Wir müssen übers Geld reden, habe ich gestern gefordert. Als Dolmetscherin und Übersetzerin beobachte ich mit wachsender Entgeisterung, wie diese Sprachberufe immer mehr abgewertet werden. Leider sind auch berühmte Namen unter den Verantwortlichen.
Letzte Woche kam (über Empfehlung!) die Anfrage rein, ob ich nicht bei einem
Arte-Dreh Interviews konsekutiv ins Deutsche verdolmetschen könnte. Man bot mir das überragende Honorar von 250 € pro Tag an! (Vorsicht, Ironie.) Die Sache platzte aber nicht an meinem Versuch, den Satz hochzuverhandeln, sondern an einer banalen, brisanten Frage.
Die Produktionsleiterin meinte nämlich völlig nebenbei: "Kannst du deinen Wagen mitbringen? Du müsstest nämlich auch
noch das Produktionsauto lenken."
Ich wundere mich
ernsthaft, warum ich nicht gleich auch noch das ganze Team massieren
soll oder einen kurzen Umweg über die Besetzungscouch machen. Ich blieb ruhig und lieferte Argumente.
Beim Dolmetschen von TV-Interviews ist nicht nur der/die Dolmetscherin mit
180%-iger Aufmerksamkeit gefordert, ein Sprachmittler (und natürlich
auch eine Sprachmittlerin) muss auch auf Vollständigkeit und
Schneidbarkeit der Antworten achten. Es darf am Ende kein "wie vorhin schon
gesagt", "das leidige Thema", "ja, aber ..." in den filmrelevanten Antworten sein. Im Schnitt werden Aussagen gebraucht,
die sich in eine Argumentation einfügen lassen.
Das
Thema aus dem Effeff zu kennen, redaktionell mitzudenken, Fragen richtig zu stellen, notfalls (als einziger, der die
Interviewsprache beherrscht) dem ungeübten Interviewpartner zu helfen und ihm auch die Angst vor dem Gefilmtwerden zu nehmen, eine gute Stimmung zu verbreiten, verdammte Sch..., das geht nicht ohne
Erfahrung. Und Filme für Arte Frankreich müssen am Ende ohne
Schnittgefriemel, tausend Schnittbilder und logische Sprünge auch auf
Deutsch gesendet werden können.
Kurz: Mir wurde
abgesagt. Der Chef entschuldigte sich zwar persönlich per Mail, die
Strecken zwischen den Intervieworten würden die Autonutzung
unabdingbar machen, aber verdammte Hacke, das ist doch nicht die Sorge (oder
gar Aufgabe) des Dolmetschers! Der im vorliegenden Fall auch noch
Aufnahmeleiter ist, nicht nur das Vorgeplänkel beim Einrichten
übertragen darf à la "Dürfen wir die Lampe umstellen?" Wenn ich als
Muttersprachlerin die Kommunikation zum
Interviewten und dem Umfeld herstelle und am Laufen halte, kostet das
zusätzlich emotionale Aufmerksamkeit, die zu bilanzieren schwierig ist.
Hier ist übrigens nicht primär der Sender zu kritisieren, sondern die Produktionsfirma, die im Auftrag des Kultursenders tätig wird. Vielleicht müsste der Sender hier einzelne Positionen besser dotieren. Vielleicht? Sehr wahrscheinlich sogar.
Professionelles Dolmetschen ist extrem ermüdend, das ist im Ergebnis mit
Trunkenheit vergleichbar. Der dolmetschende Chauffeur oder der Fahrer, der nebenbei dolmetscht: Eine der beiden Aufgaben wird der- oder diejenige, der/die jetzt geknechtet wurde, dieser Tage wohl vernachlässigen. Ich hoffe auf schwaches Dolmetschen, denn ein übermüdeter Fahrer gefährdet das Leben
der Insassen, unbeteiligter Dritter und sein eigenes.
Ein Brüller ist auch noch das Thema, das ich sinngemäß umformuliere, um die Nicht-Kunden zu schützen: "Knigge im Job — hat uns der Freiherr in der globalisierten Arbeitswelt noch was zu sagen?"
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Foto: Friederike Elias
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