Welcome! Sie haben das erste Dolmetscher- und Übersetzerblog Deutschlands aus dem Inneren der Dolmetscherkabine angeklickt oder abonniert. Es wurde vor bald sechs Jahren auf Deutschlands einzigem A-Filmfestival geboren. Und seit 13 Jahren findet die Berlinale bereits am Potsdamer Platz statt, von Anbeginn dolmetsche ich dort.
Ein Vertrag, sechs Änderungen: über drei Tage hatten wir zu Wochenanfang hin- und hergjongliert, die Pressefrau, die einen französischen Star betreut, und ich. Zweimal habe ich für mich rasch Ersatz finden müssen, denn natürlich gab es eine Terminkollision, und prompt hatte ich kompetente Kollegen gefunden, wurden die Interviewzeiträume für den ersten zu dolmetschenden Filmfranzosen erneut verlegt. Jedes Mal ändere ich meinen Kostenvoranschlag, drei Mal bekomme ich ihn geändert vom obersten Chef unterschrieben zurück, der wird sich auch gewundert haben.
Eigentlich könnte ich jetzt für die Zeit, die mich diese Planung
gekostet hat, die Rechnung in der vereinbarten Höhe schreiben, denn die vereinbarten
Stunden sind inklusive Sichten des Films um. Ich übertreibe, aber nur leicht.
Und wie sieht die Sache am Ende aus? In einem Falle soll die Kollegin den ihr übertragenen vermeintlichen Parallelauftrag behalten, denn sie wächst in die Dolmetscharbeit fürs Kino hinein, im anderen Fall war der Kollege froh, dass er doch nicht arbeiten wird müssen, so gibt's wenigstens keine Terminkollision mit der Schließzeit des Kindergartens!
Ja, schon bevor der Vorhang am Potsdamer Platz aufgezogen wurde, bedeutet die Berlinale Stress pur. Dann gilt es eine Übersicht der Filme zu schreiben: Wo laufen wann und um welche Uhrzeit welche französischsprachigen Filme, denn ich habe natürlich nicht alle in den Pressevorführungen vor der Berlinale sehen können. Einerseits, weil ich woanders im Vorfeld unter Vertrag stand, andererseits, weil nicht alle Filme vorab gezeigt werden. Was interessiert mich noch privat? Wo muss ich abends hin, weil ich auch Koproduktionen anbahnen helfe? Meine "Dispo" wird rasch unübersichtlich. Früher ging das von Hand, heute tippe ich, drucke aus, ergänze im Konzept, wenn mich eine Buchungszusage in der chemischen Reinung erreicht. Am Tag der Berlinaleeröffnung bin ich bei der 5. Fassung.
Plötzlich ist Freitag. Einszweidrei, im Sauseschritt | Läuft die Zeit; wir laufen mit!
Im Büro ist inzwischen ein Berlinalefilm per Kurier angekommen, eine DVD, zu einem anderen Film kommen die Streamingdaten per Mail, beim dritten Film kommt die Presseagentin ins Krankenhaus, sie sendet zunächst kryptische Botschaften, ihre Mitarbeiter übernehmen. Dann eine klare Nachricht von ihr, sie klingt optimistisch, große Erleichterung!
Später gleich noch so ein Wackelkandidat, was die Interviewtermine angeht, aber nicht nur: Man bittet um einen Einheitstarif, den angeblich das "Dolmetscherbüro" der Berlinale angeboten hätte, auch mit halben Tagen ... Leider höre ich nämlichen Satz dieser Tage wiederholt.
Die Summen, die hier vorgeschlagen werden, werde ich hier nicht nennen, sie sind aber eindeutig zu niedrig; "das" Dolmetscherbüro der Berlinale gibt es nicht, sondern eine Firma, die Wettbewerb usw. mit Sprachmittlern beschickt, ich schrieb schon darüber. Was steckt wohl dahinter? Ab damit in den Hinterkopf, steht jetzt nicht zur Debatte! Weiter!
Was mache ich jetzt mit Monsieur Unentschieden? Sage ich für einen halben Tag zu, ist der Tag blockiert, denn an diesem Datum lässt sich kein kein ganzer Tag mehr anbieten. Denn wenn es mir gelingt, jeweils morgens und abends je einen halben Tag zu verkaufen ... und dann passieren solche Verschiebearien wie oben? Wie dem auch sei, vor der Berlinale kann ich mich auf das Hin- und Her
beim Buchen einlassen, wenn der Tanker aber erstmal abgelegt hat, herrscht ein anderer Seegang, dann habe ich schlicht keine Zeit, stundenlang umzudisponieren.
Wenn dann auch noch Niedrigtarife aufgerufen werden, kann ich niemanden ins Büro setzen, der oder die sich um die Termine kümmert! Die Quadratur des Kreises!
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Foto: C.E. (Archiv)
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