Sonntag, 30. April 2017

Schreibregeln

Bonjour, hello und guten Tag. Hier bloggt im 11. Jahr eine Dolmetscherin und Übersetzerin. Heute: Mein Sonntagsbild in Worten. 

Am Wochenende: Kurztrip nach Hamburg, Buchpräsentation und Erinnerung an ei­nen zu Jah­res­an­fang Verstorbenen. Neu ist hier, dass sich mit dem Freundeskreis vor allem eine digitale Community trifft, von denen viele wirken, als kennten sie einander sehr gut, die oft miteinander plaudern oder arbeiten, und trotzdem ste­hen viele den anderen Samstagabend zum allerersten Mal persönlich gegenüber.

1. Vermeide die 1. Person Singular ... 5. Eine Filmkritik ist mehr als die Filmzusammenfassung ... plus viele Schrottwörter
Schreibhinweise, vermutlich aus den 1990ern
Auch der Betrauerte hat sehr zu­rück­ge­zo­gen ge­lebt. Wenn seine letzte Ge­lieb­te mit einer jun­gen Frau dis­ku­tiert, die ihn exzellent zu kennen scheint, die ihm aber nie persönlich begegnet ist, und wenn beide sehr oft einer Meinung sind und sich ausgiebig unterhalten und In­te­res­san­tes zu sagen ha­ben, denkt die be­richt­er­stat­ten­de Dol­met­sche­rin über ge­schrie­be­ne Sprache nach.

Die Betref­fen­den hat­ten bis­lang oft nur über den Kurz­nach­rich­ten­dienst ei­ner In­ter­net­com­mu­nity mit­ein­an­der zu tun. Ja, es gibt Aus­nah­men. (Es geht um face­book, wa­rum nicht den Na­men nen­nen.)

Der elektronische Kontakt in Realzeit ist so bedeutend und präsent, dass sich die Sinneskanäle verschieben: aus 'gelesen' wird oft 'gehört' in Wahrnehmung und Be­richt.

"Das (...) ist typisch für ihn, sowas hat er oft gesagt", meint die andere über die Hauptperson des Abends. Die eine nickt.

Eine solche Verschiebung habe ich schon mal erlebt. Ich denke an den welt­bes­ten Patensohn, der nach Ansicht des Films "Der neue Krieg der Knöpfe" (La nouvelle Guerre des boutons, Regie: C. Barratier) ganze Szenen mit verteilten Rollen nach­ge­spielt hat, lange bevor wir das Buch gelesen haben. Wir waren vor fünf Jahren in der Pressevorführung und haben die untertitelte Version gesehen (hier unsere Film­kri­tik). Damals hatte der Mini, der damals in der 3. Klasse war, tagelang die Figur des Petit Gibus nachgespielt. Auf meine Frage hin, woher er denn die Dia­loge ken­nen würde, kam prompt die Antwort: "Aber die hab ich doch gehört!"

Und dann fällt mir die Goethezeit ein mit ihren verbrieften Lieben oder Kafka und Milena, die sich wenigstens persönlich kannten und die mehrmals täglich Briefe ge­schrie­ben haben, der Postbote wurde damals zwei- bis dreimal am Tag vorstellig, Ver­zö­ge­run­gen wurden immer wieder kommentiert. Oft blieb den Menschen frü­he­rer Jahr­hun­der­ten das verwehrt, was wir heute kühn "entvirtualsieren" nennen. Die Menschen wussten trotz­dem viel vom fernen Gegenüber. So singulär, wie mir das Phänomen zunächst vor­kam, ist es also gar nicht. Und offenbar ist es um die Schreib­kul­tur heute doch nicht so schlecht bestellt, wie manche meinen.

Beim Verstorbenen handelt es sich den Journalisten Uwe Kopf, u.a. frü­he­rer Text­chef von "Tempo", dessen Buch "Die elf Gehirne der Seidenspinnerraupe" gerade bei Hoffmann und Campe erschienen ist. Seine Verbotsliste für Autoren von Film­kri­ti­ken ist unvergessen und leider bis heute hochaktuell. (Punkt Nr. 5, autsch!)

"Eigentlich" werde ich künftig streichen. Blogs hatte Uwe Kopf nicht im Blick. Und die bloggende Spracharbeiterin, die von sich immer in der 3. Person Singular spre­chen muss, "Die Dolmetscherin braucht eine Pause zum Bat­te­rien­wech­sel", darf in Aus­nah­me­si­tuatio­nen, und eine solche stellt so ein Arbeitstagebuch dar, in der 1. Person schreiben, erst recht dann, wenn es sich wie hier um Autiobiofiktion han­delt, oder? So ein Blog ist auch keine Musikkritik.

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Illustration: U.K. (in ein zweites Fenster
geladen, lässt sich der Text vergrößern)

Freitag, 28. April 2017

Something fishy

Ob geplant oder zufällig: Sie sind mit­ten in ein Ar­beits­ta­ge­buch hinein­ge­ra­ten, in dem sich al­les um Spra­che, Dol­met­schen, Über­setzen und Kult­uren dreht. Als frei­be­ruf­li­che Sprach­mitt­lerin ar­bei­te ich in Pa­ris, Berlin, Marseille, Heidelberg und dort, wo man mich braucht. 

"Fischprediger"
Diese Woche: Wir sind zum Thema Land­wirt­schaft un­ter­wegs. Die Gruppen sind groß, zwischen 20 und 30 junge Land­wirte aus der ganzen Welt. Einer der Redner springt spontan auf eine Leiter und er­klärt, wie der Fisch zum Basilikum kam.

Später gehen wir in ein Kellergeschoss für einen anderen Vortrag. Die Endgeräte der Dolmetschtechnik brummen. Die Mik­ro­fon­bat­te­rie ist eher nicht schon wieder leer, wir haben sie (gefühlt) eben erst aus­ge­tauscht. Trotzdem testen wir zunächst die­se Möglichkeit.

Es brummt weiter. Wir haben nicht viel Zeit zum Nachdenken.

Zehn französischsprachige Menschen sind unser Zielpublikum bei dieser Bil­dungs­reise zum Thema Landwirtschaft, gesunde Böden und Nachhaltigkeit, die anderen verstehen Englisch.

