Hier mein heutiges Berlinalegeflüster: Es ist eher ein Berlinalekrächzen.
Dieses Jahr arbeite ich deutlich häufiger für Produzenten als in den Vorjahren, was vermutlich daran liegt, dass ich seit 2008 mehr Drehbücher übersetzt habe als je zuvor. Außerdem verbringe ich derzeit oft die letzte Stunde des Tages in der Late night lounge von Radio Eins. Diese nächtlichen Interviews verschieben den Berlinaletag um einige Stunden in die Nacht hinein.
Samstag, kurz nach 21.00 Uhr. Nach Publikumsgesprächen und drei Meetings im Hinblick auf Koproduktionen und neue Drehbuchübersetzungen komme ich bei meinem zweiten Empfang des Tages an, und zwar bei den Filmschaffenden in der Baden-Württembergischen Landesvertretung. Mich treiben die sich verschlechternden Arbeitsbedingungen in der Branche um, die ja, da wir Leute aus der Sprachenabteilung von den Filmleuten als Filmmitarbeiter gewertet werden, auch auf Dolmetscher und Übersetzer durchschlagen.
Eigentlich würde ich mich am liebsten schlafen legen. Schon gestern und vorgestern war ich auf Empfängen, oft als Begleitung der Leute, mit denen ich gerade arbeite auf der Suche nach Kontakten in Deutschland. Seit Jahren bemühe ich mich nicht mehr um Einladungen zu den teils glamourösen Berlinale-Empfängen. Denn das Finden der Termine und das An- und Nachfragen steht in keinem Verhältnis zum Ergebnis, zumal ich meine Teilnahme dann nicht selten absagen muss. Denn immer öfter werden wir Dolmetscher extrem kurzfristig gebucht — und mit meiner nicht wahrgenommenen Karte würde ich dann die Teilnahme eines/einer anderen blockieren.
Inzwischen komme ich als Begleitung am Einlass durch die Schranken oder weil ich vor Ort inzwischen doch bekannt bin.
Wer den ganzen Tag in einem Umkreis von maximal vier Kilometern um den Potsdamer Platz herum in Filmdingen unterwegs ist, nutzt manchen Moment des Empfangs auch zum Smalltalk und zur Entspannung. Wir stehen zu mehreren zusammen. Ich höre zu und genieße, dass ich mal nur zuhören darf. Ja, ich bin Dolmetscherin, und ich kann sogar die Klappe halten.
Irgendwann sind wir nur noch zu zweit, eine Kamerafrau, die ich eben kennengelernt habe, und ich.
Beiläufig erzähle ich, dass ich müde in die Berlinale reingegangen bin, weil bis zum letzten Augenblick noch Hektik im Büro war, und dass mir seit dem 2. Abend meine Stimmbänder leicht wehtun.
"Lustig", sagt da mein Gegenüber, "vorgestern Abend, beim Nordmedia-Empfang, hab ich den Satz schon einmal auf dem Damenklo gehört, und zwar aus dem Waschraum, à la 'Wir haben erst den zweiten Abend und schon spüre ich meine Stimmbänder'."
Zum Thema Gekrächze auf dem Berlinaleklo fällt mir eine andere Anekdote ein, die C. Cay Wesnigk vor einer kleinen Ewigkeit erzählt hat. Wir befinden uns auf dem Herrenklo. Ein Handy klingelt. Da ertönt die sehr feste, aber angeschlagene Stimme eines Mannes, der sagt: It's my office! And don't flush! ("Mein Büro ruft an. Und nicht spülen!")
Ich eile wieder zum Potsdamer Platz. Meine beste Freundin setzt mich dort ab. Nach dem Dolmetschen wird mein eben noch so müder Körper voller Adrenalin sein, an Schlafen ist dann mindestens drei Stunden lang nicht zu denken. Auf welchen Empfang gehe ich anschließend noch? Und schaffe ich es zum Arte-Sonntagsbrunch? Zum Glück hab ich morgen keinen großen Einsatz. Der Nachmittag gehören auf jeden Fall diversen Vorbereitungen und dem Pauken, denn Montag und Dienstag werden lange Tage ...
Über die Arbeitsbedingungen schreibe ich ein andermal weiter.
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Fotos: C. Elias
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