Montag, 24. April 2017

Weichenstellung

Hallo aus Berlin! Sie sind bei einem Weblog aus der Welt der Sprachen gelandet. Hier schreibe ich über Dolmetschen und Übersetzen für Medien, Politik, Wirt­schaft, Kunst, Gesellschaft und Soziales. Ich arbeite in Berlin, Paris, München und dort, wo ich gebraucht werde. Meine Arbeitssprachen sind Französisch (2. Spra­che) und Englisch (Ausgangssprache).

Rad im Sprung mit Tricolore
Der Sprung ins Ungewisse
Der nächste französische Prä­si­dent heißt Emmanuel Ma­cron. Dieses Mal werde ich rich­tig lie­gen (anders als ges­tern). Auf die Fran­zo­sen ist im Zwei­fel Verlass.
Macron wirkt manch­mal et­was bleich um die Nase und kurz­atmig, was Ar­gu­men­te angeht. Ein politischer Vi­sio­när ist er nicht, vor allem ver­­fügt er über wenig po­li­ti­sche Erfahrung.

Aus dieser Schwäche hatte er im Vorfeld der Wahl eine Stärke machen wollen: Er lud Wähler ein, über die Inhalte zu diskutieren, diese besprachen die Lage, ana­ly­sier­ten und gaben Empfehlungen ab. Manche dieser Vorschläge schafften es bis ins Wahlprogramm. Ich war bei drei solcher Sitzungen dabei und fand nicht einen Aspekt im Wahlprogramm wieder.

Einen derart jungen Präsidenten hatte Frankreich (wenn ich das richtig überblicke) noch nicht. Er ist unter 40 und fungiert als gewählter Monarch als eine Art "Lan­des­va­ter", der über allem thront und der hoffentlich als erstes an diesem Thron rüt­teln wird. Er versprach eine transparente Politik und Reformen. Das Prä­si­dial­sys­tem mit dem am Ende binären Wahlmodell scheint angesichts dessen, was wir in den letzten Monaten erlebt haben, nicht mehr recht zu Frankreich zu passen. Die Zeichen stehen also gut für eine VI. Republik.

Kritiker befürchten indes, dass er sich als genauso diskret erweisen wird wie der derzeitige "Mieter des Elysée-Palasts" (le locataire de l'Elysée). Sollten sich die­se Befürchtungen bewahrheiten, wird es in fünf Jahren eng. Wer die her­kömm­li­chen politischen Strukturen weiter schwächt, liefert Wasser auf die Mühlen von Marine Le Pen. Darüber und über die Selbstschwächung der Parteien mit dem S davor hat Di­dier Eri­bon letzte Woche in der Süddeutschen Zeitung geschrieben.

Der Schicksalswahlen erster Teil also, auch wegen dieses Aspekts: Keiner der Kan­di­da­ten der etablierten Parteien, der Konservativen und der Sozialisten, kam in die Endrunde. Beide Ver­tre­ter wirkten eher far­blos, der Kon­ser­va­ti­ve hat sich zu­dem selbst durch wahr­schein­lich un­recht­mä­ßi­ge Bezüge von Familienmitgliedern (zu­sam­men­ge­rech­net ca. eine Mio. Euro) selbst geschwächt. Die Wahl war vor al­lem eine Abwahl des bestehenden Parteiensystems. Alles andere ist noch offen.

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Foto: C.E.

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