Willkommen beim ersten deutschen Weblog aus dem Inneren der
Dolmetscherkabine. Wie Dolmetscher arbeiten, können Sie hier
lesen. Ich arbeite mit den Sprachen Französisch und Englisch. Wenn ich
nicht auf Konferenzen zugange bin, laufe ich durch Werkhallen, über
Baustellen oder halte mich in den Hinterzimmern der Politik oder im
Kino auf. Vier bis fünf Tage in der Woche liebe ich es, Drehbücher zu übersetzen.
Drehbücher zu übersetzen ist wie Jonglieren mit drei Bällen, eine Grundübung in Flexilibilität. Ich berühre immer gerade einen Ball, habe die anderen beiden in der Luft und im Blick.
Denn ich darf mich wie eine Dichterin fühlen bei den Szenenbeschreibungen, das sind oft poetische Momente, bin ganz die pragmatische Texterin bei Regieanweisungen und die toughe Sloganschreiberin oder routinierte Hörfunkautorin bei den
Dialogen. Dann kommt im Flug schon wieder der
Wechsel. Die Bälle sind rot, blau und gelb, könnten unterschiedlicher kaum sein, und doch ähneln sie einander in Form und haptischen Eigenschaften.
Drehbücher
übersetze ich in den kostbarsten Stunden des Tages: morgens nach dem
Aufstehen. Dem Drehbuch gehört mein Vormittag. Ich liebe es, mich nach einem kurzen
Check der Mails zurückzuziehen und ins kreative Schreiben zu
versinken.
Eine Aufgabe, die oft harte Arbeit ist. Denn die drei "Farben" stehen nicht losgelöst voneinander im Text, sie fügen sich harmonisch ineinander und erzielen Effekte, ganz so, wie das Kreisen oder Hüpfen der Bälle des Jongleurs zur jeweils gesuchten ästhetischen Form wird.
Nach
vier bis fünf Stunden ist meine Kreativität erschöpft. Nach der
Mittagspause lese ich Korrektur, zum Teil auch die Texte von
Kolleginnen, mit denen ich Gegenlesezeit tausche, dann bereite ich
andere Einsätze vor, lese, lerne, höre, schreibe.
Ach,
und dann sind da ja auch noch meine Bücher! Je nach
Drehbuchstoff bilde ich mich begleitend weiter. Ich studiere kritisch diverse Quellen oder muss mir etwas einfallen lassen: Das geht von Texten
über Sprache und Leben in der Frühromantik bis zum Besuch einer
illegalen Pokergemeinschaft, um mir den Slang abzuhören.
Die
Preise von Drehbuchübersetzungen können stark schwanken, das geht mit
700 Euro los für einen kurzen Kinderfilm, sehr oft liegen wir in den
Bereichen 1500 bis 3000 Euro, bei überlangen Werken mit Recherchebedarf
und viel Begleitmaterial sowie Finanzierungsplänen kamen aber auch schon mal 5000 Euro zusammen, das waren dann auch fast zwei Monate Arbeit.
Die Idee mit dem Jonglieren liegt bei uns Sprachmittlern nahe. Wir "jonglieren" ja sonst in der Kabine mit Worten, während ich beim Drehbuchübersetzen mit Stilen und Sprachniveaus jongliere, meine "Helden" müssen in beiden Sprachen individuell klingen, denn noch ohne Bild macht nur die Sprache die Personen für die lesenden "Zuschauer" zu Persönlichkeiten.
Dolmetschkollege Max Haverkamp, ein Absolvent des Studiengangs Dolmetschen am Fachbereich angewandte Linguistik der ZHAW in Winterthur, Schweiz, hat die andere Variante der Sprachakrobatik vor einigen Jahren hier veranschaulicht:
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Foto: C.E.
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