Typischer Parkaträger — schwimmt im Wasserglas |
Unter dem Dach ist zwar für das Interview ein Salon reserviert, aber dort darf nicht geraucht werden.
In der Zigarrenlounge hingegen schnurrt, nein knurrt irgendwo ein lautstarker Abzug, der in die Decke eingelassen wurde. Er wirkt auf mich wie eine riesige Dunstabzugshaube. Die Bar hat noch nicht geöffnet, es wird aber "aufgebaut".
Ich habe als Ohrenmensch Scheu vor Lärm, vor klirrenden Flaschen und Gläsern und sonstigen Geräuschen, die die Tonaufnahmegeräte jedes Mal kurz in den Schockzustand versetzen, so dass es darauf ein kleines Loch gibt. Ginge es nach mir, würden wir uns für Interview und Aufzeichnung sofort nach oben zurückziehen.
Es geht aber nicht nach mir. Auch der Fotograf zieht die Location unten vor. In Sachen Akustik kommen hier verschiedene Dinge zusammen: Der Interviewte hat keine Sprechausbildung genossen, er artikuliert deutlich zurückhaltender als Herr und Frau Jedermann. Zudem spricht er leise, raucht, hält die Fluppe zwischen den Lippen, nimmt oft die Hand vor den Mund. Hinzu kommt das ständige Klickklickklick des Fotografen, der sicher Hunderte von Aufnahmen schießt. Und schließlich wird dann neben dem Einräumen der Bar, die gleich geöffnet wird, auch noch die Jalousie runtergefahren, um die Lichtstimmung für die Bilder zu verändern.
Ich konzentriere mich und bemühe mich, innerlich Ruhe zu bewahren. Die Interviewer sprechen gutes Schulfranzösisch und verstehen nach eigenen Aussagen bis zu 80 % der Antworten. Mein Job wird nachher die "Trans-Ü" sein, Übersetzung statt Transkription, direkt in den Rechner hinein, Spracherkennungssoftware sei Dank. Im Interview wird Monsieur H. immer leiser und immer langsamer, sucht nach Worten, sagt auch schon mal, und das gefällt mir ausgemacht gut: "Ich weiß es nicht, das ist meine ehrlichste Antwort!"
In Kette |
Es war der Satz J’étais un enfant raisonnablement heureux, ich war ein einigermaßen glückliches Kind.
Dann ziehe ich um. Zunächst die gute Nachricht: Die Tonqualität ist sehr gut, nur ab und zu kommt es zu den befürchteten Effekten. Gerne lasse ich mich eines Besseren belehren. Und noch eine Feststellung darf ich treffen: Wie gut, dass wir nicht vorher hier unter dem Dach gelandet sind! Die Konferenzetage ist vollverglast und ich fühle mich hier wie ein Pflänzchen, das noch wachsen muss. Ich nehme Platz im Tropenklima bei 36 Grad im Schatten.
Nach zehn Minuten sind Rechner und ich heißgelaufen. Die Haustechnik interveniert, das Thermometer sinkt quälend langsam Richtung Dreißigermarke. Die heiße Bürotechnik läuft weiter verzögert, blockiert. Ich frage nach einem anderen Raum, doch das Haus ist ausgebucht. Ich lade einen anderen Player herunter, weil mein Tonschnittprogramm, an dem ich die Töne so schön als Graphen sehe, zu viel Rechnerkapazität beansprucht. Jetzt wird es besser, aber noch nicht wirklich gut. Das Hin- und Herschalten zwischen den beiden nicht vernetzten Programmen bringt weiteren Zeitverlust mit sich. So schmeiße ich, drittes Lernmoment, sämtliche Einschätzungen über die Arbeitsdauer über den Haufen. (Hier hätte ich allerdings wirklich gerne recht behalten.)
Nachdenkpause, Zigarettenzug |
Kühl weht der Abend zum Fenster herein. Die Klamotten riechen auch nicht mehr nach Qualm.
Nach dem Interview |
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Fotos: C.E.
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