Lautes "Flüsterdolmetschen"
Wenig später steht Kollegin Vir­gi­nie in der Mitte einer klei­nen Gruppe von Zuhörern am Rand des Saals. Sonst flüstern wir maximal für drei Personen. Wir wech­seln uns wie immer ab. Als ich dran bin, habe ich das Gefühl, dass ich viel zu laut spreche, dass die an­de­ren im Raum sicher Mü­hen haben, zu folgen. Per trial and error finde ich die rich­ti­ge Lautstärke.

Als wir das Kellergeschoss (mit seiner an die Wand gebeamten Po­wer­Point­Prä­sen­ta­tion) verlassen, läuft die Technik wieder. Es wird irgendein hochfrequenter Strom­kreis­lauf gewesen sein, der unseren kleinen Sender gestört hat, vielleicht auch nur die Lichtdecke.

Rednerin mit Sprechblase
Neben dem Gewächshaus, wo in mehreren Bassins Buntbarsche wachsen, funktioniert die Flüs­ter­tech­nik wieder. Es geht um Aquaponik und ist sehr spannend.

Verschiedene Redner bringen den Gästen des Mi­nis­te­riums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) diverse Themen nach­hal­ti­ger Landwirtschaft nahe, Permakultur und Bo­den­ge­sund­heit inklusive.

Hochgradig spannende Einsatztage waren das. Aber fishy war da nichts, siehe Titel, das ist nur ein wit­zel­süch­ti­ges Wortspiel.


(Ein 2. Teil folgt am |Dienstag| Mittwoch: hier entlang.)
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Fotos: C.E.  
Tags: #RuralFuture Lab, #1nt

Donnerstag, 27. April 2017

Familienbande

Herzlich willkommen auf den Sei­ten des ersten deut­schen Web­logs aus dem In­ne­ren der Dol­met­scher­ka­bi­ne. Hier schreibt ei­ne Fran­zö­sisch­dol­metscherin über ihre diversen Einsätze und über Sprache. Die Liebe zum klaren, indes nicht im­mer iro­nie­frei­en Ausdruck habe ich ganz eindeutig geerbt.

Vater und Tochter
Eines meiner Lieblingszitate: "Das Wort Familienbande hat einen Beigeschmack von Wahrheit!" Es ist von Karl Kraus, den ich schon als Kind verehrt habe. (In mein­em Besitz war ein Büchlein im Pup­pen­buch­for­mat mit seinen Apho­ris­men. Guter Trick übrigens!)
Und die Familienbande, die ich ken­nen­ler­nen durfte, ist eine ganz wun­der­ba­re, was sehr stark an einer Person liegt.

Herzlichen Glückwunsch zum eckigen Geburtstag, liebster OHE!

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Illustration: privat

Mittwoch, 26. April 2017

Schriftdolmetschen, die Erste

Türschild (alt) Bürotechnik und Organisation
Grundlagen
Bonjour, hello & guten Tag! Hier bloggt eine Übersetzerin und Dolmetscherin für die fran­zö­si­sche Sprache über den Arbeitsalltag. Neulich wur­de mir eine komplizierte Frage gestellt. Dass ich Fach­fra­gen bekomme, ist gar nicht selten. Unser Beruf ändert sich in manchen Aspekten, in­des sehr langsam. Heute da­her wieder: Blick auf den Schreibtisch.

Liebe Caroline,

ich habe eine Fachfrage an Dich: Gibt es die Möglichkeit, dass si­mul­ta­nes Dolmetschen auch schriftlich ge
­hen kann?

Heißt: Es gibt eine Diskussions-Situation und jmd. tippt die Übersetzung di
­rekt aus dem Deutschen ins Englische und das wird dann an die Wand ge­wor­fen?

Über eine Rückmeldung und vor allem eine Kalkulationsgrundlage würde ich mich sehr freuen.

Herzliche Grüße,

Wibke

Liebe Wibke,

etwas in der Art gibt es bereits: "TV-Schriftdolmetschen" für Hörgeschädigte, al­ler­dings ohne Wechsel der Sprachen (hier wird getippt, diktiert oder mittels Technik ste­no­gra­fiert. Eine Übersicht bei textGedanKen/Gudrun Kellermann).

Vor einiger Zeit gab es bei einem Staatsakt das mal mit Übersetzung als "Live Sub­titling", computerbasiert, höchst rudimentär, fehlerbehaftet und peinlich (daher hier keine Details). Ich mache etwas ähnliches bei Bedarf, z.b. bei internen Be­spre­chun­gen, in der Sprachrichtung FR<>DE und korrigiere dann anschließend. Hier beschreibe ich eine PowerPointPräsentation live, der Beamer wirft es an die Wand. Aber es wird immer ein starkes Maß der Verkürzung bleiben wie bei Un­ter­ti­teln sonst auch.

Was meines Wissens noch nicht ausprobiert wurde: Simultandolmetschen in eine Diktiersoftware hinein, eine zweite Person korrigiert dann sofort. Hierfür brauchst Du aber nicht zwei Dolmetscher, die sich abwechseln, sondern 2 x 2 Leute. (Derlei Hirnhochleistung geht nur 20 oder 30 Minuten am Stück.) Dann hätteste mehr Text.

Technisch sicher irgendwie machbar (Erfassung durch Rechner eins und sofortiges Überspiel auf den zweiten Rechner, der in Echtzeit Zugriff bekommt, kriege ich ge­dank­lich nicht gelöst, das ist was für Fachleute) ... Der größere Hinderungsgrund ist hier sicher der Kostenfaktor.

So richtig hilfreich war das leider wohl nicht.
Herzlich
Caroline

P.S.: Ich nenne den heutigen Blogpost "die Erste" (Folge), weil ich mir das tat­säch­lich mal ge­nau­er ansehen gehen möchte.

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Foto: C.E.

Dienstag, 25. April 2017

Dreckig

Hallo, hier bloggt ei­ne Sprach­ar­bei­te­rin. Ich über­set­ze und dol­met­sche. Ar­beits­spra­chen: Fran­zö­sisch (aktiv und passiv) und Englisch (nur Aus­gangs­spra­che). Heute denke ich über zwei Wörter nach.

