"Liberté als Kaffee" (Otto-Heinrich Elias) |
Dolmetschen ist Teamarbeit. Arbeiten wir zu zweit in der Kabine (oder mit Flüsteranlage irgendwo im Raum), darf der/die andere allerdings in den stummen Minuten Eigennamen und Zahlen notieren oder auch mal ein Wort nachschlagen. Oder kennen Sie aus dem Effeff die passenden Übersetzungen zum Beispiel für "Ehegattensplitting"?
Wenn das Wort in einer Konferenz über die Archivierung von Filmerbe vorkommt, hat den Begriff wirklich keine(r) von uns auf der Vokabelliste. Und wenn auch keine(r) von uns jemals dolmetschend mit deutschen Steuerspezifika zu tun hatte, ist der Begriff nicht "einfach so" bekannt. In anderen Ländern ist Ehegattensplitting unbekannt. Dolmetschen ist kleinteilige Arbeit und setzt intensive Vorbereitung voraus. Soviel dazu, wie aus Pausen schnell hektische Momente werden können.
Hier bin ich dann doch wieder beim Bild meines Laufs. Ein langer Tag beim Kunden ist ein Marathon, wir müssen den Tag über in Form bleiben. Die aktiven Momente oder Stress bei mit Eigennamen, Zahlen oder Sprichwörtern gespickten Reden sind wie kurze Spurts. Jedes Runterschalten von einer Dynamik in die andere wirkt auf die neuronalen Aktivitäten wie eine Pause.
Unsere Dolmetscherhirne brauchen aber regelmäßig auch echte Pausen. Das Glühen der grauen Zellen bringt Erwärmung unter der Schädeldecke mit sich, das berichten unisono alle Kolleginnen und Kollegen. Damit aus dem Heißlaufen der Hirnmasse aber keine Hirnüberhitzung wird und unsereiner durchgehend und unangefochten weiß, wo vorne und wo hinten ist, sind Unterbrechungen nötig. Dann heißt es Kopf aufmachen, Luft rein, verbrauchte Luft raus, Schädelklappen wieder einfahren oder so ähnlich.
Manchmal sind Kunden ungnädig und wollen nicht verstehen, warum wir eine Ablösung brauchen, denn zwei Dolmetscher sind teurer als einer. "Können Sie nicht eine/zwei Stunden alleine dolmetschen?" Ja, theoretisch können wir das. Im privaten Kontext, wo wir Zeit haben und es nicht sofort auf jedes Detail ankommt, ist das Alltag. Hier aber herrscht ein anderer Druck, muss der Output anders sein. Und die Themen, die verhandelt werden, sind uns in der Regel nicht seit langem vertraut. Das Hin- und Herschaufeln fremder Konzepte und Begriffe kostet viel Hirnschmalz.
Große Hirnüberhitzung soll zu dauerhaften Veränderungen im Oberstübchen führen. Unsere Gesundheit und die künftige volle Arbeitsfähigkeit wird jeder Dolmetscher schützen. So wie jeder Läufer die seiner Beine. Der Körper darf sich nach dem Ende des Laufs erholen, und bald geht es wieder auf die Piste, damit der Trainingsstand erhalten bleibt. Dolmetschen ist Hochleistungssport.
Jedes Tief spüren wir körperlich. So brauchen wir nach aktiven Tagen Ruhe, um die zwischendurch einsetzenden Wortfindungsstörungen überwinden zu können. Dann geht schon wieder das Lernen für den nächsten Einsatz los, denn ohne Training kein Rennen.
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Foto: C.E.
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