Mittwoch, 3. April 2019

Blühpflanzen

Bon­jour, wel­come, gu­ten Tag! Hier le­sen Sie No­ti­zen aus dem All­tag ei­ner Kon­­fe­­renz­­dol­­met­sche­rin und Über­set­ze­rin. Ich arbeite mit der fran­zö­sischen Sprache (und aus dem Englischen). Neben Wirtschaft, Politik und Kultur zählen Öko­land­bau und Bodengesundheit zu meinen Fachgebieten.

Viele bunte Blumen, weißgekleideter Herr mit bunter Plastikgießkanne
Blumen stehen Spalier
"Schön muss es aus­se­hen!", sagt der La­den­in­ha­ber in der West-City, als er die Blüm­chen gießt, die in Reih und Glied vor sei­ner Tür ste­hen. Ich stolpere nach einem Dol­metsch­ein­satz gerade aus einem benachbarten Büro. Als Naturfreunde kommen wir ins Gespräch. Ich frage ihn, ob er von der Ge­fahr für die Bie­nen weiß, die von vielen Ge­wächs­haus­blu­men aus­ge­hen. Seine knappe Antwort darauf ist lei­der typisch.

Er sagt: "Mir doch egal, Haupt­sa­che, es sieht schön aus!" und geht rein, um neues Wasser zu holen. Ich schaffe es gerade noch, ein freundliches Wort des Abschieds zu sagen. Der Mann meint es ja nicht böse. Er steckt nur wie so viele andere im täglichen Überlebenskampf.

Andere Menschen suchen die Blühpflanzen für die Bal­kon­käs­ten sorgfältig aus, um bewusst die Bienen zu füttern. Viele wissen nichts von den Kollateralschäden aus den Laboren. Dass sie die Bienen damit mög­li­cher­wei­se gefährden, wissen sie nicht. Ge­fahr droht aus den meisten ge­werb­li­chen Gärtnereien: 2014 waren mehr als 80% der in der Schweiz getesteten Blühpflanzen aus den Gar­ten­cen­tern mit Neo­niko­ti­noi­den belastet; Agrargifte, die toxisch auf Bienen wirken. Heute (und außerhalb der Schweiz) dürfte es kaum besser gewor­den sein, der Ver­brauch von Um­welt­gif­ten steigt.

Neue Blüten für den Schattenhofgarten
Neues Misstrauen gegen Pflanzen von 2018
Der Direktor des "Pa­pi­lio­ra­ma" im Berner Seeland (Schweiz), Biologe Caspar Bi­jle­veld, er­in­nert re­gel­mä­ßig daran, dass die­se Pestizide für In­sekten drei- bis sie­ben­­tau­send mal gif­ti­ger wirken als DDT, von dem sich bis heute Rück­stän­de in den Böden finden.

Die Fol­gen sind bekannt: 2018 haben 30 Prozent der Bie­nen­völ­ker Frank­reichs den Winter nicht überlebt. (Normal wäre ein Verlust von etwa zehn Prozent.) Die Schmet­ter­lings- und Libel­len­po­pu­la­tionen nehmen genauso ab wie die Arten und Popu­lationen der Vögel und der Fi­sche. Neuen Stu­dien zufolge könnten Res­te von Neo­ni­ko­ti­noi­den in Pflanzen auch für Säu­ge­tie­re gesund­heitlich ge­fähr­lich sein.

Blick auf einen begrünten Hof
Hofgarten mit Giersch (2018)
Damit bin auch ich wieder mitten im Garten­jahr. Frühling bedeutet, zunächst als Aus­gleichs­sport zu Schreibtisch und Kabine im Hofgarten den Giersch zu entfernen. Giersch hat rhizom­artige Wurzeln, die sehr ein­fach brechen. Es ist eine Auf­ga­be für künftige Zen-Meis­ter. Und dann heißt es, sich um die ei­ge­nen Sä­­me­rei­en und Steck­linge zu küm­mern. Ich verwende Bio­saat­gut aus länd­li­cher Produktion. Im In­ternet gibt es Quel­len, man­cher Bio­markt hat auch Sä­me­rei­en im An­ge­bot. Da vie­le Sa­men­ar­ten öffentlich oft nicht verkauft werden dürfen, ohne eine (teure) Li­z­enz­­num­mer zu haben, sind es oft Vereine, die sich des Saat­guts an­neh­men, die Tausch­rin­ge or­ga­ni­sie­ren und ih­re Mit­glie­der versorgen.

Erste Men­schen­pflicht ist da­her heu­te: Aus­sä­hen, ver­schen­ken, tau­schen und pfle­gen von ge­sun­den, un­be­han­del­ten Blüh­pflanzen. Und wer keine Topf­blu­­men mag oder viel­leicht keinen Bal­kon hat, der kau­fe eine mit­tel­große Aus­wahl an Kü­chen­kräu­tern im Bio­la­den seines Ver­­trauens, stel­le sie auf die Fens­ter­bank, si­che­re sie gegen Run­terfal­len bei star­ken Wind­böen ab, gieße ge­­le­gent­­lich ... und lasse sie dann fröh­lich ins Kraut schießen!

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Fotos: C.E. (z.T. Archiv)

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