In der Bäckerei unten im Nachbarhaus, die ich manchmal in meinem Ar­beits­zim­mer leise höre, kann auch Kaffee getrunken und Kuchen gegessen werden. Hier steht in der Nähe des Tresens dieses Schild:

Schild mit der Aufschrift "Dreckiges Geschirr".
Gesehen in Neukölln
In der Backstube wird tra­di­tio­nell pro­du­ziert, nachts und mit Vorteig. Vor­mit­tags kann ich das Mahl­ge­räusch der Stein­­müh­­le erahnen (in der Laut­stär­ke, wie wenn die Nach­barn oben Ba­de­was­ser ein­las­sen). Der Laden wird von einem Dänen geführt. Hier ver­kau­fen und backen etliche Skan­di­na­vier, ein Eng­län­der, zwei Deutsche und zwei Nord­ame­ri­ka­ner.

Zwei Franzosen sind auch dabei, was eine gute Gelegenheit ist für ein: Merci beau­coup pour les crois­sants ! Kurz: der Laden sym­bo­li­siert den sich ra­pi­de ändernden Stadtteil. Hier wird immer öfter Englisch und DAF ge­spro­chen, Deutsch als Fremd­spra­che.

Das Schild, das zur Rückgabe gebrauchten Geschirrs anregen soll, steht erst seit kurzem da. Es stört mein Sprachempfinden. Erstens ist es zu direkt. Mut­ter­sprach­ler hätten wohl eher "Geschirrrückgabe" geschrieben, ein komisches Wort mit drei R. Zweitens will das Adjektiv nicht passen. Hätte mich "schmutziges Geschirr" ge­nau­so gestört?

Bei "dreckig" denke ich an dreckige Witze, das "dreckige Dutzend" (the dirty do­zen), die zwölf häufigsten Giftstoffe in Pflan­zen­"schutz"mitteln und In­dus­trie­che­mi­ka­lien, die eigentlich verboten sind, aber in importierten Produkten im­mer wie­der auf­zu­fin­den sind, die Menschheit leidet bis heute an derlei Im­mis­sio­nen. Au­ßer­dem fällt mir die "Dreckschleuder" ein, ein altes Auto mit hohen Emis­sio­nen [Edit: oder neue mit skandalösen Messschummeleien]. Und M. mit ihrer "dreckigen Lache". Wäsche und Geschirr sind nach meinem Sprach­ge­fühl eher schmutzig, die Schmutz­wä­sche liegt auf dem Haufen und wandert gleich in die Maschine, der klei­ne Schmutz­fink, der sie bis eben trug, in die Badewanne.

Ich mache den Häufigkeitstest bei Dr. Gargoyle, dem digitalen Wasserspeier. Und es ist keine Überraschung, dass die Kombination "dreckiges Geschirr" nur ungefähr 38.600 Fundstellen liefert, die Kombination "schmutziges Geschirr" dafür an die 86.700 Nachweise. Es überrascht mich trotzdem, dass es beim "dreckigen Geschirr" doch so viele sind.

The Bread Station in Neukölln
Dann überlege ich, ob mein Sprach­pie­tis­mus aus dem Französischen kom­mt. Dort ist es in gewissen Kreisen, die ich in mei­nem Studium durchaus intensiver ken­nen­ge­lernt habe, nicht üblich zu sagen: "Der Käse stinkt", le fromage pue. Vor­zu­zie­hen sei le fromage sent mauvais, "der Käse riecht schlecht", so einer meiner Lehrer aus dem Alltag im Westen der Stadt Paris.

Beim Bezahlen frage ich im Café nach. Und ja, das Schild hat keine Mut­ter­sprach­le­rin geschrieben. Und jemand wagt sich an einen kühnen Vergleich: Schmutz sei schnell abwaschbar, Dreck nicht. Dreck sei von grundsätzlicher Natur, als Beleg wurde eine "dreckige Phantasie" genannt.

Schmutz sei das Gegenteil von Sauberkeit, so jedenfalls Wikipedia; Dreck werde eher als ekelerregend, ökologisch fragwürdig oder abstoßend empfunden.

Im Schwabenland gibt es nochmal eine andere Definition, denn das klei­ne Wört­chen "Dreck" wird häufig als Synonym des Wörtchens "Erde" verwendet. Wer gärt­nert, hat dort die Hände im Dreck. Die "Drecksau" wühlt sich durch Staub und Er­de. Und wenn an einer schwäbischen Karre nach einem Regentag viel Dreck an den Kotflügeln hängt, sind diese schmutzig.

Kurz: Die Sprachverwendung hängt nicht nur vom ei­ge­nen Sauberkeitsempfinden ab oder vom Land, sondern von der Region.

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Foto: C.E.

Montag, 24. April 2017

Weichenstellung

Hallo aus Berlin! Sie sind bei einem Weblog aus der Welt der Sprachen gelandet. Hier schreibe ich über Dolmetschen und Übersetzen für Medien, Politik, Wirt­schaft, Kunst, Gesellschaft und Soziales. Ich arbeite in Berlin, Paris, München und dort, wo ich gebraucht werde. Meine Arbeitssprachen sind Französisch (2. Spra­che) und Englisch (Ausgangssprache).

Rad im Sprung mit Tricolore
Der Sprung ins Ungewisse
Der nächste französische Prä­si­dent heißt Emmanuel Ma­cron. Dieses Mal werde ich rich­tig lie­gen (anders als ges­tern). Auf die Fran­zo­sen ist im Zwei­fel Verlass.
Macron wirkt manch­mal et­was bleich um die Nase und kurz­atmig, was Ar­gu­men­te angeht. Ein politischer Vi­sio­när ist er nicht, vor allem ver­­fügt er über wenig po­li­ti­sche Erfahrung.

Aus dieser Schwäche hatte er im Vorfeld der Wahl eine Stärke machen wollen: Er lud Wähler ein, über die Inhalte zu diskutieren, diese besprachen die Lage, ana­ly­sier­ten und gaben Empfehlungen ab. Manche dieser Vorschläge schafften es bis ins Wahlprogramm. Ich war bei drei solcher Sitzungen dabei und fand nicht einen Aspekt im Wahlprogramm wieder.

