Die österreichische "Neue Presse" hat sich diese Woche unserem Beruf gewidmet. Am 8. Mai erschien in der österreichischen Zeitung ein mit "Der Turmbau zu Straßburg: Wie man Europa übersetzt" überschriebener Artikel.
Die Autorin dieser Zeilen zu Gast in Strasbourg (2007) |
Journalist Michael Laczynski macht mit einer Rechenaufgabe auf: Wie viele Sprachkombinationen sind in den Sitzungsräumen und -sälen der EU denkbar? Ausgehend von 24 Amtssprachen kommen wir auf 552 mögliche Paarungen. Die "Neue Presse" dazu treffend: "... Das Potenzial für babylonische Sprachverwirrungen ist somit groß."
Daher gehören die Sprachabteilungen zu den personell am besten ausgestatteten Ressorts der Institutionen.
Ferner teilt der Artikel die Sprachenwelt der EU richtigerweise in Übersetzer:innen (schriftlich) und Dolmetscher:innen (mündlich) ein. (Das ist auch außerhalb von Parlamenten so.) Wir Dolmetscherinnen und Dolmetscher sind immer hocherfreut, wenn die Menschen von der Presse diese Information akkurat wiedergeben. Der Normalfall ist leider, dass die Begriffe falsch, also wild durcheinander als Synonyme verwendet werden.
Auch das Dolmetschen wird näher beschrieben. Zitat: "Diese Arbeit ist derart fordernd, dass die Schichten entsprechend gestaltet werden müssen, denn die neurologische Kapazität der Dolmetscher sinkt während der hochkonzentrierten Arbeit nach ungefähr einer halben Stunde rapide ab."
Berichtet wird auch, dass wir Dolmetscherinnen und Dolmetscher immer in die Muttersprache übertragen, in der EU ausgehend von bis zu sechs Ausgangssprachen. Ich kenne einige Kolleg:innen von dort. Sie haben großzügige Fortbildungsangebote und können sich auch mehrmonatige Auszeiten im jeweiligen Land nehmen. Arbeitsbedingungen, von denen unsereiner träumt.
Wir freien Dolmetscher:innen arbeiten bilateral, wechseln rasch Sprachrichtung, oft sogar trilateral, häufig mit der Einschränkung, dass die dritte Sprache nur Ausgangssprache ist.
Zurück zum Artikel. Ausgehend von den 552 möglichen Sprachkombinationen stellt Journalist Michael Laczynski die berechtigte Frage, wie die Kolleg:innen damit umgehen, wenn von den Spracharbeiter:innen keine(r) vor Ort eine bestimmte geforderte Kombination liefern kann. Die Ausgangssprache wird dann in eine "sogenannte Relaissprache (üblicherweise ins Englische) und in einem zweiten Schritt aus dem Englischen in die Zielsprache" verdolmetscht, das dauere zwar ein wenig, helfe aber den Delegierten, an den Diskussionen passiv oder aktiv teilnehmen zu können.
Manche Einsätze fänden auch außerhalb des Parlaments statt; eine Gruppe Dolmetscherinnen und Dolmetscher würden gerade Ukrainisch lernen, berichtet der Journalist weiter.
Auch heikle Themen kommen im Artikel vor. Was passiert bei Blackout, erklärungsbedürftigen Abkürzungen oder wenn etwas unverständlich war? Hier antworten die Dolmetschkolleg:innen, indem sie unsere Teamarbeit erklären. In Brüssel und Strasbourg werden übrigens immer drei gleichzeitig für ein- und dieselbe Sprachkombination verpflichtet; im Europäischen Rat habe ich bei heiklen Themen beobachtet, dass die Wechsel nicht alle 20, sondern alle zehn Minuten stattfanden.
In unserem "Allrounder"-Bereich (in dem es auch Spezialisierungen gibt), sitzen wir meistens nur zu zweit in der "Bütt", es sei denn, die Veranstaltung hat Überlänge.
Last but not least geht es auch noch um die Frage, ob die KI unsere Berufe bedroht oder nicht. "Übersetzungssoftware" oder "Dolmetschtools" sind ja in aller Munde. Dazu berichtet Susi Vide-Winkler von der Generaldirektion "Trad", dass auch dort längst KI-unterstützt gearbeitet wird, das System brauche aber menschliche "Aufsicht — weil es etwa versuche, Eigennamen zu übersetzen, oder weil es nicht vertrautes Vokabular ausspare."
