Willkommen auf meinen Blogseiten aus der Welt der Sprache. Meine Fachgebiete sind Wirtschaft, Politik, Soziales, Kultur und Film. Dieser Tage habe ich viel mit der Berlinale zu tun.
So warm wie diese war noch keine Berlinale. Den Mitbewohnern der seit Jahren bewährten Berlinale-WG geht die saubere, nicht allzu winterliche Wäsche aus.
Die Berlinale-WG ist ein wesentlicher Bestandteil meines Filmfestivals. Während ich sonst immer morgens den neuesten Festivalflurfunk beim Frühstück erfahren durfte, weil ich mich überwiegend in Dolmetschkabinen und der Festivalbühne rumtrieb, lerne ich dieses Jahr, in dem sich die Aufgaben verändert haben, an der alten Stelle immer Neues, weil ich tagsüber in Hotelsuiten dolmetsche oder kleinen Tagungsräumen, die Filme in der Küche im Streaming sehe oder im Arbeitszimmer Vertragswerke übertrage, als wäre derzeit am Potsdamer Platz nichts los.
Dort, im Hyatt, können die Produzenten morgen wie geplant ihren Vertrag in zwei Fassungen unterzeichnen; "meine" französischen Verleiher indes sind heute schon abgereist und haben mir für mein privates Sehinteresse eine kleine Liste mit guten Filmen verehrt. (Sie wurden übrigens fündig und haben 1,5 Streifen gekauft.)
Nun plane ich mein Filmesichtungswochenende im Kino, bei dem ich für die Arbeit möglichst viele französischsprachige Filme nachholen möchte. Denn jene, die ich sehen durfte, nährten in mir einen Verdacht: Gerade scheinen sich etliche Franzosen in Filmdingen selbst zu suchen; sie rekurieren oft auf film- und fotografiegeschichtliche Elemente.
Noch nie sind mir so viele Polaroidbilder, Schrifttafeln wie zu Stummfilmzeiten und filmhistorische Anspielungen aufgefallen, sogar Georges Méliès taucht in einem Werk auf. Ist diese Häufung Zufall? (Oder gilt das derzeit auch für die Cinematografien anderer Länder?)
Hier noch die Antwort auf eine Frage, die mir zugeschickt wurde. Wie das denn jetzt im Festivalpalast mit den Untertiteln gelöst werde, möchte eine Leserin wissen, wo ich doch vorgestern provokativ meinte, dass Deutsch und Französisch dort jetzt zu den Minderheitensprachen gezählt werden dürften: So wie auf dem Bild wird das gelöst. Es gibt zwei Zeilen Untertitel, eine davon auf Deutsch, auch die Pressekonferenzen werden noch in die deutsche Sprache verdolmetscht und in der Kinderfilmsektion ist sie auch noch nicht tot. Sonst aber. Schon Teenager müssen so gut Englisch können, dass sie mit den Originalfassungen klarkommen.
Als Konferenzdolmetscherin mit der C-Sprache (passive Sprache) Englisch kann ich sagen: Auch ich verstehe oft die entscheidenden 5 % nicht. Zwischen dem Englisch, das in armen Gegenden der USA gesprochen wird und dem, was in Neuseeland oder Irland zuhause ist, bestehen himmelweite Unterschiede. Es gab Filme auf der Berlinale, da wusste ich noch einigermaßen, worum es ging. Ein Journalist, der mal neben mir saß, kommentierte die Sache so: "Ich habe einfach nur die Bilder genossen". Und am Ausgang wollte ein anderes Mal eine Frau, die mich aus früheren Jahren noch kannte, mehr von mir wissen. Wir rätselten gemeinsam weiter. Sie unterrichtet übrigens an einem Gymnasium — sorry, den Gag kann ich uns jetzt nicht ersparen, es ist das Fach Englisch.
Die Doppeltitel gibt es leider nur für Wettbewerbsfilme. Diese "Simultanfassung" kenne ich seit Jahren aus Cannes. Das simultane Einsprechen ist in Südfrankreich schon vor Jahren eingestellt worden. Von französischsprachiger Seite habe ich dazu, dass auch in Berlin nicht mehr eingesprochen wird, viele kritische Stimmen gehört. Nehmen sich die Einkäufer, Dramaturgen, Filmtechniker, Journalisten und Co. am Ende auch die Zeit, ihre Meinung in geschriebener Form mitzuteilen, oder fürchten sie, derlei würde ohnehin nichts ändern? Viele, auch Deutsche, wünschten sich für die englischsprachigen Filme einfach englische Untertitel, die vielleicht auch den Slang ein wenig übertragen könnten.
Aber mit dem Wünschen fange ich jetzt lieber nicht an. Die Liste würde zu lang werden. Dass das Berlinalewetter gerne dauerhaft warm bleiben darf, gehört sicher dazu. Es war an warmen Tagen viel angenehmer als an kühlen Tagen in Cannes, obwohl dieses Festival bekanntlich im Mai stattfindet.
Nostalgie stellt sich unter den Verbliebenen in der Berlinale-WG ein, sogar schon für diese Woche: Das Festival ist so gut wie zuende, beim Filmmarkt werden die Stände abgebaut. Ansonsten hat in diesem Jahr unsere Berlinale-WG nicht nur die Filmabspielstätte "Küche" hinzugewonnen, sie ist jetzt auch Waschsalon und PR-Büro fürs Filmdolmetschen, denn morgen treffe ich zu dem Thema eine Journalistin. Jedes Jahr verändern sich die Aufgaben, und das ist schön!
______________________________
Foto: C.E.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen