Freitag, 13. September 2013

Zahlen, bitte!

Was Dol­met­scher und Über­setzer ma­chen, ist der brei­ten Öf­fent­lich­keit oft nicht ge­nau be­kannt. Hier schrei­be ich da­rü­ber. Heute geht's ums Geld!

"Geht's nicht auch billiger?" Diesen Satz höre ich regelmäßig, wenn ich über Preise spreche. Oft haben Kunden Mühen zu verstehen, dass ein ein- oder zweistündiger Einsatz vom Aufwand her oft einem ganzen Arbeitstag entspricht. Heute möchte ich nachrechnen, was Einsätze wie der von gestern an Zeit kosten.

Am Anfang habe ich mich mit den Kunden ca. 25 Mi­nu­ten telefonisch beraten, ggf. auch im Hin­blick auf Kon­fe­renz­tech­nik, Dokumente he­run­ter­ge­la­den, kurz: den Auftrag organisiert (z.B. wegorganisiert, was sonst an­gestanden hätte.)

Es folgten 180 Minuten konzentriertes Ar­beiten, Alt­be­kanntes durchsehen (Lernmethode), neue Vorlagen stu­die­ren, Vokabeln exzerpieren, dann auf Inhalt lesen.

Vor dem Einschlafen schaue ich mir alles noch­mal
20 Minuten in Ruhe an. Wenn es einen Nürnberger Trichter gibt, dann den. 

Am nächsten Morgen arbeite ich noch 75 Minuten an der Lexik weiter: Vokabeln nachschlagen, die Wör­ter alphabetisch sortieren, sie ausdrucken und alles, was noch nicht so "sitzt", anstreichen.

Fahrtzeit: 90 Minuten für diesen Einsatz. Das ist die reine Wegezeit plus ein Sicherheitspuffer wegen der oft chaotischen Berliner Ver­kehrs­ver­hält­nis­se. Außerdem bin ich immer gerne früher vor Ort, da­mit kein Stress aufkommt. Stammt der Einsatz aus einem meiner Fach­gebiete, höre ich bis kurz vor Arbeitsbeginn noch MP3s zum Thema oder aber ich gehe Vorlagen durch.

Der Kunde sieht nur dies: 120 Minuten Mit­tag­es­sen (mit kurzen Pausen fürs Dol­met­scher­hirn) oder 15 Minuten Radiointerview oder 75 Minuten Pressekonferenz.

Und dann liest er meine Zahl in der Nach­kal­ku­la­tion, bei der ich auf 8,5 Stunden kom­me. Allerdings ohne: siehe P.S.!

Es ist wie bei dem berühmten Eisberg. Der Dolmetscheinsatz ist die Spitze, die aus dem Eismeer herausragt.
Tagessätze wie 765 Euro zzgl. Spesen, damit fange ich Verhandlungen immer an, sind so leicht er­klär­bar. Wobei der Satz Ver­hand­lungs­grund­la­ge ist.

Lange Tage mit vielen Pausen als einzelne Begleitdolmetscherin in der Politik sind teuer. Bei einem Low budget-Dokumentarfilm, dessen Thema mir am Herzen liegt, kann es sein, dass ich noch Technik beisteuere und maximal eine Auf­wands­ent­schä­di­gung berechne. In beiden Fällen gilt: Am Tag danach werde ich sehr wahr­schein­lich nicht arbeiten, es sei denn, es handelt sich um einen mehrtägigen Einsatz.


P.S./Ergänzung, angeregt durch eine Leserin. Wer sich auf bestehende Vo­ka­bel­listen stützen möchte, bereitet jeden Einsatz nach, hier saß ich eine knappe Stun­de dran. Die Podcastverwaltung kostet mich monatlich zwei Stunden, anteilig rech­ne ich 20 Minuten. Das Mittagessen im kleinen Kreis war die Fol­ge­ver­an­stal­tung zu einem Expertengespräch von zwei Stunden Dauer, das ich mir zur Vor­be­rei­tung angehört habe. Bei uns Freiberuflern kommt noch die Verwaltungsarbeit hin­zu, hier anteilig 15 Minuten. Eigentlich beträgt die Summe ca. 12 Stunden.
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Fotos/Collage: C.E. (Archivbilder)

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