Hier bloggt eine Dolmetscherin und Übersetzerin. Als Spracharbeiterin komme ich ständig mit einer großen Bandbreite von Themen in Berührung. Das ist ein Glück. Ich lerne oft mit Menschen kennen, die Lösungen entwickelt haben. Zu sehen, wie quälend langsam sie anschließend umgesetzt werden, ist eine Last.
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Morgenstimmung am Markt
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Minus neun Grad am Morgen. Böse Fragen werden gerde laut: Ist Petrus etwa ein Putinfreund? Eisige Kälte liegt über Nordeuropa. Meine Gedanken gehen an alle ohne Wärme und feste Wände, von Osteuropa über die Obdachlosen bis hin zu den Marktmitarbeiter:innen, die wenigstens am Abend in feste, warme Häuser zurückkehren dürfen.
Was können wir tun? DHL liefert derzeit gratis Spendenpakete in die Ukraine, ich hab mich einer Nachbarin angeschlossen und Inhalt geliefert. Grundsätzlich: Diese Temperaturen sind schnell lebensgefährlich. Es ist daher wichtig, dass wir anderen immer die Nummer des Kältebusses parat haben, besonders am Abend. Sonst können wir mit kleinen Gesten helfen.
Die Obdachlosen brauchen warme Kleidung, Heißgetränke, immer wieder gehe ich zu Gemüseschnippelabenden, wo Eintopf aus dem Gemüse entsteht, das die Lebensmittelstände des Markts am Abend gespendet haben.
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Ein weiterer gelisteter Baum ist weg
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Anschließend geht es auf Verteilrunde, partir en maraude sagen die Franzosen dazu. Les maraudes auprès des personnes SDF, Obdachlose aufsuchen gehen.
Die SDF sind die personnes sans domicile fixe, Menschen ohne ständigen Wohnsitz, auch sans-abri genannt, "ohne Schutz", und das Wort maraude stammt aus dem 30-jährigen Krieg, als die kampfunfähigen Soldaten marodierend durch die Gegend zogen und, da sie keinen Sold mehr bekamen, geplündert haben, um zu überleben.
Wörter haben so ihre Geschichte und Entwicklung. So heißt die maraude auch je nach Kontext im zivilen Leben "Mundraub" oder "nach Kundschaft Ausschau halten".
Grundsätzlich ist das alles nur Wasser auf heiße Steine oder, der Jahreszeit angepasst, ein Eiskristall im Kanal. Wir leisten uns eine Politik, die es zehn Prozent der Gesellschaft erlaubt, mehr als zwei Drittel des gesamten Vermögens ihr eigen zu nennen (70 Prozent davon sind ältere Männer). Und eine Politik, die nicht längst in großem Stil Wohnungen baut für Obdachlose, Kriegswaisen, kinderreiche Familien und Menschen, die aus schlechten, überteuerten Wohnverhältnissen nicht rauskommen.
Menschen in Obdachlosigkeit zu halten kostet mehr, als ihnen Wohnraum zu verschaffen, das wissen wir längst durch Zahlenvergleiche, und dass die Erstversorgung mit Wohnraum der bessere Weg ist, als von den Obdachlosen in diesem Kontext z.B. den Entzug von Drogen als Voraussetzung zu erwarten. (Letzteres ist einfach nur sadistisch.)
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Am Ufer eine Hütte
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Denn aufsuchende Sozialarbeit, Notarzteinsätze, Kältebus, Notunterkünfte, die gesamte Krisenverwaltung ist aufwändig und teuer. Das vor Jahrzehnten in den
USA und Finnland entwickelte vorbildhafte Projekt "
Housing first" hat bewiesen, dass einfache Wohnungen mit dem Angebot einer bedarfsangepassten Betreuung der beste Weg aus dem Leid sind und dass die Menschen fast ausnahsmlos so in den Alltag zurückfinden.
Das Modell wurde dann auch noch ein weiteres Mal in Berlin erprobt. Die Erfahrungen wurden bestätigt. Und jetzt ist es an uns, die wir mit dem Allerwertesten in der warmen oder nicht ganz so warmen Bude hocken, wir sparen ja alle Energie, Druck auf die Politik auszuüben.
Und noch eine Bitte: Sammeln Sie Einwegbesteck aus Plastik oder aus Holz, das lässt sich prima spülen, geben Sie dieses zur Weiternutzung an Menschen weiter, die sich für die Obdachlosen engagieren.
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Fotos: C.E.