Zu Einsätzen an unbekannten Orten brechen wir Dolmetscher früher auf als wenn wir das Ziel genau kennen, denn es gilt ja jeden unnötigen Stress vermeiden. Der Beruf bringt genug Adrenalinausschüttung mit sich.
POV der Dolmetscherin: Arbeiten ohne Kabine |
Halb neun, eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn verließ ich das Hotelzimmer.
Den Fahrstuhl hatte ich bis dahin schon ca. sieben Mal seit meiner Ankunft am Vorabend genutzt. Nie war mir an ihm etwas aufgefallen, naja, vielleicht hatte es am frühen Morgen etwas länger gedauert mit der Fahrt zum Frühstücksraum. Kein Wunder, war das Hotel doch gut belegt. Und jetzt? Immer wieder sahen wir einen Lichtkegel durch einen der Schlitze zwischen den Türen aufblitzen. Jetzt war schlicht und ergreifend Check-out-time — und eine Reisegruppe schien das Hotel zu verlassen.
Kurz: Die Wartezeit auf den Fahrstuhl war mit elf Minuten ungewöhnlich lang.
Unten schnell die Chipkarte abgegeben, war ja alles bezahlt und keine Minibarnutzung, dann 20 Sekunden Fußweg zum Kongresszentrum, der direkte, groß ausgeschilderte Zugang war der Seiteneingang. Am Vorabend hatte ich mich schon nach dem Weg erkundigt gehabt, dort sei ein Empfang, der werde sich kümmern, war die Auskunft gewesen. Aber ach, keine Menschenseele zu sehen, dafür ein Monitor wie auf dem Flughafen. Ein gefühltes Dutzend Veranstaltungen liefen hier parallel, auf der 2. Seite wurde auch "mein" Raum angezeigt: Nummer 25. Hinweisschilder indes Fehlanzeige, ich bog auf gut Glück nach links ab (rechts war nur ein dunkler Gang) und suchte.
Plötzlich stand ein junger Mann neben mir, ein bübischer Blondschopf, er trug die Fantasieuniform des Kongresszentrums. Kurzer Informationsaustausch, dann sein: "Ich bring' Sie kurz hin!" Wie freundlich. Die nächsten gefühlten sieben Minuten navigierte er mich zielstrebig durchs Labyrinth: Wir gingen an einem Restaurantbereich vorbei, dann kam ein Gang, dann eine Halle, Treppe, Foyer, Gang, hier sind wir: "Blauer Saal" stand an der Tür.
Ich bedankte mich. Aber keine Spur von den Dolmetschkollegen und die Besucher trugen die falschen Namensschilder! "Vielleicht im 'roten Saal'?" meinte ein Veranstaltungsgast. Der lag direkt daneben.
Das Sich-Umsehen hatte zwei Minuten, der erneute Ortswechsel 30 Sekunden gekostet. Es war inzwischen sechs vor neun. Der Empfang am 'Roten Saal' konnte mir selbst auch nicht helfen, winkte aber jemanden vom Haus herbei. Der nahm mich wieder in Schlepptau, Foyer, Treppe, erst die kleine Halle, dann eine große, der Haupteingang, hier saßen übrigens die versprochenen Hostessen am Empfang, Fahrstuhl, dieser kam zum Glück sofort, zwei Stockwerke runter, Gang, Hintertreppe wieder hoch, Brandschutztür, Gang, kleines Foyer, Raum 23, Raum 24, endlich Raum 25. (Ich stand unter Schock, es kann also eine Flurwindung mehr oder weniger gewesen sein.)
Die Kollegin steht hinter den Sprechern, um sie besser zu hören |
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Fotos: C.E. (*) Die anderen hatten sich am Vortag ver-
laufen, nur ich war (als Vertretung) neu am 2. Tag.
(Erbitte Vorwarnung beim nächsten Mal!)
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