berlin trug kein Schlaf­wa­gen­wagon die Nummer 98, der war kaputtgegangen, sondern ein Liegewagen. Adieu eigenes Badezimmer auf Zugrädern, Luxus für eine Nacht, um den Kleinen auf den Geschmack zu bringen! Dann flackerte beim Empfang der Abschieds-SMS das Handydisplay ein letztes Mal auf - und machte damit auch den Zugriff auf Telefonnummern unmöglich. Den wir hätten gebrauchen können, als unser Zug verspätet war und der Anschlusszug wegen Bauarbeiten zehn Minuten zu früh abfuhr - auch das gibt's. Aber es gibt ja für alles eine Lösung ...

Was wir nicht wussten: Wir hatten nur für die Rückfahrt aus den Ferien geübt. Der Mittagszug nach Paris fuhr nicht, also blieben wir länger in Blois. Im Hintergrund skandierten die Demonstranten ihre Parolen, die Jungs spielten nochmal Fußball im Schlosspark, ich las Zeitung und tat damit, was Dolmetscher auch im Urlaub machen: sich fortbilden. Am nächsten Morgen ging's nach Paris und abends dann erstmal nicht weiter. So wurde jeder Streckenabschnitt zur Tagesreise.

Zum Glück kenne ich mich in Paris aus und die Interessen meiner kindlichen Rei­se­be­glei­tung passten perfekt zum Kiez des Ankunftsbahnhofs: Dinos ansehen, im Botanischen Garten (jardin des plantes) picknicken und toben, Imbiss im salon de thé der Pariser Moschee einnehmen (Junior fasziniert Exotisches), dann in der Arena von Lutetia spielen, Paris' ältestem Bauwerk...

Der Rest der Rückreise dauerte ein wunderbares Kinderbuch lang (Mörfi von An­dre­as Schlüter), dazu kamen zwei Nickerchen, etliche Gänge zum Speisewagen und Pläuschchen auf dem Gang. Wunderlich ist nur, dass die deutsche Bahn of­fen­bar von der Streiksituation völlig überrascht war und keine weiteren Wagons oder Züge bereitstellte, denn die Züge aus Paris waren übervoll.

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Foto: C. Elias

Dienstag, 12. Oktober 2010

Pause

Ab Montag sind wir wieder in Berlin fuer Sie da!

Entselbstverständlichung

Auch das ein Wort, das eine Dolmetscherin/ein Dolmetscher schon mal gehört haben sollte, wenn er oder sie sich anschickt, einen Kongress von Philosophen zu dolmetschen: Die "Entselbstverständlichung des Selbstverständlichen".

Derlei ad hoc zu verstehen, ist nämlich nicht selbstverständlich. So viel mal wieder zum Stichwort "Fachdolmetscher" ...


P.S.: Meine Fachbereiche sind Medien, Kino, Bildungsthemen, Soziales, Geschichte/Stadtgeschichte, Literatur und Wirtschaft bzw. Kultur als Wirtschaftsfaktor ...

Sonntag, 10. Oktober 2010

Pinökel

Sonntagmorgenspiel mit Junior: Wir erfinden Schimpfworte! Als da wären: Du undichte Kellertreppe (wurde früher schon einmal erfunden ;-), Du Treppengeländer, Du Dicknase, Du Kaffeetasse, Du scharfer Pfeffer!

Ein elegantes Schimpfwort, das eigentlich "Schweinskopf" bedeutet, stellt sich automatisch ein: Du Petersiliennase! Dann sagt der kleine Mann: Du Pinökel! Hm, komisch, irgendwie hab ich das schon mal gehört. Vor rund dreißig Jahren, meine westfälische Oma hat das Wort verwendet.

Wir suchen im Netz und finden: Es ist ein Jokerwort wie "Dingsbums", das man immer dann verwenden kann, wenn einem gerade nicht das richtige Wort einfällt: "Da musst du noch dieses Pinökel reinfriemeln, denk' ich!"
Geht auch das da? "Wir haben diese Frau wiedergesehen, sie ging in Begleitung ihres Pinökels."

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Foto: Das Sommerfoto bildet auf
jeden Fall einen Pinökel ab

Pause!