Einen derart jungen Präsidenten hatte Frankreich (wenn ich das richtig überblicke) noch nicht. Er ist unter 40 und fungiert als gewählter Monarch als eine Art "Lan­des­va­ter", der über allem thront und der hoffentlich als erstes an diesem Thron rüt­teln wird. Er versprach eine transparente Politik und Reformen. Das Prä­si­dial­sys­tem mit dem am Ende binären Wahlmodell scheint angesichts dessen, was wir in den letzten Monaten erlebt haben, nicht mehr recht zu Frankreich zu passen. Die Zeichen stehen also gut für eine VI. Republik.

Kritiker befürchten indes, dass er sich als genauso diskret erweisen wird wie der derzeitige "Mieter des Elysée-Palasts" (le locataire de l'Elysée). Sollten sich die­se Befürchtungen bewahrheiten, wird es in fünf Jahren eng. Wer die her­kömm­li­chen politischen Strukturen weiter schwächt, liefert Wasser auf die Mühlen von Marine Le Pen. Darüber und über die Selbstschwächung der Parteien mit dem S davor hat Di­dier Eri­bon letzte Woche in der Süddeutschen Zeitung geschrieben.

Der Schicksalswahlen erster Teil also, auch wegen dieses Aspekts: Keiner der Kan­di­da­ten der etablierten Parteien, der Konservativen und der Sozialisten, kam in die Endrunde. Beide Ver­tre­ter wirkten eher far­blos, der Kon­ser­va­ti­ve hat sich zu­dem selbst durch wahr­schein­lich un­recht­mä­ßi­ge Bezüge von Familienmitgliedern (zu­sam­men­ge­rech­net ca. eine Mio. Euro) selbst geschwächt. Die Wahl war vor al­lem eine Abwahl des bestehenden Parteiensystems. Alles andere ist noch offen.

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Foto: C.E.

Sonntag, 23. April 2017

Schicksalswahl

Was Dol­met­scher und Über­setzer be­schäf­tigt und wie wir ar­bei­ten, da­rü­ber be­rich­te ich hier im elften Jahr, außerdem schreibe ich über die französische und deutsche Sprache, Englisch kommt am Rand auch vor. Schwerpunkt sind be­deu­tungs­vol­le Kom­mu­ni­ka­tions­si­tua­tio­nen und "meine" Sprachländer.

Späte Mail
So, nachdem Macron neulich kurz vor dem Moment meinte, an dem der Wahlkampf zu­en­de ging, nämlich Frei­tag­nacht zu Samstag, dass ich die Karre aus dem Dreck ziehen solle, was ich nicht tun kann, gebe ich jetzt doch noch eine Prog­no­se ab — und zwar nach diesem Datum, aber eben in Deutschland.

Und da ich jetzt so oft gefragt worden bin: Ich glaube, es wird ein Rennen Fillon gegen Mélenchon geben.

Etliche Protestwähler, die früher Marine Le Pen gewählt hätten, wenden sich dem linkeren Querdenker zu, der auch europakritisch ist; viele Aspekte seiner Euro­pa­kri­tik lassen sich auch von Europaliebhabern nicht leugnen. Die Kon­ser­va­ti­ven bleiben konservativ und hier wurde Fillon aufgestellt, den heute sogar manche Kirchenleute am Rand der Gottesdienste empfohlen haben. Das bürgerliche, ka­tho­li­sche Frankreich ist nicht zu unterschätzen. Das betrügerische Verhalten Fillons kam letztendlich seiner Familie zugute, sowas wird in gewissen Kreisen leichter verziehen.

Aber es kann auch alles ganz anders kommen. "Wenn Du weißt, was die Zukunft bringt, hast Du schlechte Berater", fällt mir in solchen Momenten ein. Eine Schick­sals­wahl ist es auf jeden Fall.

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Foto: Mailpostfach

Freitag, 21. April 2017

Toll (erratum)

Welcome, bienvenue, gu­ten Tag! Was Dol­met­scher und Über­setzer machen, kön­nen Sie hier lesen. Meine Sprachen sind Französisch (als Ausgangs- und Ziel­spra­che) und Englisch (Ausgangssprache). Ich arbeite in Paris, Rennes, München, Berlin und dort, wo Sie mich brauchen.

Dieser Tage lese ich wieder viel über Bodengesundheit und Permakultur. Ansonsten stehe ich zwischen Konferenz­einsätzen, langweilig wird es indes nicht: Eh­ren­amt­li­ches Dolmetschen in der Flüchtlingshilfe, Gespräch mit einer Psychologin genau dazu, ebenso ehrenamtliches wie -volles Übersetzen von politischen Texten für eine Pub­li­ka­tion zu Afrika, Termin- und Reiseplanung für den späten Frühling und zwi­schen­durch wirke ich noch als "Trüffel­schwein" für einen De­sig­ner und denke aktiv über das eigene Wohn­umfeld nach.

Grafik: "Wasserliebende, fluttollerante Pflanzen"
Wenn mich sowas irritiert, ist Zeit für eine Pause
Und perfekt passend zu allen Karmatheorien, die ich hier mal als first give, than take zusammenfasse, fragt mich eine Kollegin, ob ich uns denn bei diesenundjenem Kun­den beworben hätte für seine tur­nus­mä­ßi­ge Herbst­ver­an­stal­tung. Na­tür­lich. Da flat­tert auch schon dessen Zu­sa­ge ins Mailpostfach.

Ein toller Kunde, der uns stets mit viel Respekt begegnet, der sogar unsere re­gel­mä­ßi­gen Nachfragen in Sachen Vorbereitungsmaterial nicht nur toleriert, sondern weiterleitet und sich zu eigen macht.

Weniger schön: An Bürotagen gehören mindestens zwei Stunden derzeit nur der Ver­wal­tung, den explosionsartig zunehmenden Ausschreibungen, den langen, fach­spe­zi­fi­schen Nach­wei­sen über erfolgte Einsätze. Leider wird es immer mehr.

