Mittwoch, 12. April 2017

Schangsen

Hallo! Hier lesen Sie regelmäßig Neues aus der Dolmetscherkabine, vom Über­set­zer­schreib­tisch und aus der Welt der Idiome ... völlig subjektiv gefiltert von mir, einer Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache.

Wandcollage mit Köpfen und Wohnhäusern
Gesehen in Berlin
Neulich bin ich auf eine Dis­kus­sions­ver­an­stal­tung gegangen, auf der es um die 3. Generation der in der DDR Geborenen ging. Interessant war, dass ich etlichen Leu­ten die Herkunft sofort "abgehört" ha­be. Es gibt Redewendungen, die typisch sind und die es noch heute gibt.
Als Ost-West-Kind habe ich einst fe­rien­hal­ber die DDR gut studieren können. Daher hat es mir geradezu in die Ohren ge­klin­gelt.

Hier einige Begriffe:
  • nach vorne diskutieren [von "nach vorne verteidigen", milit.]
  • operatives Entscheiden [mitten im Vorgang entscheiden, milit.]

  • "Schangsen" (Chancen) und andere bizarr ausgesprochene französische Wör­ter
  • die Intelligenz [meint eine soziale Schicht]
  • Praxen [anstelle von "Praktiken"]
  • in Größenordnung [ohne Artikel und weitere Ergänzung]
    Verwendungsbeispiele: "Region Grimma / Gewerbegebiete: Droht Rückzahlung von Fördergeld in Größenordnung?" (Ost) versus "Die Renovierungskosten in der Größenordnung von mehreren Millionen Euro trägt der Staat." "Die Bearbeitung eines Auftrags dieser Größenordnung dauert etwas länger." (West)

    Von meiner Großmutter weiß ich, dass der Begriff "Fakt" in der Nazizeit als Vokabel der Kommunisten galt, den es in öffentlicher Rede zu vermeiden galt. Fakt ist, dass es heute ein TV-Nachrichtenmagazin aus Leipzig gibt, das so heißt.

    Manche einst Staatsnahe (der DDR) erkenne ich bis heute an der Prosodie. Was es genau ist, kann ich nicht erklären. Mich schüttelt es auch kurz und ich renne zum Radio. Ausknopf.

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    Foto:
    C.E.
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