In der Bäckerei unten im Nachbarhaus, die ich manchmal in meinem Arbeitszimmer leise höre, kann auch Kaffee getrunken und Kuchen gegessen werden. Hier steht in der Nähe des Tresens dieses Schild:
Gesehen in Neukölln |
Zwei Franzosen sind auch dabei, was eine gute Gelegenheit ist für ein: Merci beaucoup pour les croissants ! Kurz: der Laden symbolisiert den sich rapide ändernden Stadtteil. Hier wird immer öfter Englisch und DAF gesprochen, Deutsch als Fremdsprache.
Das Schild, das zur Rückgabe gebrauchten Geschirrs anregen soll, steht erst seit kurzem da. Es stört mein Sprachempfinden. Erstens ist es zu direkt. Muttersprachler hätten wohl eher "Geschirrrückgabe" geschrieben, ein komisches Wort mit drei R. Zweitens will das Adjektiv nicht passen. Hätte mich "schmutziges Geschirr" genauso gestört?
Bei "dreckig" denke ich an dreckige Witze, das "dreckige Dutzend" (the dirty dozen), die zwölf häufigsten Giftstoffe in Pflanzen"schutz"mitteln und Industriechemikalien, die eigentlich verboten sind, aber in importierten Produkten immer wieder aufzufinden sind, die Menschheit leidet bis heute an derlei Immissionen. Außerdem fällt mir die "Dreckschleuder" ein, ein altes Auto mit hohen Emissionen [Edit: oder neue mit skandalösen Messschummeleien]. Und M. mit ihrer "dreckigen Lache". Wäsche und Geschirr sind nach meinem Sprachgefühl eher schmutzig, die Schmutzwäsche liegt auf dem Haufen und wandert gleich in die Maschine, der kleine Schmutzfink, der sie bis eben trug, in die Badewanne.
Ich mache den Häufigkeitstest bei Dr. Gargoyle, dem digitalen Wasserspeier. Und es ist keine Überraschung, dass die Kombination "dreckiges Geschirr" nur ungefähr 38.600 Fundstellen liefert, die Kombination "schmutziges Geschirr" dafür an die 86.700 Nachweise. Es überrascht mich trotzdem, dass es beim "dreckigen Geschirr" doch so viele sind.
The Bread Station in Neukölln |
Beim Bezahlen frage ich im Café nach. Und ja, das Schild hat keine Muttersprachlerin geschrieben. Und jemand wagt sich an einen kühnen Vergleich: Schmutz sei schnell abwaschbar, Dreck nicht. Dreck sei von grundsätzlicher Natur, als Beleg wurde eine "dreckige Phantasie" genannt.
Schmutz sei das Gegenteil von Sauberkeit, so jedenfalls Wikipedia; Dreck werde eher als ekelerregend, ökologisch fragwürdig oder abstoßend empfunden.
Im Schwabenland gibt es nochmal eine andere Definition, denn das kleine Wörtchen "Dreck" wird häufig als Synonym des Wörtchens "Erde" verwendet. Wer gärtnert, hat dort die Hände im Dreck. Die "Drecksau" wühlt sich durch Staub und Erde. Und wenn an einer schwäbischen Karre nach einem Regentag viel Dreck an den Kotflügeln hängt, sind diese schmutzig.
Kurz: Die Sprachverwendung hängt nicht nur vom eigenen Sauberkeitsempfinden ab oder vom Land, sondern von der Region.
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Foto: C.E.
4 Kommentare:
Kaffee- und Kuchenreste sind weder Dreck noch Schmutz, sondern immer noch appetitlich. Die Bäckerei wird doch nicht ihre eigenen Produkte herabwürdigen! Das Schild sollte heißen "Benutztes Geschirr".
Hm, Du erinnerst Dich an das, was ich von der Bäckerei auf den Tisch gebracht habe? Bei Eurem Kaffeeklatsch war es so, wie es unten in der Bäckerei ist: Reste sind sehr, sehr selten.
Es geht tatsächlich nur um benutztes Geschirr. Der Vorschlag gefällt mir gut.
Für mich als DE Muttersprachlerin aus dem Rheinland klingt "dreckiges Geschirr" völlig normal. Damit assoziiere ich nicht mehr und nicht weniger, als dass es benutzt wurde. "Geschirrrückgabe" ist mir viel zu lang für so ein Schild und klingt zu "fachsprachlich".
Oh, Danke, "Anonym", für diese Antwort.
Werde ich darüber nachdenken.
Ab jetzt ... Leider war der Kommentar von 2017 im Spam gelandet!
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