Dann geht es nach einer Ausschreibung zum Thema gesunde Böden ans Wei­ter­ler­nen, denn zu genau diesem Thema steht der nächste Einsatz bevor: Per­ma­kul­tur, Bodengesundheit, Humus und Mikroorganismen in drei Sprachen. Aber rasch werden die Augen ausgebremst. Das Wort "Fluttollerant" (sic!) hab ich erst auf Englisch "gelesen", auch wenn sich the tolerance auch nur mit einem L schreibt (aber aus­spricht, als wären es zwei ...). Schon toll.

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Illustration: Netzfund, Vorbereitungsmaterial (sollte ich hier
Urheberrechte verletzt haben, bitte ich um einen Hinweis).

Mittwoch, 19. April 2017

Kontraste

Was Dol­met­scher und Über­setzer be­schäf­tigt und wie wir ar­bei­ten, da­rü­ber be­rich­te ich hier im elften Jahr, außerdem schreibe ich über die französische und deutsche Sprache, Englisch kommt am Rand auch vor. Schwerpunkt sind be­deu­tungs­vol­le Kom­mu­ni­ka­tions­si­tua­tio­nen.

Hochhausarchitektur kracht auf französisches Schlossintérieur
Hochhausarchitektur kracht auf französisches Schlossintérieur
Berlin. Sitzen ein fran­zö­si­scher Imam, ein in Polen ge­bo­re­ner jüdischer Pub­li­zist, ein fran­zö­si­scher Po­li­zist, von be­rufs­we­gen laizistisch, ein syrischer Ge­schäfts­mann, ver­mut­lich Moslem, und eine deut­sche Dolmetscherin, un­ge­tauft, in einer Limousine mit Chauffeur.

Der Terminplan ist eng, die Aufgabe wichtig.

Die Dolmetscherin: "Ich weiß, Gott, Staat und Welt­ge­schich­te reisen mit, trotzdem möchte ich Ihnen empfehlen, den Si­cher­heits­gurt anzulegen."

Wir haben Termine bei diversen Religonsgemeinschaften und einer Zeitung, früh­stücken in luftiger Höhe mit Blick auf die Rudi-Dutschke-Straße, sie stößt an die Axel-Sprin­ger-Straße, sind zu Mittag neben der Synagoge in der Oranienburger Stra­­ße, nehmen den Tee am Potsdamer Platz, zwei Schritte von der ehemaligen Mauer entfernt, mit einem Ölprinzen ein. Ein bunter Tag von der Sorte, die mir schon am Abend unwirklich vorkommen.

Die Kontraste der Orte kann nicht nur die Kamera nicht gut erfassen. Und ja, ich bin Dolmetscherin aus Abenteuerlust. Fortsetzung folgt. Es handelt sich um die Anbahnung eines öffentlichen Events.

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Foto: C.E.

Dienstag, 18. April 2017

Wir sind in ...

Guten Tag oder guten Abend! Sie sind mit­ten in ein Ar­beits­ta­ge­buch hinein­ge­ra­ten, in dem sich al­les um Spra­che, Dol­met­scher (und Dolmetscherinnen) sowie um Kult­uren dreht. Als frei­be­ruf­li­che Sprach­arbeiterin für Französisch (und aus dem Englischen) ar­bei­te ich in Pa­ris, Berlin, Marseille, Hei­del­berg und dort, wo man mich braucht. Heute ein POV, ein subjektives Foto plus schneller Erklärung.

Zettel mit Aufschrift: "Wir sind in Paris"
Spickzettel zwischen Ersatzmikro und digitalem Wörterbuch
Die letzten Tage sind sehr be­wegt gewesen. Das hatte ich im März schon mal: Jede zwei­te Nacht in einem an­de­ren Bett.

Es ist Konferenzhauptsaison, noch dazu reisen wir mit Fachleuten zu Themen der Bildung, Chan­cen­ge­rech­tig­keit, duales Be­rufs­aus­bil­dungs­sys­tem und Integration in die Ar­beits­welt.

Immer wieder fangen die Redner Sätze an wie: "Hier in Berlin ..." oder "... hier in Brandenburg ..." oder eben Paris oder Bonn. Wir dolmetschen stets auf die Inhalte konzentriert. Ortsangaben sind zu vernachlässigende Größen, inhaltlich stellen sie im Grunde keine wesentlichen Informationen dar. Der Kopf neigt dazu, hier rasch das auszuwerfen, was noch aktuell scheint. Bei derart schnellen Ortswechseln em­pfiehlt sich eine entsprechende Notiz auf dem Boden. Gedacht, getan.

Die Sache hilft.

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Foto: C.E.

Sonntag, 16. April 2017

Eierlauf

Willkommen und bienvenue auf den Seiten des ersten deutschen Blogs aus dem Inneren der Dol­met­scher­ka­bine. In Deutsch­land kommt das Früh­jahr heuer recht zö­ger­lich. Aufgrund der Kälte kommen auch meine Ostergrüße zögerlich. Wenn ich das Bild richtig interpretiere, das sich mir am Wegesrand recht aufdringlich ins Bild ge­scho­ben hat, dürfen wir künftig von Dezember bis März/April Winterschlaf halten.

Wir Dolmetscher sind Hoch­leis­tungs­sport­ler. Nur die Sportart ist nicht klar, so ähn­lich, wie gerade die Jahreszeit (Schnee an Ostern ...).

Weihnachtsbaum mit Osterschmuck
Zwei-Jahreszeiten-Schmuck
Wir rennen ständig Sprints, wenn wir un­se­ren Rednern hinterhereilen. (Wenn wir nicht, was viel besser ist, neben ihnen herjoggen.) Diese Sprints laufen wir al­ler­dings im Marathonmodus. Und weil das auf Dauer nicht gutgehen kann, übergeben wir das Mikro regelmäßig, was unseren Sport zum Stafettenlauf macht.

Und dann, wenn die Rednerin nach et­li­chen verbalen Extrarunden noch immer nicht auf den Punkt kommt oder wenn der Redner uns nicht rechtzeitig einiges In­for­ma­tions­ma­te­rial hat zukommen lassen oder Ver­an­stal­ter uns wieder mal zu kurz­fris­tig gebucht haben, mutiert das Ganze auch noch zu einem Eierlauf.

Frohe Ostachten!

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Foto: C.E. und herzlichen Glückwunsch
an einen, der heute 40 wird!

Donnerstag, 13. April 2017

Platzprobleme

Herzlich willkommen auf den Sei­ten des ersten deut­schen Web­logs aus dem In­ne­ren der Dol­met­scher­ka­bi­ne. Hier schreibt ei­ne Fran­zö­sisch­dol­metscherin über ihre Einsätze in Ber­lin, Paris, Cannes, Köln, Hamburg und anderswo. Heute: Blick auf den Tisch. 

Es ist eng! Sehr eng! Und dunkel. Als wir in den Kabinen ankommen, schauen wir ins Schwarze. Wir sitzen am hinteren Ende einer Theaterbühne und denken: Das bleibt so.

Monitor, Papier, Dolmetschpult, Info- und Notizzettel: Alles geht nicht auf den Winztisch
Viel Technik für wenig Raum
Zur Eröffnung gibt es Tanz. Wir sehen die Künstler auf dem Monitor vor uns, je Ka­bi­ne gibt es ein Rie­sen­trumm, und spüren die Schrit­te und Sprünge auf den Brettern, die die Welt be­deu­ten, denn sie sind auch unser Boden. Es ist wie in manchen Surround-Kinos: Wir haben das Bild, den Sound und die Er­schüt­te­run­gen werden auch mit übertragen.

Das ist ein äußerst surrealer Eindruck in einer Dolmetscherkabine! Plötzlich zieht jemand den riesengroßen, schwarzen Moltonstoff hoch, der vor unseren Nasen gehangen ist. Und wir schauen direkt ins Publikum hinein. Die Redner sitzen mit dem Rücken zu uns, das Kamerateam am Bühnenrand sorgt für den richtigen Blick auf das Panel. Etwas irritierend ist das Ganze, denn Dolmetscher sind von Natur aus eher scheue Persönlichkeiten.

Das Hauptproblem aber ist der fehlende Platz. Der Veranstalter hat wohl einen Son­­der­­preis für die Anmietung der Technik bekommen, die eher älter ist. Die Pulte sind größer als die neuen Versionen. Die Lampe hat einen Kugelfuß, den ich auf das Kabel zum Dolmetschpult stelle, nachdem ich es ein bisschen aus der Mitte weg hin zur Kol­le­gin ge­scho­ben habe, denn meine Seite ist ja durch den raumreifenden Monitor ver­klei­nert.

Wenn ich meinen Laptop aufklappe, hier sind Redebeiträge mit Anmerkungen und die Vokabelliste, sehe ich den Monitor kaum noch und das Pult, auf dem wir selbst schalten, ist auch verdeckt. Die Lampe an dieser Stelle hilft, von den Reglern und Knöpfen we­nigstens noch etwas zu sehen, wenn ich den Bildschirm etwas run­ter­klap­pe.

Monitore in Serie mit Blick durch die Nachbarkabinen hindurch
Kabinen und Monitore in Serie
Dolmetscht die Kollegin, habe ich den Klapprechner auf dem Schoß. Er heißt ja nicht umsonst Laptop. Das Programm des Kongresses ist auf Doppelseiten gedruckt, zwischen uns liegt noch Schmierpapier für Eigen- und Ortsnamen, Jahreszahlen und Mengenangaben. Auch hier gibt es Über­lap­pun­gen. Rechts vom Monitor liegt mei­ne eigene Liste für Vokabeln und An­mer­kun­gen. Tippe ich in den Rechner, wür­de es möglicherweise klappern. Und ganz rechts, im Dunkeln, der schwarze Was­ser­be­cher.

Wunsch an die Kabinenhersteller: Wäre der Tisch etwas tiefer, wäre schon viel ge­won­nen.

Und die Lampen könnten doch bitte schön auch zum Aufhängen sein, oder? Und Kleiderhaken für die Mäntel wären auch toll. (Ich glaube, dass ohne die Tanz­dar­bie­tung die Monitore vermutlich außerhalb der Kabine gestanden hätten.)

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Foto: C.E.

Mittwoch, 12. April 2017

Schangsen

Hallo! Hier lesen Sie regelmäßig Neues aus der Dolmetscherkabine, vom Über­set­zer­schreib­tisch und aus der Welt der Idiome ... völlig subjektiv gefiltert von mir, einer Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache.

Wandcollage mit Köpfen und Wohnhäusern
Gesehen in Berlin
Neulich bin ich auf eine Dis­kus­sions­ver­an­stal­tung gegangen, auf der es um die 3. Generation der in der DDR Geborenen ging. Interessant war, dass ich etlichen Leu­ten die Herkunft sofort "abgehört" ha­be. Es gibt Redewendungen, die typisch sind und die es noch heute gibt.
Als Ost-West-Kind habe ich einst fe­rien­hal­ber die DDR gut studieren können. Daher hat es mir geradezu in die Ohren ge­klin­gelt.

Hier einige Begriffe:
  • nach vorne diskutieren [von "nach vorne verteidigen", milit.]
  • operatives Entscheiden [mitten im Vorgang entscheiden, milit.]

  • "Schangsen" (Chancen) und andere bizarr ausgesprochene französische Wör­ter
  • die Intelligenz [meint eine soziale Schicht]
  • Praxen [anstelle von "Praktiken"]
  • in Größenordnung [ohne Artikel und weitere Ergänzung]
    Verwendungsbeispiele: "Region Grimma / Gewerbegebiete: Droht Rückzahlung von Fördergeld in Größenordnung?" (Ost) versus "Die Renovierungskosten in der Größenordnung von mehreren Millionen Euro trägt der Staat." "Die Bearbeitung eines Auftrags dieser Größenordnung dauert etwas länger." (West)

    Von meiner Großmutter weiß ich, dass der Begriff "Fakt" in der Nazizeit als Vokabel der Kommunisten galt, den es in öffentlicher Rede zu vermeiden galt. Fakt ist, dass es heute ein TV-Nachrichtenmagazin aus Leipzig gibt, das so heißt.

