Freitag, 5. Juni 2015

Eier, Wolle, Milch und ... Titten

Herzlich will­kom­men. Hier bloggt ei­ne Über­setz­er­in und Dol­met­sche­rin für die fran­zö­si­sche Spra­che. Meine Kunden kommen aus den Bereichen Politik, Wirt­schaft, Soziales und Kultur. Freitags sind wir hier unter uns, da darf ich etwas garstig sein. Und schlüpfrig wird es obendrein.

Schaufensterpuppe mit Eiffelturm auf dem Kopf
Pariser Chic
Über den Ticker eines meiner Verbände und Zusammenschlüsse lief neulich fol­gen­des Gesuch:
Liebe Kollegen,
für einen Arte-Dreh in Paris am So­und­so­viel­ten suchen wir zur Un­ter­stüt­zung unseres Drehteams noch einen Ka­me­ra­as­sis­ten­ten/Ton­mensch mit eigenem Auto und der Fähigkeit, französische Antworten sinngemäß ins Deutsche zu dol­met­schen.
Wer kann mit Empfehlungen helfen?
Ich habe herzlich gelacht und |spontan| im Affekt geantwortet:

"Lieber Kollege,
warum soll der Tonmensch nicht auch noch das Catering liefern und abends einen kleinen Striptease hinlegen? Paris, Stadt der Liebe, wir Franzosen sind doch da Profis!? Das Ganze natürlich zum Honorar eines Produktionsfahrers, bien sûr ! 

Nee, Scherz beiseite, das geht so nicht zusammen. Auf guten Ton zu achten ist viel Arbeit, nachsteuern, die Kamerabewegungen im Blick haben beim Angeln usw., das weiß ich von meinen wenigen Einsätzen als improvisierte Tonfrau (nach Aus­bil­dung als Hörfunkjournalistin).

Da ich im Zweitberuf Dolmetschen studiert habe, weiß ich aus Theorie und sehr viel Praxis, dass für sinngemäßes, gutes Übertragen nicht nur sehr viel geistige Präsenz und sprachliches Können notwendig sind, sondern auch die entsprechende Fähigkeit des Zusammenfassens, am besten unterstützt durch Mitschreiben der zentralen Stichpunkte.

OK, ist ja eine kleine Sache, Eurem Eierlegendenwollmilchtier auch noch einen weiteren Arm anzuhexen, oder? Sorry für meinen Sarkasmus, aber das geht auf eine solche Anfrage leider nicht anders. Finanzdruck durch die Sender nach unten weiterzugeben sollte Grenzen haben, sonst können wir jeden Anspruch, wahr­haf­ti­ge, wichtige und gute Programme für TV und Kino zu machen, gleich aufgeben.

P.S.: Nach dem Dolmetschen bin ich immer so groggy, dass ich mich nie-nie-nie ans Lenkrad eines Autos setzen würde, denn damit würde ich Menschenleben in Gefahr bringen. Dolmetschen erfordert eine zweihundertprozentige geistige Präsenz. Danach zwingt einen der Zentralrechner immer wieder in den Sekundenschlaf."

Nach Absenden meiner Antwort flatterten mir viele schöne Ermunterungen in den Briefkasten. Die schönste war die hier: "Was in Paris noch schwieriger sein soll ist, einen Parkplatz zu finden, weshalb Hamburger Filmteams (...) schon mal einen Fahrer EXTRA mitnehmen, der dann spazieren fährt während des Drehs." Stimmt!

Warum das böse T-Wort in der Überschrift in kleinen Buchstaben erscheint, lässt sich nur mit der uns selbstverständlich gewordenen Diplomatie erklären. Dolmetscher sind eher Leisetreter. Über Dolmetschen und Direktheit steht hier mehr.

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Foto: C.E.

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