Am Wochenende: Kurztrip nach Hamburg, Buchpräsentation und Erinnerung an einen zu Jahresanfang Verstorbenen. Neu ist hier, dass sich mit dem Freundeskreis vor allem eine digitale Community trifft, von denen viele wirken, als kennten sie einander sehr gut, die oft miteinander plaudern oder arbeiten, und trotzdem stehen viele den anderen Samstagabend zum allerersten Mal persönlich gegenüber.
Schreibhinweise, vermutlich aus den 1990ern |
Die Betreffenden hatten bislang oft nur über den Kurznachrichtendienst einer Internetcommunity miteinander zu tun. Ja, es gibt Ausnahmen. (Es geht um facebook, warum nicht den Namen nennen.)
Der elektronische Kontakt in Realzeit ist so bedeutend und präsent, dass sich die Sinneskanäle verschieben: aus 'gelesen' wird oft 'gehört' in Wahrnehmung und Bericht.
"Das (...) ist typisch für ihn, sowas hat er oft gesagt", meint die andere über die Hauptperson des Abends. Die eine nickt.
Eine solche Verschiebung habe ich schon mal erlebt. Ich denke an den weltbesten Patensohn, der nach Ansicht des Films "Der neue Krieg der Knöpfe" (La nouvelle Guerre des boutons, Regie: C. Barratier) ganze Szenen mit verteilten Rollen nachgespielt hat, lange bevor wir das Buch gelesen haben. Wir waren vor fünf Jahren in der Pressevorführung und haben die untertitelte Version gesehen (hier unsere Filmkritik). Damals hatte der Mini, der damals in der 3. Klasse war, tagelang die Figur des Petit Gibus nachgespielt. Auf meine Frage hin, woher er denn die Dialoge kennen würde, kam prompt die Antwort: "Aber die hab ich doch gehört!"
Und dann fällt mir die Goethezeit ein mit ihren verbrieften Lieben oder Kafka und Milena, die sich wenigstens persönlich kannten und die mehrmals täglich Briefe geschrieben haben, der Postbote wurde damals zwei- bis dreimal am Tag vorstellig, Verzögerungen wurden immer wieder kommentiert. Oft blieb den Menschen früherer Jahrhunderten das verwehrt, was wir heute kühn "entvirtualsieren" nennen. Die Menschen wussten trotzdem viel vom fernen Gegenüber. So singulär, wie mir das Phänomen zunächst vorkam, ist es also gar nicht. Und offenbar ist es um die Schreibkultur heute doch nicht so schlecht bestellt, wie manche meinen.
Beim Verstorbenen handelt es sich den Journalisten Uwe Kopf, u.a. früherer Textchef von "Tempo", dessen Buch "Die elf Gehirne der Seidenspinnerraupe" gerade bei Hoffmann und Campe erschienen ist. Seine Verbotsliste für Autoren von Filmkritiken ist unvergessen und leider bis heute hochaktuell. (Punkt Nr. 5, autsch!)
"Eigentlich" werde ich künftig streichen. Blogs hatte Uwe Kopf nicht im Blick. Und die bloggende Spracharbeiterin, die von sich immer in der 3. Person Singular sprechen muss, "Die Dolmetscherin braucht eine Pause zum Batterienwechsel", darf in Ausnahmesituationen, und eine solche stellt so ein Arbeitstagebuch dar, in der 1. Person schreiben, erst recht dann, wenn es sich wie hier um Autiobiofiktion handelt, oder? So ein Blog ist auch keine Musikkritik.
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Illustration: U.K. (in ein zweites Fenster
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