Diese Frühlingstage bringen winterliche Kälte mit sich. Eigentlich sind die Wollsachen längst frischgewaschen im "Mottensafe" verstaut, die ersten Kleidermotten wurden schon gesichtet, doch immer wieder muss ich mir etwas aus den luftdichten Kisten holen. Die Kälte ist feucht, das Wetter aber nicht so regennass, wie es sein müsste in einem üppigen Frühjahr.
Morgens machen die Vögel wunderbar Rabatz, weder bei den Eltern auf dem Dorf noch in der Stadt am Kanal und in Parknähe ist es ein stummer Frühling. Bunt ist er auch hier und da. Die Klivie blüht versteckt Richtung Arbeitszimmerfenster; nur nicht umstellen, das mögen Clivien nicht. Die künftigen Balkontomätchen und die Bienen- und Vogelweidepflanzen im Miniformat scheinen allerdings im Wachstum zu pausieren.
Frühling zuhause |
Und während das zarte Laub der Straßenbäume wie in Zeitlupe den Vorhang zur anderen Uferseite zuzieht, habe ich das seltene Gefühl angehaltener Zeit. Das Frühjahr scheint zu pausieren. Sonntagsruhe. Am Abend moderiere ich zwei Festivalprogramme, die ich schon einmal moderiert habe, ich muss also nichts vorbereiten. Im Haus ist es still.
Da erfahre ich vom Tod eines Bekannten, eines Lektors und sprachmächtigen, zurückhaltenden Mannes aus dem Osten der Republik. Und trotz aller Trauer und der Wut über diese Natur, die zwei kleinen Kindern den späten Vater genommen hat, haben die Zeilen eines Verlags anlässlich dieses plötzlichen Herztodes etwas tröstliches. Es klingt nach dem Beginn von Einsicht, wenn ein Nachruf so endet: "Wir nehmen uns seinen Tod zur Mahnung, freien Mitarbeitern nicht zeitliche Versäumnisse des Verlages überzuhelfen, sondern ihnen die Zeit zu lassen, die sie für eine gründliche Arbeit brauchen."
Möge sich diese Erkenntnis auch anderswo in der Kultur verbreiten. Und weil Zeit immer gleich auch Geld bedeutet: Möge gründlich erledigte Geistesarbeit endlich wieder allen Beteiligten gute, auskömmliche Honorare und Gehälter wert sein. Hier meine ich jetzt nicht einen bestimmten Verlag, sondern die ganze Kulturbranche und Kunden wie Kolleginnen und Kollegen gleichermaßen: Würden sich nicht so viele unter Wert verkaufen, die Preise wären andere.
______________________________
Collage: C.E.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen