Mittwoch, 5. März 2014

Drei Mal nichts oder: Untertitellektorat

Willkommen auf meinem Blog. Die Welt der Französischdolmetscher und -über­setzer beschreibe ich hier. Heute: Untertitel, der erste Teil einer zweiteiligen Miniserie.

Beispielseite des Korrektorats
N­eue Titel: der französischsprachige Teil noch ohne Timecodes
Neulich habe ich fünf Stun­den dafür aufgewandt, um aus ei­ner fertigen, längst be­zahl­ten Un­tertitelung die "…" rauszunehmen, die nach ei­ner komischen Lo­gik wie­der­holt an einem Zeilenende auf­tauch­ten, um dann auch den nächsten Un­ter­ti­tel ein­­zu­leiten. Der Ge­dan­ke da­hin­ter war klar, die Pünkt­chen sollten Sätze ver­bin­den, die auf mehrere Ti­tel auf­ge­teilt waren. Im Film gab es viele unterbrochene Sätze.

Nur standen da einmal Pünktchen, ein andermal keine; eine Logik dahinter war auf den ersten Blick nicht erkennbar. Die Pünktchen waren wohl immer dann an Ende und Anfang der Zeilen geraten, wenn die Wortsuchphasen der Interviewten ein we­nig zu lange ge­dauert hatten. Ich mutmaße hier. Und ja, die Untertitelung war durch­aus von mir. Ich habe sie spät abends geschrieben, im letzten Quartal 2013, das recht stressig war, und ich hatte eine anderssprachige Un­ter­ti­tel­vor­lage vor­lie­gen, die mich stellenweise dazu verleitet hat, nur auf die Übersetzung zu achten und nicht auch auf die In­ter­punk­tion. Wie schön, dass ich noch mal randarf …

Der letzte Satz funktioniert auch ohne dieses Satzende-in-die-Luft-Hängen, das ich bei eigenen Texten eine Zeitlang geliebt habe. Es ist etwas manieriert, klingt un­ent­schlossen oder so, als käme noch was nach. Außer in Drehbüchern, da fallen sich die Figuren oft ins Wort, da sind die Pünktchen wichtig (und eindeutig). In anderen Tex­ten kürzen sie Zitate ab oder verschweigen Wortteile von gros mots, auf Deutsch "Kraft­aus­drücke". Außerdem ist nicht zu vergessen, dass damit auch (…) Auslassungen mar­kiert werden.

Per Word und mit einem PC werden die Punkte per Tastenkombination so ein­ge­ge­ben: [Strg]+[Alt]+[.]. Dieser Griff erzeugt die Auslassungspunkte an einem Stück. Denn es handelt sich hierbei nicht um die Folge dreier Punkte, sondern um ein ei­genes Sonderzeichen. Das lässt sich spätestens beim Löschen bemerken. (Wenn die … allerdings von Hand gesetzt worden sind, also durch dreimaliges Drücken auf die [.]-Taste, dann geht das nicht so flink.) Für Apfelrechnernutzer ist es etwas kom­pli­zier­ter, die Punkte finden sich unter Sonderzeichen. Bei Drehbuch­über­setz­un­gen über­schrei­be ich ja die Vorlage, also erspart mir Recycling einige Klicks.

Was war noch an der Untertitelung zu korrigieren? Meine Übersetzung habe ich nicht selbst in die Untertitelungs­soft­ware eingegeben, sondern leider im Trocken­schwimm­modus erstellt. Diese Zeilen wurden von einer Person den Filmdaten hin­zu­gefügt, die kein Deutsch kann. (Da es schon anderssprachige Untertitel gab, war das Ti­ming für den Anfang der Titel meistens eindeutig.) Also durfte ich viele Um­lau­te (wieder) reinbauen, mit der die französische Fassung der Schnitt­soft­ware "Avid" of­fenbar nichts anfangen konnte. Außerdem waren Rhythmusprobleme zu klären.  Zwischendurch hat noch eine Deutschsprachige am Zuschnitt der Titel gearbeitet, leider aber dabei Tippfehler eingebaut.
 
Ich fürchte, die Korrekturschleife wäre nicht ganz so ausführlich ausgefallen, wenn mir der Urheber den Film z.B. in niedriger Auflösung anvertraut hätte. Dann hätte ich die Übersetzung direkt in eine Untertitelungssoftware reingeschrieben, die Da­ten (auch für das Timing, also Ein- und Ausblendungen der Titel) wären dann ins Schnitt­­pro­­gramm eingespielt worden.

So ist dieses verd… Misstrauen gegenüber Dritten hier leider Ursache für Mehr­ar­beit. Den Re­gis­seur kenne ich eigentlich ganz gut, das Misstrauen wird in der Bran­che al­ler­dings schon kaum noch infrage gestellt und scheint in Zeiten, in der re­gel­mä­ßig Raubkopierer die Kreativen um ihre Ein­nah­men betrügen, Teil der DNA der Men­schen geworden zu sein. Und da Filmdaten nur über Datentransferseiten aus­ge­tauscht werden können und es überall im Netz Undichtigkeiten gibt …

Meinen Job habe ich übrigens für trois fois rien gemacht, "drei mal nichts", na klar, für die kleinen Punkte eben. Trois fois rien ist umgangssprachlich und bedeutet ei­gentlich "für so gut wie nichts", hier lektorierte ich "für lau". Manche Projekte sind wichtig und haben trotzdem kein Geld. Die erlaube ich mir, ein wenig zu för­dern. Meine Vollzahlerkunden erlauben mir diese Freiheit. Danke!

Morgen folgen noch einige grundlegende Gedanken zu Untertiteln.

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Illustration: aus dem Text
*L bedeutet lisibilité (Lesbarkeit) oder Layout

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