    Manche einst Staatsnahe (der DDR) erkenne ich bis heute an der Prosodie. Was es genau ist, kann ich nicht erklären. Mich schüttelt es auch kurz und ich renne zum Radio. Ausknopf.

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    Foto:
    C.E.
  • Sonntag, 9. April 2017

    Elphi mit Sophie

    Welcome, guten Tag, bonjour ... auf den Blogseiten, die in der Dol­­met­­scher­ka­bi­ne und am Übersetzerschreibtisch entstehen. Ich arbeite in den Bereichen Politik, Kultur, Wirt­schaft und Soziales. Meine Arbeitssprachen sind Deutsch, Französisch (Ausgangs- und Ziel­spra­che) und Englisch (nur Aus­gangs­spra­che). Heute: Sonn­tags­fo­to.

    Am Ende eines Konferenztages für die Dauer eines Wochenendes in Hamburg hän­gen­blei­ben und mit der Hochbahnfahrkarte durch den Hafen schippern. Um uns herum viele Sprachen und Menschen, darunter eine syrische Familie (was ich im Gedränge dem Randgespräch mit einer Hel­fe­rin entnehme). Beim letzten Mal ha­ben wir noch traurig aus­se­hen­de Jugendliche gesehen, die vorausgeschickt wor­den sind. Aber der Nachzug bleibt eine Ausnahme mit den geänderten Gesetzen.


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    Foto: C.E.

    Donnerstag, 6. April 2017

    PFA die Erste

    Ob ge­plant oder zu­fäl­lig, Sie lesen hier auf den Sei­ten einer Sprach­ar­bei­ter­in. Was Dol­met­scher für Fran­zö­sisch (und Über­setzer) so machen, darüber schreibe ich hier seit mehr als zehn Jahren, derzeit wieder aus Berlin. Weiter geht's mit der Reihe POV, Point of view. Kurzer Kommentar zu subjektiven Erfahrungen bei der Spracharbeit und dem, was damit zusammenhängt.

    Tschechisches und kamerunisches Deutsch > FR (simultan)

    Heute wieder ein POV-Bei­trag, der rasche Text zum Bild. Wir besuchen dieser Ta­ge mit einer aus­län­di­schen Delegation sehr un­ter­schied­li­che Konferenzräume. Dabei benutzen wir eine mobile An­la­ge. Die Redner fragen vorab (drei Redner, un­ter­schied­li­che Or­te):
    — Soll ich durchreden?
    — Darf ich reinquatschen?
    — Geh ich über Sie drüber?

    Die Technik ist ein Koffer mit Mikrofon und Kopfhörern und nennt sich Per­so­nen­füh­rungs­an­la­ge (PFA). Wenn wir in der Kabine sitzen, werden solche Fragen nicht ge­stellt, weil wir nicht "sichtbar" sind.

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    Foto: C.E.

    Mittwoch, 5. April 2017

    Übersicht 2016

    Ob geplant oder zufällig, Sie sind mitten in den Weblog einer Spracharbeiterin reingeraten. Ich dolmetsche bilateral Französisch/Deutsch (Ausgangs- und Zielsprache) und aus dem Englischen zu manchen Themen. Außerdem übersetze ich mit Schwerpunkt Konferenz, Drehbuch, Kulturprojekt.

    Heute ein weiterer Blick auf den Schreibtisch. Wie immer irgendwann den ersten Monaten des Jahres liste ich die Dos­siers auf­, zu denen ich im abgelaufenen Jahr tätig war. Die Vielfalt der Projekte ist groß, fast alles beschäftigen mich 2017 weiter.

    Vokabellernschreibtisch
    — Allgemeine Politik, Populismus, Umwelt, Wirtschafts- und Finanzkrise, Bildungs- und Steuergerechtigkeit, Strategieplanung
    — Internetwirtschaft, Urheberrecht
    — Französisches Kino (Drehbücher) und Filmwirtschaft, Koproduktion in Theorie und Praxis, Rolle der Fernsehsender
    Commons und Lebens- und Arbeits­wirk­lich­keit der Kreativwirtschaft
    — Architektur/Energie: Wärmedämmung, Energiewende, neue Energiequellen
    — Altbausanierung: Farben (Nuancen und Material), Fragen der Dämmung und der Wandgestaltung, Bodenbeläge, feste Ein­bau­ten, Bauökologie
    — Architektur: Krankenhaus- und Schul­neu­bau

    — Urbanismus: sozialer Wohnungsbau, Baugruppen, Genossenschaftsbau
    — Papiergroßhandel (Umstellung auf Nachhaltigkeit)
    — Afrika: "Entwicklungshilfe" vs. Hilfe zur Autonomie, Literatur, Kino, Krisenherde, demokratische Bewegungen, Bildungsförderung, Wissens- und Bildungstransfer
    — Musikalisches Leben im 3. Reich und im Ostblock
    — Migration, Integration, zwischen den Kölner Ereignissen und Integrationserfolgen
    — Kundenberatung: Verkäuferschulung
    — Startups, Inkubatoren, Gründerszenen
    — Bergbau und Energiewirtschaft
    Großstadtkrimi
    — Pressemeldungen zu TV-Ausstrahlungen, Filmstarts sowie Pressehefte
    Tierschutz
    Ehefähigkeitsverfahrensdauer
    Michel Houellebecq
    — Ehrenamt: Als Bildungspatin teile ich mein Wissen über Lernmethoden

    ... und vieles mehr. Diese Themen beschäftig(t)en mich im Hinblick auf Kon­fe­ren­zen und Seminare, Dreharbeiten, Drehbuchübersetzungen, interne Beratungen der Politik, diverse Bildungsangebote sowie im Rahmen unternehmerischer Tätigkeit Dritter.

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    Foto: C.E. (Archiv)

    Dienstag, 4. April 2017

    Preisgefüge

    Hallo aus Berlin! Sie sind bei einem Weblog aus der Welt der Sprachen gelandet. Hier schreibe ich über Dolmetschen und Übersetzen für Medien, Politik, Wirt­schaft, Kunst, Gesellschaft und Soziales. Ich arbeite in Berlin, Paris, München und dort, wo ich gebraucht werde. Meine Arbeitssprachen sind Französisch (2. Spra­che) und Englisch (Ausgangssprache).  

