Montag, 21. November 2011

Pferdewechsel im Galopp

"Wir sind ja in London", sagt Kerstin im Scherz, weil mitten in Berlin eine öffentliche Diskussion auf Englisch geführt werden soll. Für französischsprachige Gesprächsteilnehmer, die Englisch nicht verstehen, wird es eine Verdolmetschung ins Französische geben. Fürs Publikum der Afrikamera-Diskussion ist noch ein Bonbon vorgesehen: Aus dem Französischen wird ins Deutsche übertragen (und Fragen aus dem Publikum zur Not auch mal zurück). Wir sind zu dritt an zwei Orten des Vorführraums untergebracht, die Deutsch-Französisch-Nichtkabine zeigte ich gestern bereits, im schmalen Einsprecherkabuff sitzen wir zu zweit.

Bei den ganzen Kombinationen kommt Deutsch-Englisch also gar nicht vor. Es wurde verabredet, dass die Eröffnung und die Danksagungen auch auf Englisch erfolgen sollen. Nach dem Techniktest atmen wir kurz draußen durch, dann geht's an die Arbeit.

In Filmdingen dolmetsche ich durchaus aus dem Englischen ins Französische, denn Englisch ist meine C-Sprache, aber nie ins Englische. Dafür sitzt ja Lina neben mir, die erst seit einigen Jahren in Deutschland lebt. Dann geht's los. Und wie ...! Willkommensgrüße und Danksagungen ... aber auf Deutsch! Lina schaut mich fragend an, ich lege los — auf Englisch. Der Grund dafür ist schnell erklärt: Wir hatten die Möglichkeit, bei Deutsch-Englisch über Relais zu gehen (also über Kerstin, die neben dem Vorführgerät ja aus dem Deutschen ins Französische dolmetscht) im Vorfeld nicht schaltmäßig durchdacht, und da unsere ganze Spontaneität beim Dolmetschen ins Sprachliche geht, ist nicht geprobtes Schalten ad hoc als Routine nicht vorhanden.

Kurz darauf steht Reinhard hinter mir, der Mann von der Dolmetschtechnik. Hab ich richtig geschaltet? Ja doch, ich bin auf dem Englischkanal und mein Mikro ist auch an. Aber Reinhard hört nichts mit seinem Kontrollkopfhörer, und dann hört der Saal auch nichts. Er nestelt am Dolmetschpult rum (la console d'interprète), ruckelt an Kabeln, schaltet hin und her. Ich lasse mich nicht aus der Ruhe bringen, falte mich so gut es geht zusammen und dolmetsche dabei weiter ins Englische, als hätte ich nie etwas anderes gemacht. Auf den Triumph folgt die Relativierung: Es war wirklich keine Großtat, denn Begrüßungen und Danksagungen sind in der Regel nicht wirklich kompliziert, ich habe derlei schon oft (auch auf Englisch) gehört.

Reinhard steckt etwas um, offenbar ist meine Seite des Pults kaputt. Er holt ein Ersatzpult, denn gleich wird ein Film gezeigt. Ein Viertelstündchen ist dieser kurz, lang genug fürs Auswechseln der Pulte.
Nur manches Kabel ist eingeklemmt. Entspannt ist es für uns Dolmetscherinnen trotzdem nicht, denn wir fiebern mit der Technik mit.

Der Rest lief wie am Schnürchen, die Diskussion war spannend und lebendig. Nachher beglückwünschten wir uns selbst: Schwein gehabt, dass wir die Möglichkeit Deutsch-Englisch über Relais nicht im Vorfeld erwogen hatten, zum Glück bin ich spontan eingesprungen, sonst wäre die Technikpanne erst bei der Veranstaltung selbst aufgefallen und nicht beim hübschen Vorabgeplänkel. Echtes Glück im Unglück.

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Fotos: C.E.

1 Kommentar:

T.S. hat gesagt…

Gut reagiert! Woher diese Souveränität? Gruß aus der Ferne, Th.