Dienstag, 4. Februar 2014

Dolmetschchauffeur

Wir müssen übers Geld reden, habe ich gestern gefordert. Als Dolmetscherin und Übersetzerin beobachte ich mit wachsender Entgeisterung, wie diese Sprach­be­rufe immer mehr abgewertet werden. Leider sind auch berühmte Namen unter den Verantwortlichen.

Dolmetscherhände in Bewegung, Füller, Papier, neben einem ruhigen Kamerastativ
Letzte Woche kam (über Em­pfeh­lung!) die Anfrage rein, ob ich nicht bei einem Arte-Dreh Interviews konsekutiv ins Deut­sche verdol­met­schen könnte. Man bot mir das überragende Ho­no­rar von 250 € pro Tag an! (Vorsicht, Ironie.) Die Sache platzte aber nicht an meinem Versuch, den Satz hoch­zu­ver­han­deln, sondern an einer ba­na­len, brisanten Frage.

Die Produktionsleiterin meinte nämlich völlig nebenbei: "Kannst du deinen Wagen mitbringen? Du müsstest nämlich auch noch das Produktionsauto lenken."

Ich wundere mich ernsthaft, warum ich nicht gleich auch noch das ganze Team mas­sieren soll oder einen kurzen Umweg über die Besetzungscouch machen. Ich blieb ruhig und lieferte Argumente.

Beim Dolmetschen von TV-Interviews ist nicht nur der/die Dolmetscherin mit 180%-iger Aufmerksamkeit gefordert, ein Sprachmittler (und natürlich auch eine Sprachmittlerin) muss auch auf Vollständigkeit und Schneidbarkeit der Ant­wor­ten achten. Es darf am Ende kein "wie vorhin schon gesagt", "das leidige Thema", "ja, aber ..." in den filmrelevanten Antworten sein. Im Schnitt werden Aussagen ge­braucht, die sich in eine Argumentation einfügen lassen.

Das Thema aus dem Effeff zu kennen, redaktionell mitzudenken, Fragen richtig zu stellen, notfalls (als einziger, der die Interviewsprache beherrscht) dem ungeübten Interviewpartner zu helfen und ihm auch die Angst vor dem Gefilmtwerden zu neh­men, eine gute Stimmung zu verbreiten, verdammte Sch..., das geht nicht ohne Er­fah­rung. Und Fil­me für Arte Frankreich müssen am Ende ohne Schnittgefriemel, tausend Schnitt­bil­der und logische Sprünge auch auf Deutsch gesendet werden können.

Kurz: Mir wurde abgesagt. Der Chef entschuldigte sich zwar persönlich per Mail, die Strecken zwischen den Intervieworten würden die Autonutzung unabdingbar machen, aber verdammte Hacke, das ist doch nicht die Sorge (oder gar Aufgabe) des Dol­met­schers! Der im vorliegenden Fall auch noch Aufnahmeleiter ist, nicht nur das Vorgeplänkel beim Einrichten übertragen darf à la "Dürfen wir die Lampe um­stel­len?" Wenn ich als Muttersprachlerin die Kommunikation zum Interviewten und dem Umfeld herstelle und am Laufen halte, kostet das zusätzlich emotionale Auf­merk­sam­keit, die zu bilanzieren schwierig ist.

Hier ist übrigens nicht primär der Sender zu kritisieren, sondern die Pro­duk­tions­fir­ma, die im Auftrag des Kultursenders tätig wird. Vielleicht müsste der Sender hier einzelne Positionen besser dotieren. Vielleicht? Sehr wahrscheinlich sogar.

Pro­fes­sion­el­les Dolmetschen ist extrem ermüdend, das ist im Ergebnis mit Trun­ken­heit vergleichbar. Der dolmetschende Chauffeur oder der Fahrer, der nebenbei dol­metscht: Eine der beiden Aufgaben wird der- oder diejenige, der/die jetzt ge­knech­tet wurde, dieser Tage wohl vernachlässigen. Ich hoffe auf schwaches Dol­met­schen, denn ein über­mü­de­ter Fahrer gefährdet das Leben der Insassen, un­be­tei­lig­ter Dritter und sein eigenes.

Ein Brüller ist auch noch das Thema, das ich sinngemäß umformuliere, um die Nicht-Kunden zu schützen: "Knigge im Job hat uns der Freiherr in der glo­ba­li­sier­ten Arbeitswelt noch was zu sagen?"

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Foto: Friederike Elias

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