Willkommen et bienvenue beim Arbeitstagebuch einer Französischdolmetscherin und -übersetzerin. Meine Arbeitssprachen sind Deutsch, Französisch und Film, denn Film ist eine Sprache für sich. Hier denke ich öffentlich über unseren Arbeitsalltag nach, stets unter Wahrung dienstlicher Geheimnisse.
Einfach nur absurd, was wir hier manchmal erleben. Doch dieses Gefühl scheint den potentiellen Kunden kaum vermittelbar zu sein.
Deshalb fange ich nochmal anders an: Nehmen wir an, hier liegt ein Pa(c)ket, das eilig per Kurier vom Maybachufer in Berlin in mein Stammkino nach Paris gebracht werden muss. Die Entfernung beträgt laut der alten Tante Gugel 1062 km, die gleiche Quelle befindet, man würde für Zurücklegung die Strecke mit einem Automobil zehn Stunden und 21 Minuten benötigen.
Bei der aktuellen Verkehrssituation wären es allerdings elf Stunden und 23 Minuten, im Durchschnitt also elf Stunden. Nehmen wir ferner an, dass nicht ich diesen Transport veranlassen möchte, sondern ein beratungsresistenter Kunde. Und der fordert nun, dass das Teil in drei Stunden beim Empfänger sein muss, von gleich an gerechnet. Achtung: JETZT! Das geht so hurtig nicht mal mit dem Flugzeug, wenn nicht gerade ein Privatjet zur Verfügung steht. Aber auch den darf ich getrost vergessen, denn jener Kunde, den ich gar nicht kenne, will für diese außergewöhnliche Dienstleistung nur ein Sechstel des Freundschaftspreises, vom Marktpreis rede ich hier gar nicht.
So jedenfalls die Eckdaten einer eiligen Übersetzungsanfrage, zur Verdeutlichung in Autobahnkilometer umgerechnet.
Man könne ja die Nacht durcharbeiten, meinte dieser übrigens nonchalant. Klar, nachts, da sind ja auch kaum Autos auf der Straße. Am besten noch am Wochenende, wo keine LKWs fahren dürfen. Leider kam die Anfrage gestern rein, Abgabe wäre Freitag, also rush hour.
Niemand würde einen Kurierdienst fragen, ob er zu solchen Bedingungen arbeiten würde.
Übersetzer schon.
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Foto: C.E. (Archiv)
2 Kommentare:
Liebe Caro, ja das ist aber mal ein klarer Vergleich! Ein Aspekt fällt mir immer wieder auf: Die Kunden glauben durch die Schnelligkeit des Netzes immer daran, Dienstleister auch im letzten Moment beauftragen zu können, alle sind ja immer und alle Zeit verfügbar. Dabei sind die Arbeitsabläufe selbst nicht schneller geworden, nur Informationen und Rechnungen reisen schneller ...
Viele verlieren einfach das Gefühl für die Verhältnisse.
Wir sehen uns nächste Woche, ich freu mich schon!
Grüße, auch an die Familie,
Bine
Ja, sehr richtig! Das Zeitgefühl scheint die nahezu zeitgleiche Kommunikation zu verändern. Wir müssen dafür sensibilisieren, nur wie?
A mardi donc, bises, Caro
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