Sonntag, 14. April 2019

Innehalten

Im 13. Jahr beschreibe ich hier meinen sprachbetonten Alltag. Ich bin Kon­fe­renz­dol­metscherin und Übersetzerin, arbeite mit der fran­zö­sischen Sprache (und aus dem Englischen). Sonntags werde ich privat.

Diese Frühlings­tage bringen winterliche Kälte mit sich. Eigentlich sind die Woll­sa­chen längst frisch­ge­waschen im "Mottensafe" verstaut, die ersten Klei­der­mo­tten wurden schon gesichtet, doch immer wieder muss ich mir etwas aus den luft­dich­ten Kisten holen. Die Kälte ist feucht, das Wetter aber nicht so regennass, wie es sein müsste in einem üppigen Frühjahr.

Morgens machen die Vögel wun­derbar Rabatz, weder bei den El­tern auf dem Dorf noch in der Stadt am Kanal und in Park­nähe ist es ein stummer Frühling. Bunt ist er auch hier und da. Die Kli­vie blüht versteckt Richtung Ar­beits­zim­mer­fens­ter; nur nicht um­stel­len, das mögen Cli­vien nicht. Die künftigen Bal­kon­to­mät­chen und die Bienen- und Vogel­wei­de­pflan­zen im Miniformat scheinen al­ler­dings im Wachs­tum zu pau­sie­ren.

Pflanzenfenster und Miniplfänzchen, blühende Clivia
Frühling zuhause

Und während das zarte Laub der Stra­ßen­bäu­me wie in Zeit­lu­pe den Vorhang zur an­deren Uferseite zuzieht, habe ich das seltene Gefühl an­ge­hal­tener Zeit. Das Frühjahr scheint ­zu pausieren. Sonntags­ruhe. Am Abend mo­deriere ich zwei Fes­ti­val­pro­gram­me, die ich schon einmal mo­deriert habe, ich muss also nichts vor­be­rei­ten. Im Haus ist es still.

Da erfahre ich vom Tod eines Be­kannten, eines Lektors und sprach­mächtigen, zu­rück­hal­tenden Mannes aus dem Osten der Republik. Und trotz aller Trauer und der Wut über diese Natur, die zwei klei­nen Kindern den späten Vater ge­nom­men hat, haben die Zei­len eines Verlags anlässlich dieses plötz­li­chen Herz­to­des etwas tröst­liches. Es klingt nach dem Beginn von Einsicht, wenn ein Nach­ruf so endet: "Wir neh­men uns seinen Tod zur Mahnung, freien Mitar­beitern nicht zeitliche Versäum­nisse des Verlages über­zu­helfen, sondern ihnen die Zeit zu las­sen, die sie für eine gründ­liche Arbeit brauchen."

Möge sich diese Erkennt­nis auch anderswo in der Kul­tur verbreiten. Und weil Zeit immer gleich auch Geld be­deu­tet: Möge gründlich er­le­dig­te Geistes­arbeit endlich wieder allen Beteiligten gute, auskömmliche Hono­rare und Ge­häl­ter wert sein. Hier meine ich jetzt nicht ei­nen bestimm­ten Ver­lag, son­dern die ganze Kul­tur­bran­che und Kunden wie Kol­legin­nen und Kol­le­gen glei­cher­ma­ßen: Wür­den sich nicht so vie­le un­ter Wert ver­kaufen, die Preise wä­ren an­dere.

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Collage: C.E.

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