Hallo! Hier bloggt eine Spracharbeiterin. Was Französischdolmetscher und -übersetzer umtreibt, wenn sie Schwerpunkte wie Film, Fernsehen und Medienwirtschaft haben, lesen sie hier. Daneben arbeite ich auch mit der englischen Sprache und in den Feldern Politik, Kultur und Soziales.
Ja, es gibt ein Leben jenseits der Berlinale: kleinere Festivals, Drehbücher und Finanzierungspläne, die übersetzt werden dürfen. Wir Fachdolmetscher sind immer froh, wenn wir in der Kabine Platz nehmen dürfen. Mitunter dürfen wir vor dem Einsatz noch die Kolleginnen 'briefen', die vielleicht etwas weniger als wir Filmdolmetscher mit der (heute kaum noch) flimmernden Bildkunst zu tun haben.
Beispiele. Le scénario original est de ... so beginnt ein typischer Pressekonferenzsatz, ein Satz, der seine Tücken hat. Denn leider ist es falsch, ihn so zu übersetzen: "Das originelle Drehbuch ist von ...", auch wenn der betreffende Film seine ungewöhnlichen Momente gehabt haben mag. Es handelt sich vielmehr um das Originaldrehbuch (und eben um keine Romanverfilmung).
Drei Sätze weiter ist vom script girl die Rede. Dumm, wenn aus la scripte dann "das Mädchen, das das Drehbuch geschrieben hat" wird, der Kontext vermag derlei einzuflüstern. (Vermeiden lässt sich das nur durch Vorbereitung und "Briefing".)
Das Script girl wurde auf DDR-Deutsch "Ateliersekretärin" genannt. Sie ist immer am Set, schreibt ins Buch, welche Dialogteile in welchen Einstellungen gedreht wurden, nimmt eventuelle Dialogänderungen auf, da nicht immer alles exakt so umgesetzt wird, wie es original im Drehbuch steht. Die überarbeitete Fassung ist wichtig für die Etappen der Endfertigung.
"Original" ist überhaupt ein schwieriges Wort. Der Originalschauplatz heißt auf Französisch décor naturel und nicht, wie Fachfremde vielleicht meinen mögen, das "natürliche Dekor". Diese Übelsetzung klingt sehr nach "Franzosentheorie", nach 1:1-Übertragung, deren Opfer in den 1990-er Jahren die französische Soziologie in Deutschland geworden ist. Prägnantes Beispiel hierfür: La trajectoire de l'artiste, der individuelle Weg des Künstlers, der damals auf Deutsch regelmäßig mit "die Flugbahn des Künstlers" wiedergegeben wurde (und den heute viele in bestem Beamtendeutsch als "Laufbahn" des Künstlers übertragen).
Oder das von mir hier schon einmal vorgestellte "verweigerte Happy-End" für eine nicht erfolgte Risikoversicherung, completion bond oder "Fertigstellungsgarantie" auf Deutsch. Hintergrund dieses (wundervollen) Lapsus: Die Franzosen nennen derlei eine clause de bonne fin.
Das sind alles Originalbeispiele und keine originellen Beispiele. Und péché originel heißt "Sündenfall" auf Französisch. Ja, für uns Profis fühlt es sich wie ein solcher an, wenn mancherorts Amateure oder Profis mit anderen Fachbereichen zu Filmterminen einbestellt werden. Schlussklappe!
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Foto: C.E. (Archiv)
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