Willkommen auf den Blogseiten einer Spracharbeiterin. Ich dolmetsche und übersetze, meine Arbeitssprachen sind Französisch und Englisch (passiv). Gerade denke ich über die schulische Sprachenwahl des Ziehsohns nach und wie das so ist mit Zweit- und Drittsprachen.
Sunny side up — "die Sonnenseite nach oben" wird auf Englisch ein Spiegelei genannt, die Franzosen bemühen ein völlig anderes Bild, les œufs sur le plat, "ein flaches Ei". Mein erster langer Aufenthalt in den USA fiel zusammen mit dem Besitz der allerersten Kreditkarte. Und nun stand ich in Kalifornien an der Kasse des Biosupermarkts und wollte meine cereals, apples, smoothies and brownies bezahlen ... und mir fehlten die Worte. Wie schiebe ich so eine Karte in das Bezahlgerät? Goldglänzender Chip nach oben oder nach unten? Und so fragte ich die Kassiererin: "Sunny side up?"
Die lachte nur und nickte dabei.
Nach vielen Jahren in Frankreich waren meine Englischkenntnisse in die letzten Windungen meiner grauen Masse abgewandert, so fühlte es sich auf jeden Fall an. Als ich dann Mitte der 1990-er Jahre regelmäßig aus familiären Gründen in die USA fuhr, stotterte ich rum wie ein Kind. Das war eine neue Erfahrung.
Da ich in meinem Leben nur selten als Touristin unterwegs war, wusste ich eigentlich immer, wie ich mich verständigen konnte.
Und plötzlich stolperte ich über meine eigene Zunge.
Meiner Sprachkreativität hat das gut getan. Ich beobachte heute regelmäßig, wie der weltbeste Patensohn beim Französischlernen das schmale Vokabular, das er schon beherrscht, kreativ einsetzt: genauso habe ich es damals gemacht. Ein unbefangener, spielerischer, ja kindlicher Umgang mit dem Sprachmaterial ist die allerbeste Lernmethode. Eine, in der der Selbstzensor, die Angst vor Fehlern, wenig zu vermelden hat.
Nach den ersten Wochen in den USA fiel es mir schon leichter, die im Hirn verwirrten Sprachstränge zu entknoten. Das Englische verließ die hinterletzte Windung und mischte sich fröhlich in das restliche Stimmengeflecht.
März oder April waren wir an der Ostküste, zu Gast bei entfernter Familie, zu den Feiertagen kamen die erwachsenen Kinder nebst Nachwuchs.
Ich wurde wie eine Tochter angenommen und machte mich auch im Haushalt nützlich. Der Herr des Hauses erzählte Schmankerl aus seinem Arbeitsleben, die der Rest der Familie schon kannte, ich durfte regelmäßig kurz antworten und zeigen, dass ich noch mitkam. Nebenbei lernte ich viel in den Bereichen Marketing und Kommunikation.
Bernie war Manager gewesen. In den 1950-er Jahren leitete er eine Fabrik, in der vor allem junge, unverheiratete Frauen aus Puerto Rico beschäftigt waren. Ihre Mütter holten am Monatsende bei der Buchhaltung den Lohn ab. Die Fabrikanlagen liefen weit unterhalb ihrer Möglichkeiten, die Geschäftsleitung lobte Prämien aus. Nichts geschah. Sie erhöhte die Prämien. Wieder nichts. — Bernie schaute mich fragend an, grinste. Ich lächelte zurück, raffte mein Grundvokabular zusammen, brachte als Minimum wohl das heraus, was er sich erhofft hatte als Kommentar: Pay the difference cash!
Mit jedem Schritt, den ich heute noch in meinen nicht mehr fremden weiteren Sprachen mache, merke ich, wie meine muttersprachliche Kompetenz weiter wächst. Und auch die "Fremdsprachen" verstärken einander. So soll es sein, auch das motiviert mich.
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Fotos: C.E.
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