Sonntag, 28. September 2008

Verschiebungen

Ich weiß nicht, auf welchem Kanal Sie sind, ich finde Sie nicht!", sagt die Moderatorin und sucht nervös auf ihrem Empfangsgerät nach einer Stimme. "Die deutsche Übersetzung ist zwischendurch immer weg", konstatiert sie. Wir schauen betroffen drein, überprüfen das Dolmetscherpult, machen weiter.

Das Dolmetscherpult ist nicht das neuste und, um es vorsichtig zu sagen, es reagiert anders, als wir es kennen. Normalerweise leuchtet immer ein rotes Lämpchen je offenem Sprachkanal und ein weiteres rotes Lämpchen für den jeweiligen Dolmetscher, der im 'On' ist. Nur diese Anlage hier reagiert leider anders. Wir merken an den Reaktionen unserer französischen Gäste, dass sie Empfang haben, zweimal verschalten wir uns kurz, bis wir die Technik im Griff haben. Oder zu haben glauben - denn ins Deutsche gibt es weiterhin Probleme. Wir wissen nicht mehr von der Technik als die Diskutanten auf dem Podium und sind ebenso verunsichert wie die Moderatorin. Vincent und ich dolmetschen heute eine Diskussion zu einem aktuellen politischen Thema.

Wir arbeiten in drei Sprachen. Einer der Diskussionsteilnehmer kommt aus Lateinamerika, dieses Spanisch hätte eine längere Einhörphase nötig gemacht, so holt sich Vincent für die Französisch-Verdolmetschung den deutschen Ton von der benachbarten Dolmetscherkabine (die damit zum "Pivot" wird). Die Spanischkollegen hören immer lang zu, bevor sie übersetzen, ihr Abstand zum Ausgangsbeitrag aus dem Saal (in der Fachsprache "Décalage") ist recht groß. Wir sind meist näher dran an den Rednern, natürlich ist Vincent es hier nicht, so dass die französische Fassung mit einer zweiten Zeitverschiebung auf die Kopfhörer unserer Gäste gelangt.

Und während die Spanier und 'wir' noch dolmetschen, stellt die Moderatorin bereits die nächste Frage. Die Situation muss sich einmal wiederholen, bis wir merken, dass diese verfrühten Fragen der Moderation ein Impuls sein könnte zum Wechsel der Dolmetscher unserer jeweiligen Sprachenkombination, nur so könnten wir überhaupt die Situation meistern. Denn das Problem ist leicht erklärt: Derjenige, der noch auf "Pivot" geschaltet hat, also den Deutsch-Ton der Spanischkabine im Ohr hat, kann nicht gleichzeitig den "Floor" hören, den Veranstaltungsraum.

So entsteht, bis wir verstehen, dass der Moderatorin möglicherweise die Erfahrung internationaler Diskussionen fehlt, wiederholt ein Moment der Irritation: Sie hat ihre Frage gestellt, jene Diskutanten, die Deutsch verstehen, machen bereits Anstalten, zu antworten, die anderen warten noch auf die Frage - wir Dolmetscher auch. Und als der erste in einer Fremdsprache anfängt, zu sprechen, müssen wir länger zuhören als sonst, bis wir die Frage implizit verstanden haben und loslegen können, während die Moderatorin an ihrem Empfangsgerät rumnestelt, weil sie sich wundert, wo denn die Verdolmetschung bleibt. Und sie sagt: "Ich weiß nicht, auf welchem Kanal Sie sind, ich finde Sie nicht!"

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