Freitag, 18. Februar 2011

Berlinaleschwelgen

Der direkte Weg ist manchmal ein Umweg. Und das Leben ist selten ein Nachtlokal mit Telefonen, mit denen sich direkt Botschaften an die Adressaten übermitteln lässt.

Hm, wo soll das denn heute Morgen hinführen? Ich setze nochmal an: Wer mich kennt (persönlich oder über den Blog), weiß, dass mir nichts unangenehmer ist als verrauchte, laute Räume. Gegen Lärm gibt's Ohropax aus dem Notfallkit, gegen den Qualm kann ich nichts machen — und trotzdem hielt ich vor einigen Tagen sogar anderthalb Stunden in derartiger Luft aus!

Die Absolventen der europäischen Produktionsmasterclass von Filmakademie (Ludwigsburg) und FEMIS (Paris) feierten in einem Club in Mitte. Mir wurde eine Einladung zuteil, weil ich hier besonders viele kenne. Das hat seinen Grund. Den kurzen halben Abend wurde ich immer wieder  begeistert begrüßt und abgebusselt, erfuhr von spannenden Projekten, jungen Ehen, kommenden Kindern.

Ich bin fünf bis zehn Jahre älter als die Älteren dieses Alumni-Clubs. So war denn auch mein Höhepunkt des Abends, als ich einem Neuzugang mit dem Worten vorgestellt wurde: "Das ist Caro, ein Urgestein der deutsch-französischen Filmbeziehungen!"

Erste Reaktion: das ist doch die Höhe, so alt bin ich noch gar nicht! Zweite: you made my day! Und das bescheidene Bewusstsein, dass die Qualität der Arbeit nicht automatisch von den Lebensjahren abhängt.

Zur Erklärung: Im Jahr 2000 habe ich ein umfangreiches Konzept für die eine anvisierte deutsch-französische Masterclass in Ludwigsburg geschrieben, erste Kontakte und eine lange Literaturliste weitergegeben. Ich war vom damaligen Leiter in Spe der Filmakademie mit einem Jobangebot gelockt worden - und erwog nach sehr langem Zögern am Ende ernsthaft, Berlin für ein paar Jahre den Rücken zu kehren. Beim Schreiben des Konzepts merkte ich erst, wie ich im Jahrzehnt zuvor Wesentliches gelernt hatte auf meinen Etappen Spracherwerb, Medienarbeit, Filmproduktion, und ich fing an, mich aufs Weitergeben zu freuen.

Als das Geld vom Bundesministerium für Bildung und Forschung bewilligt war und der Lehrbetrieb 2001 tatsächlich losging, tat der bewusste Herr, der mich eben noch geduzt hatte, so, als kenne ich er mich nicht.

Besonders feine Menschen gibt es überall. Wenn Youngsters einem anderen auf dem Schulhof die teuren Markenturnschuhe stibitzen, nennen sie es "abziehen". Ich war also abgezogen worden (mir fallen auch heftigere Worte ein). Leider treffen solche Machenschaften häufiger inhaltsorientierte Menschen wie mich, die wenig Zeit und Energie auf ein übersteigertes Maß an Eigenwerbung verwenden, worunter ich auch die Auswahl strategisch wichtiger Freundschaften verstehe. Ich bin das lebende Gegenprogramm zu derartigen Karrieren, die ich aus der Ferne beobachte. Mein Weg, der Weg über Qualität, ist anstrengend, arbeitsintensiv und langwierig; die eigenen (wachsenden) Ansprüche vereinfachen es mir nicht. Denn je mehr ich weiß und kann, desto mehr weiß ich um mögliche Unschärfen, Unsauberkeiten bis hin zu Fehlern.

Wer mir übel will, betrachtet meinen Berufsweg von außen als ständiges Scheitern. Ich weiß indes auch, was ich mir erspare. Ich genieße, dass ich selbstbestimmt und mit großer Freude arbeite. Ich weiß, wer meine Freunde sind, und dass von keiner Seite auch nur ein Hauch von Kalkül mit dabei ist.

An den Maßstäben gewisser, sowohl von Geltungssucht als auch von Angst zerfressener Personen gemessen, bin ich erfolglos. Wenn das so ist, scheitere ich gern auf hohem Niveau. Und der direkte Weg ist manchmal ein Umweg. Wer meint, er hätte die direkte Telefonnummer, irrt.

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Fotos: C. Elias (Ballhaus Chausseestraße)

1 Kommentar:

André hat gesagt…

Kann ich so nur extrafett unterschreiben!