Dolmetscherinnen und Dolmetscher müssen viel reisen und die Arbeit ist sehr anstrengend ...


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Foto: ... ob sie Dolmetscherin ist oder nicht, vermag
ich nicht zu sagen. Reisefoto aus Schönefeld.

Samstag, 9. Oktober 2010

Witzig

Manchmal ereilt zu verdolmetschende Redner ein seltenes Moment von Humor ... Und dann droht auch gleich Gefahr für unsereinen, denn Lachen ist ansteckend. Umso schöner, dass wir dank YouTube im Vorfeld lachen können ... aber als Immunisierung gegen Humoranfälle klappt es leider doch nicht.



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Danke, Barbora, für den Link :-)

Freitag, 8. Oktober 2010

Berufs(ver)kleidung

Mehrsprachig, im gediegenen Anzug oder Kostüm, weiße Bluse und mit schickem Halstuch, immer freundlich und vor allem weiblich: so müssen Stewardessen aussehen, vor allem in den Augen nicht mehr ganz so junger und vor allem männlicher Zeitgenossen. So laufen indes auch viele Dolmetscher rum, die in ihrer überwiegenden Mehrzahl dann eben doch Frauen sind.

Als ich mit dem Beruf angefangen habe, hörte ich das "Stewardess?" öfter. Sabine, eine Freundin aus Studententagen, meinte, das würde sich mit zunehmendem Lebensalter verspielen. Modischer Schnickschnack im Outfit passt jedenfalls nicht so recht zum Beruf, das würde von sprachlichen Inhalten ablenken, befand auch sie. Andere resümieren meinen Aufzug wohlwollender, "klassische Eleganz" sagte unlängst Rosemarie aus Marseille dazu.

Verspielt hat sich der obengenannte Eindruck indes leider nicht. Gestern, ich holte gerade den weltbesten Patensohn aus dem Hort ab, kehrten wir wie so oft zur Stunde des goûter (Zwischenmahlzeit nach der Schule) bei Domenico ein, dem italienischen Bäcker an der Ecke, der die halbe Schule versorgt - und auch uns seit über einem Jahr. Wir kamen auf die Herbstferien zu sprechen, erzählten, dass wir nach Frankreich reisen werden, der kleine Mann berichtete strahlend vom Schlafwagenabteil mit eigenem Badezimmer.

Domenico, ein Mann in den besten Jahren und mit viel Lebenserfahrung gesegnet, schüttelte den Kopf. "Ich dachte, sie fliegen!", meinte er. Auf meine Frage, wie er denn darauf käme, sagte er: "Na, sie kriegen doch Prozente - als Stewardess!"

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Illustration: Kinowerbung aus den Zwanziger (?)
Jahren, vom Flohmarkt, leider undatiert

Mittwoch, 6. Oktober 2010

Warnung ...

... vor Trickbetrügern!

Auch wir Übersetzer und Dolmetscher werden von Internetbetrügern als potentielle Opfer betrachtet. Die neueste Masche geht so: Ein Kunde erteilt einen Übersetzer-/Dolmetscherauftrag, schickt zur Begleichung der Arbeit im Vorfeld oder danach einen Reisescheck oder einen "Certified Euro Bank Check" in einer Höhe, die die Rechnungssumme um 500 bis 2000 Euro übersteigt. Kaum liegt der Scheck beim Übersetzer vor, schreibt der "Kunde", man habe sich in der Höhe geirrt und bittet um Erstattung der betreffenden Summe per Western Union.

Wer diese Summe überweist und an Trickbetrüger geraten ist, dem wird bald der "certified" Scheck als nicht gedeckt um die Ohren fliegen (die Bank braucht bis zur definitiven Gutschrift einige Tage, diese Zeit versuchen die Betrüger auszunutzen). Und der Übersetzer/Dolmetscher ist schlimmstenfalls sogar doppelt geschädigt: Nicht nur, dass sie oder er für seine Arbeit nicht bezahlt wurde, er oder sie hat auch noch Geld überwiesen, das nicht zurückgeholt werden kann.

