Was mir auffiel, im Vergleich zum Dolmetschen im Kino: Hier hat (fast) jede Person ihre eigene Stimme, und die ist auch noch ans Geschlecht gebunden, also sprechen Männer grundsätzlich Männer und Frauen grundsätzlich Frauen. Mediendolmetscher sind meist ähnlich fix wie "wir vom Kino", was die Verschiebung zwischen den Worten der Moderatoren und Gäste und denen des Dolmetschers angeht. Was man fachsprachlich als "décalage" bezeichnet, ergibt sich automatisch, denn zunächst muss ich ja verstehen, was ich dann in einer anderen Sprache wiedergebe. Dennoch gibt es hier große Unterschiede zu den typischen Konferenzdolmetschern: Kollegen, die viel für Film und Medien arbeiten, sind schneller, vermeiden größere akustische "Sendelöcher", sind also immer zeitlich sehr nah an ihren 'Dolmetschklienten' dran. Während bei "uns vom Film" ja ein Manuskript auf dem Tisch liegt, während der Film läuft, haben "die vom Fernsehen" ihre Intuition geschärft, sie erfassen schneller, reagieren schneller und beginnen ihre Worte auch mal mit neutraleren Redewendungen, die dann erst im Zuge der weiteren Verdolmetschung ihre Richtung bekommen.
Denn davor, "ein Sendeloch zu fahren" haben in den Redaktionen alle (offen oder insgeheim) Angst, selbst, wenn es nur auf der Tonebene entsteht. Jeder Kinomensch widerspricht an dieser Stelle, denn Pausen und Warten erhöhen die Spannung - und die mehrsprachige Situation einer TV-Show wird ja vom Zuschauer als solche "erfahren", gehört zum Grundsetting. So das, was auf Französisch "meubler le silence" heißt, wörtlich: 'die Stille einrichten', der verbale Pausenfüller also, eine Spezialität der Mediendolmetscher ist.
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Foto: Nach der Sendung die Party. Und wenn eine Dolmetscherin fotografiert, dann bittschön simultan! Der Blitz stammt von der Kamera des Fotografen Nordi Hochstein, abgebildet sind der Rapper Torch und ??? (wird nachgetragen).
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