Der Kopf ist eine Wortmaschine. Auf dem Weg an den Ort, an dem ich meinen Kopf zur Nacht bette, hatte ich auf einmal ein Wort auf den Lippen, le parpaing, das kam in den Niedrig-/Plusenergiehäusern eigentlich nicht vor, jedenfalls nicht so, dass es in der Lexik gelandet wäre. Kurz vor dem Schlafengehen schlage ich noch nach, es ist der "Leichtbaustein".
Dann strecke ich mich im Bett aus, die Gedanken kreisen und Vokabeln tauchen auf. Schon mischen sich ins Bauvokabular Begriffe zum Thema Nahrungsmittelsicherheit, Lebensmittelspekulation, ökologischer Landbau, klassische Wechselfeldwirtschaft, der letzte Lernstoff heute, und plötzlich lässt sich, ich bin schon im Halbschlaf, der Maiszünsler auf dem Leichtbaustein nieder, schlägt mit den Flügeln, beschäftigt mich im Schlaf auf Französisch auch zwischendurch beim Aufwachen (la pyrale du maïs [Ostrinia nubilalis]).
Ich möchte auch mal wieder eine Nacht ohne ständige Vokabelwiedervorlage schlafen. Aber trotzdem: Es macht Spaß ...
Das Ganze erinnert mich an eine Frage, die mir mein Vater einst gestellt hat, als als ich noch viel jünger war als der weltbeste Patensohn heute: "Träumst Du in Farbe oder Schwarz-Weiß?" Damals hatten wir den ersten Fernseher bekommen, ein Schwarz-Weiß-Gerät, und ich durfte sehen, was für Fünfjährige geeignet erschien: "Die Sendung mit der Maus" und "Sesamy Street", in Hessen die ersten beiden (?) Jahre nur auf Englisch ausgestrahlt. Das waren die besten Sprachgrundlagen, die ich bekommen konnte, ergänzt durch Frühenglisch in der Vorschule, das eine britische Erzieherin ermöglichte, angewandt mit Kathy, der Tochter eines englischen Soldaten aus der Nachbarschaft.
Einige Jahre später zeigte das 3. Programm, das damals eine Volkshochschule war, das ist jetzt eine (anerkennende) Feststellung, keine Kritik, die Französischreihe Les Gammas, les Gammas, die ich ebenfalls sehen durfte (ORTF/ARD, 74-76).
Der Französischsprachkurs über drei Außerirdische, die in Paris notlanden und Französisch lernen müssen, aber eigentlich die ganze Zeit von zuhause träumen, hatte was von Warten auf Godot (nur, dass ich Beckett natürlich damals noch nicht kannte). Mich hat als Kind noch etwas amüsiert: Die Studioaufnahmen mit ihren gemalten Hintergründen (Bluescreen) und einfachen Kulissen waren schon damals schon zum Lachen komisch in ihrer naiven Anmutung. Das habe ich sogar als "Großkind"(*) gemerkt. Heute erkenne ich zudem viel französische Selbstironie in den Filmchen.
Ein Gamma bei einer Rede |
Die Franzosen selbst wirken altmodisch in ihrer Kleidung. Der Außerirdische, die Figur im weißen Gewand, hält einen Vortrag und sagt zu jeder sich bietenden Gelegenheit: "Zu dieser Frage habe ich ein Buch verfasst, das ich nach dem Vortrag verkaufe. Es kostet ..." Dass ich hier Selbstironie feststelle, liegt am Analogieschluss zwischen Franzosen und Gammas. Er, vom Zuschauer sofort als Gamma erkennbar, spricht über die außerirdischen Wesen, stellt sich aber als Franzose vor. Sein zentraler, vom Publikum wiederholter Satz, lautet: Ils sont comme nous! ("Sie sind wie wir!") Das oft stupide Wiederholen von zu lernenden Sätzen wird hier zum Stilmittel erhoben und klingt wie absurdes Theater.
Eine gute Laune und Lachen sind wichtig beim Sprachenlernen. Die bei YouTube gefundenen Aufnahmen, vor allem der Film des zweiten Links, lassen das Schräge der allerersten Folgen, die ihre Zuschauer auf Plot und Serie einschwört, erahnen, nur fehlt leider der charmante Grammatikerklärer, der mich als kleines Mädchen dann wirklich schwer beeindruckt hat. (Heute würde man ihn wohl als cool bezeichnen.)
Und schon fliegt der (schwarz-weiße) Maiszünsler mit der fliegenden Untertasse der Gammas, die aus Leichtbausteinen zusammengesteckt wurde, weiter ins Land der Träume ...
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Foto: Les Gammas! ... (BR-Verweis)
(*) Privatdefinition: Alter etwa 1.-4. Klasse.
Mit elf sind es schon "Pre-Teens".
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