Wie prüfe ich, ob ein Auftraggeber solide ist? Hundertprozentige Sicherheit gibt es nie, uns sind selbst schon zuverlässige Kunden nach Abgabe umfangreicher Projekten pleite gegangen und wir durften dann erst mit dem Insolvenzverwalter telefonieren und in den Wochen und Monaten danach die am Projekt beteiligten Kolleginnen und Kollegen aus dem Laufenden 'ausbezahlen'.

Einem Bauernfänger bin ich aber noch nie auf den Leim gegangen. Mir hilft, dass ich alle Daten auf Plausibilität prüfe: Gibt's eine Webseite oder werde ich von einem "Wegwerf"-Mailaccount angeschrieben, bei dessen Registrierung keine Datenprüfung vorgenommen wird? Habe ich die Adresse, passt sie zum Unternehmen? Funktioniert die direkte (Festnetz!-)Telefonnummer? Wird die Firma mit ihren Daten auch woanders geführt (in fachspezifischen Branchenbüchern zum Beispiel)? Gibt's Medienberichte über Firma, Geschäftsführer, Produkte usw., wo stehen sie und von wann stammen sie? Aber auch mit Fehlern gespickte Anfragen wie diese machen mich misstrauisch - und sie werden von mir nicht bearbeitet:

Die meisten Aufträge erhalten wir inzwischen über Empfehlung. Im Zweifelsfalle frage ich bei diesen Multiplikatoren vorsichtig nach, wie gut man den oder die Betreffende(n) kennt.

Bei völlig Fremden bitte ich dann auch schon mal um Vorkasse. Und Schecks lehne ich grundsätzlich ab, auch ganz normale, denn die Einreichgebühren will ich nicht zahlen, wo es doch auch kostenneutral mit einer Überweisung geht.

Für mehr Infos: Der Trick heißt auf Englisch “Check Overpayment Scam”, im Netz finden sich viele Hinweise dazu.

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Bild: Beispiel aus diesem Frühjahr.
Ich kenne den Herrn nicht, schon allein
die Intro hat mein Misstrauen erregt.

Dienstag, 5. Oktober 2010

Bandwurmwort

Heute nur ein Wort:
Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz (RkReÜAÜG)


(Zum Glück musste ich DAS nie dolmetschen!)

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Originaltext in seiner ganzen Schönheit hier.

Energie!

Der Präsident unseres Europäischen Rates ist um die 22 Lenze jung - und leitet souverän die Sitzung. Barbora, eine Tschechisch-Kollegin, die gelegentlich in Brüssel ausgewachsene Politiker dolmetscht, äußert sich hinterher begeistert: "Ich hab die gleichen Worte gehört und die gleichen Sätze gedolmetscht wie in Brüssel, das war wirklich unglaublich!"

Wir sind in Würzburg, es ist das Wochenende des 20. Jubiläums der deutschen Einheit. Das deutsch-französische Jugendwerk hat eine trinationale Jugendbegegnung organisiert zum Thema deutsche Einheit und Gesetzgebung der EU. Mit jungen Deutschen, Franzosen und Tschechen sind wir in der Jugendbildungsstätte am Rande der Stadt, Schauplatz eines zweitägigen Planspiels.

Es ist nach einem Einsatz für die ENA das zweite Planspiel, das ich binnen Monatsfrist dolmetsche - diese Simulation komplexer sozialer Wirklichkeiten nach Spielanleitung und mit Beratern, die mit der Bezugssituation wohlvertraut sind, wird immer häufiger in Lehr- und Lernsituationen eingesetzt. Und hier eben, typisch für Brüssel, sogar mit Dolmetschern. Verhandelt wird eine Direktive zur Förderung Erneuerbarer Energien, zu den Gremien kommen Lobbyisten und Pressevertreter hinzu, angeleitet wird das Seminar von Fachleuten vom Centrum für angewandte Politikforschung an der LMU München.

