Dienstag, 1. Januar 2019

In limbo

Bon­jour, hel­lo, gu­ten Tag! Fran­zö­sisch­dol­met­scher und -übersetzer haben ver­mut­lich einen eigenen Blick auf die Welt, und meiner ist nochmal anders. Ich schreibe hier mein subjektives Arbeitstagebuch.

Die allerbesten Wünsche für 2019! Jetzt liegen die dunkelsten Ta­ge des Win­ters wie­der hinter uns und die Büroruhe wird auch nicht lange andauern.

Im Filmsektor ist sie sowieso relativ. Das festliche Jahresende und die Zeit zwi­schen den Jahren fühlen sich für Menschen, die mit Kino und Sprache zu tun ha­ben, wie ein kurzes Innehalten vor der Berlinale an. Für mich endete das Jahr so, wie es begonnen hatte: Mit Filmübersetzung. Und ab März geht die Kon­gress­sai­son wieder los.

Ich liebe übrigens die deutsche Redewendung "zwi­schen den Jahren". Sie ist nicht leicht zu übertragen ... entre les années   in limbo be­tween the years vielleicht. Sie beschreibt eine Zeit des Stillstandes, Pausierens und des Innehaltens. Die Tage werden noch nicht spürbar wieder länger, wir treffen uns mit Freun­den und Fa­mi­lie, es wird wieder mehr gelesen, die Museen ha­ben er­höh­ten Zulauf.

Diese Pause dauert in der ersten Januarwoche noch an, in der das ge­sell­schaft­li­che Leben weiter brachliegt. Diese Zeit ist wie eine Klammer zwi­schen dem Ges­tern und dem Heute. Ein Moment im Jahr, in dem zu­gleich zurück- und nach vorne ge­schaut wird, Bilanzen und Pläne auf­ein­an­der­treffen.

Verwandt damit ist in limbo, der eng­li­sche Aus­druck für dieses Da­zwi­schen, noch nicht dort, nicht mehr ganz hier, wie eine Fern­lie­be, die irgendwo an den Schie­nen­strän­gen zwi­schen zwei Orten residiert, niemand weiß, was die Zu­kunft bringt und wo­hin sie uns führt.

Dieser Mo­ment ist zugleich die In­kar­na­tion des Au­gen­blicks. Die­ses schö­ne deut­sche Wort umfasst, was ein Auge sieht im Hier und Jetzt, die Es­senz des Gegen­wär­ti­gen.

Nie­mals sonst im Jahr spüre ich so sehr das, was uns antreibt und wie wir das er­le­ben, was uns alle au­macht: die Zeit. Ich schließe mit Marcel Proust (2017): "Ich für meinen Teil ha­be aufgehört zu glauben, dass die Jahre neu sind ..." (Pour ma part j'ai re­non­cé à croire que les années soient nouvelles ...)

Alle poli­ti­schen, sozialen, öko­lo­gi­schen etc. Wün­sche für und Gedan­ken über un­se­re Epoche spare ich mir jetzt. Es wären zu viele. Auf ein fried­li­ches, glück­li­ches und vor al­lem ge­sun­des 2019!

Mann, der nichts sehen kann, orientierungslos inmitten von Ampeln
Wand­ma­le­rei in Paris, wie eine Al­le­go­rie auf unsere Zeit
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Foto: C.E.

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