Mittwoch, 24. September 2008

Vom Wert der Arbeit

Haben wir immer noch Vollmond? Vorgestern kam mir in der Einbahnstraße ein Auto entgegen, gestern bekam ich beim Bäcker die völlig falsche Tüte in die Hand gedrückt (was ich erst zu Hause merkte) und vorhin sagte die Kassiererin: "neunhundertzehn Euro", wobei ganz offensichtlich 91,19 angezeigt wurden.

Irgendwas stimmt derzeit nicht. Nein, ich meine weder explodierende Banken noch Inflation, sondern das gefühlte Gegenteil. Nicht nur Berge können erodieren, auch Honorare und damit die Anerkennung von Arbeit. Aber während Bankgeld in Flammen aufgeht - wie muss ich mir brennende virtuelle Geldscheine vorstellen? - müsste der Wert der Arbeit doch eigentlich steigen, oder?

Paradoxerweise stand bei mir zunächst das Gegenteil auf dem Wochenplan: Honorarverfall drohte ab Montag. Jemand rief bei mir von einer ausländischen Rundfunkanstalt an, einer europäischen, und fragte nach dem Preis für die Verdolmetschung zweier Interviews. Noch ehe ich nach dem Thema fragen konnte, nannte der Fragende den Preis - hundert Dollar. Ich kenne und schätze Journalisten, die einen ausreden lassen und Geldfragen nicht als rhetorische verstehen - auf meine Nachfrage hin kam als Antwort: "Diese Summe haben wir letzte Woche in Rumänien bezahlt!" Naja, Berlin liegt bekanntlich in Osteuropa, wir wurden nicht handelseinig (das geschah erst Mittwoch, nachdem man sich zu Hause rückversichert hatte, dass unsere Preise normal sind).

Doch das war kein Montagsproblem, tags drauf ging's weiter: Ein Kongressveranstalter fragte nach vier Kollegen für einen Novembertermin, Kollegen haben Zeit, die aufgerufene Summe stimmte auch - kurz nach Abgabe des Angebots kam der Rückruf. Man wolle uns auf jeden Fall haben, aber zu zwei Dritteln des Honorars. Leider sei man zu nicht kalkulierten Sonderausgaben genötigt und ein Ministerium habe den Zuschuss gekürzt. Auch hier: Warteschleife. So geht's nicht.

Mittwoch: Zwei Dolmetscher sind für Messen angefragt. Der zweite Termin verschiebt sich im Laufe des Tages drei Mal (bzw. die anvisierten Messen), die Dolmetscher sollen in Berlin arbeiten und für je zwei Tage mitreisen. Da es um ein technisches Spezialthema geht, können wir nicht an den anderen Orten Kollegen suchen, weil Spezialisierung und vorherige Einarbeitung unabdingbar sind. Unsere ausgewählten Kollegen wurden bereits für nämliche Firma tätig, die Zufriedenheit war allseits groß. aber irgendwie hat die Marketingabteilung Zweifel, welche Messen es dieses Jahr und Anfang 2009 sein sollen.

Entweder haben wir Vollmond oder die Börse verunsichert alle oder aber ich habe es nur noch mit Praktikanten zu tun. Wir erstellen sehr gerne professionelle Kostenvoranschläge und finden noch lieber die passenden Kollegen. Aber irgendwann muss ich auf die Uhr sehen und feststellen: Über dem ganzen Suchen ist meine eigene Arbeit liegen geblieben, ich hab Fristen - und streiche erstmal meinen Feierabend.

Das hatte ich diese Woche leider zwei Mal. Mal sehen, wie der Donnerstag wird. Ich hoffe, anders, denn es gibt Wochen, da ist jeder Tag ein Montag mit Vollmond. Da heißt es standhaft bleiben und aktiv für Werte kämpfen. Der Wert echter Arbeit wird wieder steigen, wenn die Börsenkurse fallen. Das ist die gute Nachricht.
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Vollmond war diesen Monat am 15.

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