Sonntag, 12. Mai 2024

EU-Sprachendienst in der Presse

Will­kom­­men auf den Sei­ten ei­ner Dol­met­scher­in für die fran­zö­si­sche Spra­che (und aus dem Eng­li­schen). Hier den­ke ich über den Arbeits­all­tag in der Ka­bi­ne und am Über­setzer­schreib­tisch nach. Heu­te ein al­tes Sonn­tags­bild aus der Ka­bi­ne und ein neu­er Presse­be­richt über Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen.

Die öster­rei­chi­sche "Neue Presse" hat sich die­se Wo­che un­se­rem Be­ruf ge­wid­met. Am 8. Mai er­schien in der öster­rei­chi­schen Zei­tung ein mit "Der Turm­bau zu Straß­burg: Wie man Eu­ro­pa über­setzt" über­schrie­be­ner Ar­ti­kel.

Die Au­to­rin die­ser Zei­len zu Gast in Stras­bourg (2007)
Jour­na­list Mi­cha­el La­czyn­ski macht mit ei­ner Re­chen­auf­ga­be auf: Wie vie­le Sprach­kom­bi­na­ti­o­nen sind in den Sit­zungs­räu­men und -sä­len der EU denk­bar? Aus­ge­hend von 24 Amts­spra­chen kom­men wir auf 552 mög­li­che Paa­run­gen. Die "Neue Presse" dazu tref­fend: "... Das Po­ten­zi­al für ba­by­lo­ni­sche Sprach­ver­wir­run­gen ist so­mit groß."
Da­her ge­hö­ren die Sprach­ab­tei­lun­gen zu den per­so­nell am bes­ten aus­ge­stat­te­ten Res­sorts der In­sti­tu­ti­o­nen.

Fer­ner teilt der Ar­ti­kel die Spra­chen­welt der EU rich­ti­ger­wei­se in Über­set­zer:in­nen (schrift­lich) und Dol­mets­che­r:in­nen (münd­lich) ein. (Das ist auch au­ßer­halb von Par­la­men­ten so.) Wir Dol­mets­che­rin­nen und Dol­mets­cher sind im­mer hoch­er­freut, wenn die Men­schen von der Presse die­se In­for­ma­ti­on ak­ku­rat wie­der­ge­ben. Der Nor­mal­fall ist lei­der, dass die Be­grif­fe falsch, also wild durch­ei­nan­der als Sy­no­ny­me ver­wen­det wer­den.

Auch das Dol­mets­chen wird nä­her be­schrie­ben. Zi­tat: "Die­se Ar­beit ist der­art for­dernd, dass die Schich­ten ent­spre­chend ge­stal­tet wer­den müs­sen, denn die neu­ro­lo­gi­sche Ka­pa­zi­tät der Dol­mets­cher sinkt wäh­rend der hoch­kon­zen­trier­ten Ar­beit nach un­ge­fähr ei­ner hal­ben Stun­de ra­pi­de ab."

Be­rich­tet wird auch, dass wir Dol­mets­che­rin­nen und Dol­mets­cher im­mer in die Mut­ter­spra­che über­tra­gen, in der EU aus­ge­hend von bis zu sechs Aus­gangs­spra­chen. Ich ken­ne ei­ni­ge Kol­leg:in­nen von dort. Sie ha­ben groß­zü­gi­ge Fort­bil­dungs­an­ge­bo­te und kön­nen sich auch mehr­mo­na­ti­ge Aus­zei­ten im je­wei­li­gen Land neh­men. Ar­beits­be­din­gun­gen, von de­nen un­se­rei­ner träumt.

Wir frei­en Dol­mets­cher:in­nen ar­bei­ten bi­la­te­ral, wech­seln rasch Sprach­rich­tung, oft so­gar tri­la­te­ral, häu­fig mit der Ein­schrän­kung, dass die drit­te Spra­che nur Aus­gangs­spra­che ist.

Zu­rück zum Ar­ti­kel. Aus­ge­hend von den 552 mög­li­chen Sprach­kom­bi­na­ti­o­nen stellt Jour­na­list Mi­cha­el La­czyn­ski die be­rech­tig­te Fra­ge, wie die Kol­leg:in­nen da­mit um­ge­hen, wenn von den Sprach­ar­bei­ter:in­nen kei­ne(r) vor Ort ei­ne be­stimm­te ge­for­der­te Kom­bi­na­ti­on lie­fern kann. Die Aus­gangs­spra­che wird dann in ei­ne "so­ge­nan­nte Re­lais­spra­che (üb­li­cher­wei­se ins Eng­li­sche) und in ei­nem zwei­ten Schritt aus dem Eng­li­schen in die Ziel­spra­che" ver­dol­metscht, das dau­e­re zwar ein we­nig, hel­fe aber den De­le­gier­ten, an den Dis­kus­si­o­nen pas­siv oder ak­tiv teil­neh­men zu kön­nen.

Man­che Ein­sät­ze fän­den auch au­ßer­halb des Par­la­ments statt; ei­ne Grup­pe Dol­mets­che­rin­nen und Dol­mets­cher wür­den ge­ra­de Uk­rai­nisch ler­nen, be­rich­tet der Jour­na­list wei­ter.

Auch hei­kle The­men kom­men im Ar­ti­kel vor. Was pas­siert bei Black­out, er­klä­rungs­be­dürf­ti­gen Ab­kür­zun­gen oder wenn et­was un­ver­ständ­lich war? Hier ant­wor­ten die Dol­metsch­kol­leg:in­nen, in­dem sie un­se­re Team­ar­beit er­klä­ren. In Brüs­sel und Stras­bourg wer­den üb­ri­gens im­mer drei gleich­zei­tig für ein- und die­sel­be Sprach­kom­bi­na­ti­on ver­pflich­tet; im Eu­ro­pä­i­schen Rat ha­be ich bei hei­klen The­men be­ob­ach­tet, dass die Wech­sel nicht alle 20, son­dern alle zehn Mi­nu­ten statt­fan­den.

In un­se­rem "All­roun­der"-Be­reich (in dem es auch Spe­zia­li­sie­run­gen gibt), sit­zen wir meis­tens nur zu zweit in der "Bütt", es sei denn, die Ver­an­stal­tung hat Über­län­ge.

Last but not least geht es auch noch um die Fra­ge, ob die KI un­se­re Be­ru­fe be­droht oder nicht. "Über­set­zungs­soft­wa­re" oder "Dol­metsch­tools" sind ja in al­ler Mun­de. Da­zu be­rich­tet Su­si Vi­de-Wink­ler von der Ge­ne­ral­di­rek­ti­on "Trad", dass auch dort längst KI-un­ter­stützt ge­ar­bei­tet wird, das Sys­tem brau­che aber mensch­li­che "Auf­sicht — weil es et­wa ver­su­che, Ei­gen­na­men zu über­set­zen, oder weil es nicht ver­trau­tes Vo­ka­bu­lar aus­spa­re."

Hier geht es zum le­sens­wer­ten Ar­ti­kel, des­sen letz­te Ab­schnit­te dem Über­set­zen ge­wid­met sind: klick!

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Fo­to: Kerstin Krolak

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