Was Dolmetscher und Übersetzer machen, ist der breiten Öffentlichkeit oft nicht genau bekannt. Hier schreibe ich darüber. Heute geht's ums Geld!
"Geht's nicht auch billiger?" Diesen Satz höre ich regelmäßig, wenn ich über
Preise spreche. Oft haben Kunden Mühen zu verstehen, dass ein ein- oder
zweistündiger Einsatz vom Aufwand her oft einem ganzen Arbeitstag entspricht. Heute möchte ich nachrechnen, was Einsätze wie der von gestern an Zeit kosten.
Am Anfang habe ich mich mit den Kunden ca. 25 Minuten telefonisch beraten, ggf. auch im Hinblick auf Konferenztechnik, Dokumente heruntergeladen, kurz: den Auftrag organisiert (z.B. wegorganisiert, was sonst angestanden hätte.)
Es folgten 180 Minuten konzentriertes Arbeiten, Altbekanntes durchsehen (Lernmethode), neue Vorlagen studieren, Vokabeln exzerpieren, dann auf Inhalt lesen.
Vor dem Einschlafen schaue ich mir alles nochmal
20 Minuten in Ruhe an. Wenn es einen Nürnberger Trichter gibt, dann den.
Am nächsten Morgen arbeite ich noch 75 Minuten an der Lexik weiter: Vokabeln nachschlagen, die Wörter alphabetisch sortieren, sie ausdrucken und alles, was noch nicht so "sitzt", anstreichen.
Fahrtzeit: 90 Minuten für diesen Einsatz. Das ist die reine Wegezeit plus ein Sicherheitspuffer wegen der oft chaotischen Berliner Verkehrsverhältnisse. Außerdem bin ich immer gerne früher vor Ort, damit kein Stress aufkommt. Stammt der Einsatz aus einem meiner Fachgebiete, höre ich bis kurz vor Arbeitsbeginn noch MP3s zum Thema oder aber ich gehe Vorlagen durch.
Der Kunde sieht nur dies: 120 Minuten Mittagessen (mit kurzen Pausen fürs Dolmetscherhirn) oder 15 Minuten Radiointerview oder 75 Minuten Pressekonferenz.
Und dann liest er meine Zahl in der Nachkalkulation, bei der ich auf 8,5 Stunden komme. Allerdings ohne: siehe P.S.!
Es ist wie bei dem berühmten Eisberg. Der Dolmetscheinsatz ist die Spitze, die aus dem Eismeer herausragt.
Tagessätze wie 765 Euro zzgl. Spesen, damit fange ich Verhandlungen immer an, sind so leicht erklärbar. Wobei der Satz Verhandlungsgrundlage ist.
Lange Tage mit vielen Pausen als einzelne Begleitdolmetscherin in der Politik sind teuer. Bei einem Low budget-Dokumentarfilm, dessen Thema mir am Herzen liegt, kann es sein, dass ich noch Technik beisteuere und maximal eine Aufwandsentschädigung berechne. In beiden Fällen gilt: Am Tag danach werde ich sehr wahrscheinlich nicht arbeiten, es sei denn, es handelt sich um einen mehrtägigen Einsatz.
P.S./Ergänzung, angeregt durch eine Leserin. Wer sich auf bestehende Vokabellisten stützen möchte, bereitet jeden Einsatz nach, hier saß ich eine knappe Stunde dran. Die Podcastverwaltung kostet mich monatlich zwei Stunden, anteilig rechne ich 20 Minuten. Das Mittagessen im kleinen Kreis war die Folgeveranstaltung zu einem Expertengespräch von zwei Stunden Dauer, das ich mir zur Vorbereitung angehört habe. Bei uns Freiberuflern kommt noch die Verwaltungsarbeit hinzu, hier anteilig 15 Minuten. Eigentlich beträgt die Summe ca. 12 Stunden.
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Fotos/Collage: C.E. (Archivbilder)
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