Hier geht es zum lesenswerten Artikel, dessen letzte Abschnitte dem Übersetzen gewidmet sind: klick!
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Foto: Kerstin Krolak
Daher gehören die Sprachabteilungen zu den personell am besten ausgestatteten Ressorts der Institutionen.
Ferner teilt der Artikel die Sprachenwelt der EU richtigerweise in Übersetzer:innen (schriftlich) und Dolmetscher:innen (mündlich) ein. (Das ist auch außerhalb von Parlamenten so.) Wir Dolmetscherinnen und Dolmetscher sind immer hocherfreut, wenn die Menschen von der Presse diese Information akkurat wiedergeben. Der Normalfall ist leider, dass die Begriffe falsch, also wild durcheinander als Synonyme verwendet werden.
Auch das Dolmetschen wird näher beschrieben. Zitat: "Diese Arbeit ist derart fordernd, dass die Schichten entsprechend gestaltet werden müssen, denn die neurologische Kapazität der Dolmetscher sinkt während der hochkonzentrierten Arbeit nach ungefähr einer halben Stunde rapide ab."
Berichtet wird auch, dass wir Dolmetscherinnen und Dolmetscher immer in die Muttersprache übertragen, in der EU ausgehend von bis zu sechs Ausgangssprachen. Ich kenne einige Kolleg:innen von dort. Sie haben großzügige Fortbildungsangebote und können sich auch mehrmonatige Auszeiten im jeweiligen Land nehmen. Arbeitsbedingungen, von denen unsereiner träumt.
Wir freien Dolmetscher:innen arbeiten bilateral, wechseln rasch Sprachrichtung, oft sogar trilateral, häufig mit der Einschränkung, dass die dritte Sprache nur Ausgangssprache ist.
Zurück zum Artikel. Ausgehend von den 552 möglichen Sprachkombinationen stellt Journalist Michael Laczynski die berechtigte Frage, wie die Kolleg:innen damit umgehen, wenn von den Spracharbeiter:innen keine(r) vor Ort eine bestimmte geforderte Kombination liefern kann. Die Ausgangssprache wird dann in eine "sogenannte Relaissprache (üblicherweise ins Englische) und in einem zweiten Schritt aus dem Englischen in die Zielsprache" verdolmetscht, das dauere zwar ein wenig, helfe aber den Delegierten, an den Diskussionen passiv oder aktiv teilnehmen zu können.
Manche Einsätze fänden auch außerhalb des Parlaments statt; eine Gruppe Dolmetscherinnen und Dolmetscher würden gerade Ukrainisch lernen, berichtet der Journalist weiter.
Auch heikle Themen kommen im Artikel vor. Was passiert bei Blackout, erklärungsbedürftigen Abkürzungen oder wenn etwas unverständlich war? Hier antworten die Dolmetschkolleg:innen, indem sie unsere Teamarbeit erklären. In Brüssel und Strasbourg werden übrigens immer drei gleichzeitig für ein- und dieselbe Sprachkombination verpflichtet; im Europäischen Rat habe ich bei heiklen Themen beobachtet, dass die Wechsel nicht alle 20, sondern alle zehn Minuten stattfanden.
In unserem "Allrounder"-Bereich (in dem es auch Spezialisierungen gibt), sitzen wir meistens nur zu zweit in der "Bütt", es sei denn, die Veranstaltung hat Überlänge.
Last but not least geht es auch noch um die Frage, ob die KI unsere Berufe bedroht oder nicht. "Übersetzungssoftware" oder "Dolmetschtools" sind ja in aller Munde. Dazu berichtet Susi Vide-Winkler von der Generaldirektion "Trad", dass auch dort längst KI-unterstützt gearbeitet wird, das System brauche aber menschliche "Aufsicht — weil es etwa versuche, Eigennamen zu übersetzen, oder weil es nicht vertrautes Vokabular ausspare."
Hier geht es zum lesenswerten Artikel, dessen letzte Abschnitte dem Übersetzen gewidmet sind: klick!
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Foto: Kerstin Krolak
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