In diesen 14 Jahren, also seit die Berlinale am Potsdamer Platz stattfindet, hat sich viel geändert. 2000 war das letzte Jahr von Moritz De Hadeln, dann hat Dieter Kosslick als Leiter der Berlinale angefangen. Die Berlinale hat ihren Schwerpunkt Kinder- und Jugendfilm verstärkt, die Reihe "Kulinarisches Kino" begründet und gefühlt jedes Jahr einen neuen Spielort hinzubekommen. Dieses Jahr kehrt der Zoo Palast als Spielstätte zurück. Das Studio Babelsberg hat noch nie so viele Filme im Wettbewerb gehabt wie 2014.
2011 war Deutsch noch die erste Sprache |
(Das mit dem Gesicht ist kein Kokettieren, sondern wörtlich zu nehmen. Oft kam ich mit völlig unbekannten Berlinern bis in den Sommer über Filmthemen ins Gespräch. Oder es gibt so kuriose Momente wie den da: Ich helfe außerhalb des Festivals beim Kinoeinlass im Arsenal aus, denn einer der Mitarbeiterinnen war plötzlich schlecht geworden, da schaut ein Gast irritiert aufs Ticket, als er mich sieht: "Wie, das ist doch jetzt aber kein französischer Film?")
Andere Sprachen sind ebenso von der Ausweitung des Englischen betroffen. Dieses Jahr fällt die Verdolmetschung von Wettbewerbsfilmen weg, hier wurde u.a. ins Französische und Spanische gearbeitet. Diese simultane Übertragung der im Film gesprochenen Sprache war ein besonderes Angebot für Gäste, die mit den englischen (oder, im Wettbewerb, deutschen) Untertiteln nicht zurande kamen. "Filme einsprechen" bedeutet einen hohen Aufwand, es ist teuer. Im Rahmen von Einsparungen lässt sich das verstehen. Auf die Reaktion des Publikums bin ich gespannt. (Oder, um mit Lorenz Meyer zu fragen: Ob die Audience das supportet?)
Im Ernst, ich kenne Mitarbeiter internationaler Filmvertriebe aus Paris, die nur Urlaubs- und Filmverkaufsenglisch sprechen.
Einschub: In der Mathematik bedeutet die "Probe" auf Richtigkeit, Teile einer Rechnung kurz umzudrehen. Ich drehe also um und überlege, wie es sich anfühlen würde, wenn in Cannes plötzlich alle Filmgespräche ausschließlich auf Englisch geführt werden würden. Die Sache ist schlicht unvorstellbar. Einschubende.
Dass die deutsche Sprache auf der Berlinale auf dem Rückzug ist, war schon lange zu beobachten. Mir tut es leid um einige altgediente Filmkritiker aus Ostdeutschland oder Osteuropa. Mit ihnen verschwindet Filmgedächtnis. Ich denke stellvertretend auch für andere an einen Polen, der in Leipzig studiert hat und dessen Englisch, naja. Her mit dem gnädigen Mantel des Schweigens! Der Gute musste jetzt mit Mitte 50 aufs Altenteil.
Leid tut es mir auch für die Redakteure von Katalogen kleinerer Festivals, sie haben oft viel von den detaillierten Fachgesprächen, die wir einst führten, übernommen. Filmgespräche, die im Extremfall von allen Beteiligten in einer Fremdsprache geführt werden, drohen eher oberflächlich zu bleiben, sind weniger spontan, klingen oft zu bemüht und geübt. Ergebnis: Nach dem Film bleiben weniger Menschen zum Gespräch im Saal, worauf das "Q&A" kürzer getaktet wird und weiter an Tiefe verliert. Ein wesentlicher Bestandteil von Festivals ist Chance zur Begegnung. Das gilt gerade für die Berlinale, das einzige Publikumsfestival unter den A-Festivals. Schade.
Was noch ins Deutsche verdolmetscht wird, sind manche (nicht alle) Interviews mit Stars. Normalerweise gibt es bei den Interviews "Zeitfenster" für die deutschsprachige und "Slots" für die englischsprachige Presse. Auch hier: Schrumpfung.
Verstärkt wird das Phänomen durch die abschreckende Wirkung unprofessioneller Arbeit. Im Sparwahn haben manche Institutionen in den letzten Jahren auch schon mal Nichtprofis dolmetschen lassen. Einer meiner langjährigen Dolmetschkunden aus dem Filmbereich war vor einigen Monaten in Berlin, als "Dolmetscher" wurde ihm von Leuten aus der Verwaltung ein solcher zugeschanzt. Das Desaster hörte ich dann, als ich später für eine Redaktion etliche nicht übersetzte Passagen aus dem "verdolmetschten" Interview rausschreiben und übertragen durfte. Da musste ich dann
Ergebnis: Dieser Tage wird für Interviews dieses Promis gar kein Dolmetscher für die deutsche Sprache mehr einbestellt. Ist das die Entscheidung des Stars, weil er Angst hat, eine Wiederholung zu erleben? Oder drängte etwa die PR-Agentur mit Blick aufs Budget? Ich werde es wohl nie erfahren. So hoffe ich mit dem mir angeborenen Optimismus, dass der Star schlicht und ergreifend in letzter Zeit viel Englischunterricht genommen hat.
Außerdem werde ich weiter fürs Radio arbeiten. Hier als Nachtrag ein von mir verdolmetschtes Interview, das etwas mehr als ein Jahr alt ist. In den ersten zwei Minuten moderiert Knut Elstermann den Film an und stellt auch die Fragen. Danke, Knut! [Sound nur auf Nachfrage zugänglich.]
Wichtig hier: durch lebendiges Sprechen die Hörer vom Umschalten abzuhalten |
Illustrationen: C.E. und soundcloud
3 Kommentare:
Huch? Zensur? Musste nu die Rechte erst wieder zurückkaufen?
Lass' mich raten ... so ein Dolmetscheinsatz wird mit 500 Euro vergütet, die Sendeminute kostet Dich aber 1000 Euro?
Gruß, AL
Deutsch ist leider total out. Und Englisch kann doch jeeeeeeder.
:-(
Gruß
Birgit
Gerne - für den Einblick.
Aber Du machst mir Spaß, Francisco! Ich witzele dauernd rum mit einer Schauspielerfreundin, dass sie immer auf Rollen warten muss, während ich viel öfter Einsätze habe.
Aber das Radiomikro, das könnt' ich mir vorstellen.
Dieses Jahr intensiviere ich erstmal EN, schreibe ein Buch und frische die Sprecherziehung auf. Dann schaumerma.
Auch lG,
Caro
Kommentar veröffentlichen