
So komme ich mit vier Nettodolmetschstunden leicht auf einen ganzen, durchaus langen Arbeitstag, der, wenn der Regisseur/die Regisseurin viele mir bis dato unbekannte Filme gemacht hat, mit dem Faktor x zu multiplizieren ist. Und am Ende des Dolmetscheinsatzes in kleinen Gruppen bin ich oft genauso knülle wie nach einem Tag, in dem ich in der Kabine an der Verdolmetschung einer ganzen Konferenz mitgewirkt habe. Denn anders als in der Kabine, wo wir immer zu zweit sind, arbeite ich alleine und über weite Strecken konsekutiv. Pause hab ich dann, wenn ab und zu auch mal ein französischsprachiger Journalist "dran" ist.
"Was?", sagen Sie jetzt möglicherweise, "Filme schauen und dafür bezahlt werden?" Ja, aber es ist nicht zum Spaß: Ich mache mir Notizen, schlage Hintergründe nach, schreibe Redewendungen und Vokabeln auf, vergleiche Motive und Szenen mit bereits Gesehenem.
Am Ende hängt mein Honorar aber auch von der Qualität des Films ab. Ich erlaube mir, auch für kleine Filme, wenn deren Starts oder Premierenabende gering budgetiert sind, auch zu Preisen zu arbeiten, die von einer Flasche guten Weins (experimenteller Kurzfilmabend) bis zu 60, 70 % Preisnachlass gehen können. Dafür erwarte ich aber Ehrlichkeit - und Treue. Einmal macht's die Menge, zum Beispiel, wenn ich für kleine Festivals arbeite, ein andermal wächst die Firma oder werden die Filmemacher mit den Jahren noch besser und berühmter.
Das Gleiche gilt für Drehbücher und Korrespondenz, Projekte und Artikel, Bücher und Aufsätze. Dabei rechne ich am liebsten nach Zeichen ab, weniger nach Worten. Warum, wo doch unter Französisch-Übersetzern die Worte so sehr beliebt sind? 80 % meiner Übersetzungen gehen ins Deutsche, und das ist wortökonomischer. Sie glauben mir nicht? Nur ein Beispiel: kopfschütteln heißt auf Französisch "secouer la tête négativement" (4 Worte) oder "faire non de la tête" (5 Worte). Noch Fragen?
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Foto: Viele Faktoren bestimmen einen Kostenvoranschlag.
Das historische Foto befindet sich in Privatbesitz.
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