Im Büro herrscht die Ruhe vor dem Sturm: Drei Kostenvoranschläge, zwei Optionen, die schon erwähnten zwei Drehbücher stehen schon auf dem Programm. Die Büroplanungsphase hat ergeben, dass ich ein neues Stehpult brauche, meines ist instabil, es ist das aufgebockte kleine Schreibtischchen aus Studentinnenzeiten. Ich sehe mich also um.
Und plane dabei gleich Veränderungen auch am privaten Wohnbereich. Das alte Kleidermobil im Schlafzimmer nervt, ich habe einen Jugendstilkleiderschrank geerbt, der aber nicht passt, also habe ich das Um-drei-Ecken-Erbstück verkauft und suche nun nach einem Möbel, das sich zudem stilistisch mit der Spätbiedermeierkommode meiner Ur-Urgroßmutter vertragen soll.
Dann steht die Vorbereitung auf die Übersetzerprüfung an. Hintergrund: Ich benötige zum französischen akademischen Abschluss und zum diplôme der Pariser Handelskammer noch einen deutschen Abschluss hinzu, wenn ich mich bei deutschen Gerichten beeidigen lassen möchte. Vive l'Europe ! Ja, es gibt Bereiche, in denen feiert das gute, alte, deutsche
Im Berufsalltag zählt vor allem die Erfahrung. So wie neulich. Da klingelte mich Kevin (*) aus den Federn. Er hat ein wunderbares Lachen, breite Schultern, sonnengegerbte Haut und ist gekleidet, als käme er gerade vom Sportplatz. Kevin verdient seine Brötchen mit einem ebay-Shop. Viele seiner Kunden leben in Italien, England und Frankreich.
Bis vor einiger Zeit hat sich eine Studentin um die französischsprachigen Käufer gekümmert, nun stand er ohne Hilfe und mit einigen massiven Kommunikationsproblemen da, so kam er auf den Gedanken, sich eine Dolmetscherin zu suchen.
Wenig später erklärte er mir bei einem Kaffee sein "Bizness" und was letzten Monat schiefgelaufen war. Ich notierte flink Vokabeln wie "Spurverbreiterung" (élargisseur de voie), "Reifendiebstahlschutz" (anti-vol de roue) und "Radbolzen" (boulons) bzw. schlug nach, was fehlte. In zwei kurzen Telefonaten und einer Mail konnte ich die Sache klären.
Kevin staunt: "Aber hallo, das lief ja butterweich ... und mit so wenig Stichworten!"
Tja, glernt isch glernt sagten Äffle und Pferdle in den 1980-er Jahren im schwäbischen Regionalfernsehen, es sind die "Mainzelmännchen" Stuttgarts. Solche volkstümlichen Anwandlungen beschleichen mich, wenn ich mit der Welt von Automontage, Schmieröl und Versandhandel in Kontakt gerate. Die Bauteile gehören zum pimp-my-car-Programm, das mein Kunde anbietet. Ich grinse über mich selbst: Dieser Job muss mir eigentlich mehrfach befremdlich erscheinen. Ich habe nicht einmal einen Führerschein (Westdeutsch) / eine Fahrerlaubnis (Ostdeutsch).
Ich nehme lieber das Rad. So wie in den letzten Tagen häufig, wenn ich nach Schöneberg möchte. Französischparlieren mit einem besonderen kleinen Mann war angesagt, der für seine wenigen Lernjahre schon viel kann, dem aber eine gewisse Selbstverständlichkeit im Sprechen fehlt (von seiner Schule, dem Französischen Gymnasium, anders gewünscht).
Da ich von ihm die Rückmeldung erhalten hatte, dass die Lehrer kaum Lernmethoden vermitteln, kümmerten wir uns auch darum: Vokabelheft, Post-its, Lernparcours und unterstützende Gesten, Landkarten von semantischen Feldern (champs linguistiques) entwickeln, wir haben einiges beleuchtet, das ich in den nächsten Wochen hier in loser Folge (z.T. erneut) vorstellen möchte. (Warum früher Zweitsprachenerwerb super ist, haben kürzlich die Unis von Montréal und Oxford beschrieben.)
lait frappé aux bananes — Bananenmilch |
Heute ist la rentrée scolaire für alle 12 Millionen Schüler Frankreichs, damit auch für die deutschen Schüler des collège français de Berlin.
Ich wünsche ein schönes und erfolgreiches Schuljahr, auch den Freunden in Paris, Blois und Marseille! Den Studenten wünsche ich einen entspannten Semesterauftakt (hat ja noch etwas Zeit), den mitlesenden Freiberuflern einen guten Herbst!
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Fotos: C.E.
(*) Kevin heißt natürlich nicht so.
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