Wir Dolmetscher arbeiten zu viert mit unterschiedlichen Aufgaben. Das Gros meiner Zeit verbringe ich im Europäischen Parlament, wo die Arbeitssprache Französisch ist. Unsere an dieser Sitzung teilnehmenden tschechischen Studenten verstehen und sprechen entweder Deutsch - oder sie sprechen sehr gut Französisch wie Jiří, der sogar noch zur Schule geht und zu meiner hellen Freude mit Québecer Akzent spricht, war er doch ein Jahr dort im Rahmen eines Austauschprogramms. Da ich viel für Radio Canada arbeite, ist mir die Färbung bestens vertraut und angenehm, aber von einem Prager Schüler hätte ich diese Aussprache zuallerletzt erwartet, und so grinse ich beim Dolmetschen manchmal still in mich hinein.

Andere Redner sind schwerer verständlich, sprechen zu schnell, zu leise, offenbar ohne konkreten Plan - auch das kommt manchem Moment in der Wirklichkeit doch recht nahe. Nur leider fehlt uns anders als "in echt" der Hinkanal der Übertragung. Wir arbeiten mit mobiler Dolmetschtechnik, liefern den Rückkanal, also die Verdolmetschung auf die Kopfhörer unserer Teilnehmer, und müssen uns das Gesagte zur Not durch Herumgehen im Raum "näher heranholen".

Trotz aller Anstrengungen macht die Arbeit großen Spaß.

Vor allem sind diese jungen Leute ein Anlass großer Freude: Klug, engagiert, bescheiden, stellen sie die richtigen Fragen im richtigen Moment - bzw. reflektieren kritisch, dass das Planspiel bzw. die Notwendigkeit der Kompromissfindung im Rahmen politischer Mehrheitsbildung sie zum Aussprechen von Sätzen bringt, die sie persönlich niemals vertreten hätten.
Kurz: die Gespräche in den Kaffeepausen sind mindestens genauso spannend wie die 'offiziellen' Momente.

Zum Abschluss noch ein Zitat meiner Tschechisch-Kollegin Barbora: "Ich habe das Gefühl, dass ich hier nicht Energie verliere, sondern Energie auftanke!" Dem kann ich mich nur anschließen.

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Fotos: C. Elias

Sonntag, 3. Oktober 2010

Das macht Unsinn!

Synchrondeutsch ist ein Problem, das uns Spracharbeiter besonders betrifft.

Sprache unterliegt steten Wandlungen im Kontakt mit anderen Sprachen, das ist normal. Radikaler gesagt: Ohne Austausch keine Sprachentwicklung. Mit der Zeit schleifen sich die Ausdrücke ein, verlieren den Beiklang des Fremden. Synchrondeutsch versuche ich dennoch ganz bewusst zu vermeiden, denn es ist kein Ergebnis normalen Sprachkontakts.

Ein neues Beispiel, das mir erst gestern wieder aufstieß: "Annette und ihr Chef tauschen Blicke." Sie könnten auch Mappen tauschen oder Stift gegen Radiergummi. Für meine Ohren klingt das übersetzt. Der französische Ausdruck échanger des regards könnte dem zugrunde liegen. Ich ziehe vor: Annette und ihr Chef sehen sich kurz/vielsagend an ... je nach Kontext.

Manche Ausdrücke hören wir in den Medien so viele Jahre, dass wir gar nicht mehr spüren, dass sie Synchrondeutsch sind. "Das macht Sinn" meinen Sie zu diesem Beitrag?

Samstag, 2. Oktober 2010

In die Tasten gehauen

Hallo und Willkommen! Sie haben bewusst oder zufällig den ersten Blog aus dem Inneren der Dolmetscherkabine angesteuert. Daneben übersetze ich auch.

Gleich noch ein falscher Freund: le clavier wird die Tastatur in Frankreich genannt, denn das Kla|fünf|vier heißt dort le piano. Und dazu das Sonntagsfoto: Meine Tastatur nach noch nicht mal fünf Jahren Arbeit (nach ca. fünf Millionen An­schlä­gen).


Damit hat es seine Richtigkeit, denn wie sagte man doch so schön in der "ehe­ma­li­gen Ex-DDR"?


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Illustration: C.E. und Netzfund

Freitag, 1. Oktober 2010

Berliner Kinofilme in OF

Wer in Berlin rasch herausfinden möchte, in welchem Kino welcher Film in Originalfassung läuft, dem empfehle ich die Filmsuchmaschine von critic.de
und EXBERLINER.

Schönes Wochenende!
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Bild: critic.de / Exberliner