Hermes wacht (also eigentlich ...) |
Erst brach der Rechner zusammen, dann musste ich mein Mailprogramm wieder zusammenfrickeln, dabei fiel mir ein bislang unbekanntes, extrem großes Spam-Postfach in die Hand, in dem sich auch Nachrichten ernstzunehmender Kund:innen befanden, das war dann per Hand zu sortieren, dann lackierte jemand in der Nachbarschaft per elektrisch betriebener Spritzpistole ein Regal mit achthundert Fächern, mein ganzes Büro stank so nach Lack wie eine Chemiebude, dass ich abbrechen musste. (Wir haben alte Fenster mit von mir reingeklebter Dichtung, Altbau.)
Eigentlich hätte ich, à propos Lackierungsarbeit, heute irgendwo außerhalb Berlins dolmetschen sollen. Am Telefon war alles klar, Kundenbesuch aus Frankreich, die technischen Probleme, die sprachlich zu bewältigen sein würden, waren angerissen, erste Begriffe notiert. Dann kam eine schriftliche Absage: "Mein Kollege hat in der Zwischenzeit einen Freund angefragt, der uns helfen wird."
Klasse Berufsqualifikation: Freund. Ich empfahl nachzufragen, wie gut der Bekannte Französisch spricht und wo erlernt. Mancher Laie schiebt mit Talent Begriffe hin und her und hält auch fünf, zehn Minuten durch. Fremdsprachenkenntnisse machen in unserem Beruf allerdings maximal die Hälfte aus, der Rest ist Dolmetschtechnik, Ausdauer, Berufserfahrung und Recherchemethoden, diplomatischer Umgang und derlei. Einen professionellen Austausch ermöglichen nur Profis. (Die Ausnahme, die die Regel bestätigt, liegt im Promillebereich.)
Die Lackierfirma würde sicher kein Schulkind an ihre Geräte lassen, weil es sich im polytechnischen Unterricht oder im Fach „Werken“ recht geschickt angestellt hat? Oder das Krankenhaus die Änderungsschneiderin an den OP-Tisch, weil sie mit Schere, Nadel und Faden umgehen kann?
"Und wie war das nochmal mit dem 'Montag'?", höre ich jemanden laut reinrufen, "... das verstehen doch nur Muttersprachler:innen! Erklär das bitte nochmal!"
"Montagsproduktion" beschreibt ein Objekt, das dauerkaputt ist, wie lieblos an einem Montag gefertigt, die Gedanken des Arbeiters oder der Arbeiterin sind noch in Themen des Wochenendes gefangen, vielleicht fehlt Schlaf, ist Restalkohol im Blut.
Beispiel: Ich bekam mal einen Fotoapparat zum Geburtstag, der mir leider kaum Freude bereitet hat. Er fiel wiederholt gröblich aus, wurde zwei Mal eingeschickt, kam dann angeblich repariert zurück. Nach dem Abitur, von dem Alter hatte ich es ja eben erst, wurde ich mein Jugendzimmer fotografiert, bevor ich es leergeräumt und meiner kleinen Schwester übergeben habe. Als die Fotos aus dem Labor kamen, saß auf jedem Bild ein perfektes schwarzes Quadrat in der linken oberen Ecke. "Montagsproduktion", sagte daraufhin der Mensch vom Fotofachgeschäft.
Auf dem Schreibtisch an diesem Tag, der eine Montagsproduktion ist: Nachrichten durchsehen, alte Nachrichten löschen, Kostenvoranschläge schreiben. Dann weiter: siehe Montag.
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Foto: Fotoarchiv Elias Lossow
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