    Bunte Aquarellfarben
    Arbeitsmaterial
    Grafiker haben einen Tagessatz von 760,- Euro, machen dem Vernehmen nach eine bis zwei Wochen Urlaub im Jahr, und be­kom­men anteilmäßig von den an Kollegen weitergeleiteten Projekten noch etwas ab. Die Sätze von Grafikagenturen liegen weit oberhalb dessen — oft um ein Viel­fa­ches. Grafikagenturen müs­sen sich in der Materie auskennen und genau wissen, wen sie ansprechen. Qua­li­tät erkennen sie im besten Falle alle.
    Im Bereich der Spracharbeit sind in­zwi­schen die meisten Angestellten der öf­fent­lich sicht­bars­ten Agenturen fachfremd oder waren, sorry, dass ich das so direkt sage, genau jene, die im Studium ... ach, das sage ich doch besser lieber nicht.

    Kurz: Agenturen leben davon, dass sie möglichst teuer verkaufen, was sie mög­lichst billig einkaufen. Qualitätsprüfung entfällt aufgrund des hohen An­for­de­rungs­pro­fils in der Regel beim Dolmetschen (beim Übersetzen mag das anders sein). Der Tagessatz für Dolmetschen des Auswärtigen Amtes liegt derzeit bei 775 Euro. Wenn eine Agentur dazwischensteckt, kann es sein, dass wir Sprach­ar­bei­ter von einem Telefondienst 450 Euro angeboten bekommen. Also nichts von "Agenturpreise um ein Vielfaches" wie in der Grafik. Da wird's mir dann echt zu bunt, ich halte mich von solchen Angeboten fern. Andere gestandene Kolleginnen und Kollegen ebenso.

    Der Premiumbereich in unserem Gewerbe sind ganz klar die eigenständigen, er­fah­re­nen Dolmetscherinnen und Dolmetscher, die auch beratend tätig sind. Wir neh­men einander gegenseitig zu Einsätzen mit, das ist die Honorierung der Akquise.

    Und was sind diese Sätze im Vergleich zu dem, was selbständige SAP-Be­ra­ter auf­ru­fen, das können durchaus Tagessätze jenseits der 800 Euro sein bei geringerer Vorbereitung als in unserem Berufsfeld, wo schon mal ein Tag beim Kunden mit zwei Vorbereitungstagen zu Buche schlägt? Das klingt mir jetzt schon wieder zu defensiv.

    Andererseits müssen wir uns immer wieder in Erinnerung rufen, dass wir als Fest­an­ge­stellte im Bereich 60-90k Jahresbrutto plus Sekretärin und Dienstwagen liegen würden. (Sicherlich weniger Stress, aber auch weniger Vielfalt.)

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    Foto: C.E.

    Montag, 3. April 2017

    Aubergine

    Welcome, guten Tag, bonjour ... auf den Blogseiten, die in der Dol­­met­­scher­ka­bi­ne und am Übersetzerschreibtisch entstehen. Ich arbeite in den Bereichen Politik, Kultur, Wirt­schaft und Soziales. Meine Arbeitssprachen sind Deutsch, Französisch (Ausgangs- und Ziel­spra­che) und Englisch (nur Aus­gangs­spra­che). 

    Altbau in Mitte
    Die Fronten bitte in hochglänzender Aubergine, das Wort ist auf Französisch und Deutsch gleich. Spritzschutz, auf Fran­zö­sisch für deutsche Ohren leicht ir­re­füh­rend la crédence, und die Ar­beits­flä­chen werden aus Marmor sein. Der Kochherd, der vornehm mit la cui­si­nière ge­nau­so heißt wie die Köchin, natürlich als Gasherd, sechs Flammen, ein Pro­fi­ge­rät.
    Angesichts der Küche nimmt sich der Rest der Wohnung mit ihren 80 Qua­drat­me­tern recht bescheiden aus. Aber es ist ja nur die Drittwohnung. Wie oft ist die Familie derzeit in Berlin? Ich lau­sche, rechne, frage nach. Vier bis acht Wochen, lautet die Antwort. Im Jahr.

    Ich möchte wissen, was mit der Wohnung in den restlichen Monaten passiert. Als Antwort werde ich gefragt, ob ich einen empfehlenswerten Objektschutz kennen würde. Da muss ich leider passen.

     Der Bevollmächtigte ist im Innenverhältnis insofern beschränkt, dass ohne Zustimmung des Erwerbers eine mögliche Änderung der wirtschaftlichen Betrachtung Inhalt und Umfang seines Sondereigentums oder derjenigen Teile des Gemeinschaftseigentums, die ihm zur alleinigen Nutzung zugewiesen sind, nicht beeinträchtigt und Verkehrs- und Gemeinschaftsflächen, sofern sie für die Nutzung durch den Erwerber von Interesse, nicht verlegt oder wesentlich verkleinert oder verlegt werden dürfen, wobei die Vertragsparteien darin übereinstimmen, dass ...
    Bandwurmsatz (Kaufvertrag)
    Das junge Paar, sie sind Schweizer, stammt aus vermögenden Fa­mi­lien, er ist Ban­ker, sie Anwältin. "Oder sollten wir nicht vielleicht doch lieber die Wand zwischen Tür und Kinderzimmer durchbrechen und das Wohnzimmer nach vorne raus haben? Wir könnten ja auch vom Schlafzimmer aus auf die Terrasse. Wenn wir nur mehr Zeit gehabt hätten für die Suche!"

    Die Farbwahl ist manchmal kompliziert
    Die Familie gehört zu jenen Menschen, die nicht wissen, wohin mit ihrem Geld und die derzeit die Wohnungspreise in Berlin in die Höhe treiben. Sie zahlt 7000 Euro je Qua­drat­me­ter in Toplage, edel­sa­nier­ter Altbau. Und sie gehört zu jenen, die meines Erachtens nur mit empfindlichen Zweit­woh­nungs­steu­ern zur Raison gebracht werden könnten. Oder was gäbe es noch für Möglichkeiten? Wohnungskauf nur dort, wo man lebt und Steuern zahlt?

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    Illustrationen: C.E. (verändert) plus Netzfund