Gesehen in Berlin-Mitte. Das Internet ... |
Und dann flattert eine Übersetzungsanfrage von Donnerstagabend zu Montagmittag im Umfang eines fetten Drehbuchs rein. Einreichfristen bei Filmförderinstitutionen eben. Die Kolleginnen so: "Aber die wissen das doch nicht erst seit gestern!" Richtig. So direkt sage ich das aber nicht weiter. Der Kunde kürzt auf meinen Rat hin. Ich suche. Suche weiter. Erneuere meine Kontaktliste.
Jetzt ist es nun einfach mal so, dass wir in den letzten Jahren sehr viel gearbeitet haben und die Kunden es uns mit regelmäßiger Auftragsvergabe danken. Wir, und hier meine ich diverse Teams, die ich überblicke, mein wachsendes Netzwerk, arbeiten manchmal am Limit, also einige Monate im Jahr, was in unserem Gewerbe nicht so gut ist, denn das Hirn fordert seine Ruhephasen ein.
Filmproduktionsfirmen brauchen nur ab und zu unseren Beitrag, nicht selten von jetzt auf gleich. Wenn dann auch noch die Abgabefrist kurz ist und ein Wochenende dazwischen liegt, viele von uns haben unterschiedlich geartete Familienpflichten, wird es verdammt eng.
Nun ist es aber wiederum auch nicht so, dass auf Film und Medien spezialisierte Übersetzer das ganze Jahr ausschließlich das machen UND ständig auf Aufträge warten würden. Eher das Gegenteil ist der Fall: Die einen arbeiten ausschließlich in dem Feld, oft für reduzierte Sätze, da die Akquise wegfällt, z.B. im Verbund mit einem Synchronstudio, sind aber oft ausgebucht. Wir anderen, die wir Synchro hassen und/oder einen leicht höheren Lebensstandard pflegen und/oder mehr Zeit fürs Private brauchen und/oder dolmetschen, haben in der Zwischenzeit Kunden unterschiedlichster Art gewonnen. Etliche unterrichten nebenbei an der Uni, an den Volkshochschulen oder im Sprachangebot für Geflüchtete. Kurz: Wer hat gerade Zeit? In wie viele Teile hacken wir das? Wer ist fürs Korrektorat zuständig, das dann eher eine Schlussredaktion ist?
Sehr wichtig: Wie kriegen wir das so kalkuliert, dass der Endpreis nicht durch die Decke schießt? (Der Film ist noch nicht finanziert, es geht ja gerade um das Einwerben weiterer Mittel. Ich verdiene an sowas oft nur soziales Kapital.) Und nimmt mir eine der Kolleginnen das Projektmanagement ab? Ich muss ja meine eigenen Termine koordinieren und dann liegt da noch ein Schreibprojekt mit Recherchen auf dem Tisch.
"Die Tat ist alles, nichts der Ruhm."
(Goethe, Faust 2, IV. Akt, Szene "Hochgebirg", Vers 10188)
Ja, Herr Geheimrat, stimmt. Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. So hat Erich Kästner den Gedanken ein bisschen salopper reformuliert. Aber mit etwas Ruhm ließen sich Grundinfos über unsere Arbeitsweise allgemeiner bekannt machen, oder? Dann würden die Menschen nicht immer glauben, unsere Arbeit würde sich fast wie von selbst erledigen (oder demnächst automatisch durch den Kollegen Computer). Dann wären Bitten seltener, Projekte in anderthalb Werk- und zwei Wochenendtagen zu erledigen, für die wir normalerweise zwei Wochen kalkulieren.
... stellt manches auf den Kopf. |
Also ist die Tat künftig fast alles, aber der Ruhm darf trotzdem nicht außer acht gelassen werden.
Wobei ich denke, dass Goethe durchaus den eigenen Ruhm im Blick hatte. Im Fall von Künstlern, die Neues schaffen, halte ich das für legitim. Unsere Kunst ist die der Re-création, des Erschaffens von etwas auf der Spur von Bestehendem. Bislang gehört zu unserem Berufsbild, vornehm hinter den von uns ins Licht Gesetzten zurückzutreten. Zugleich sind wir ebenfalls Urheber, z.B. von literarischen Übersetzungen (und von Filmübersetzungen, Untertiteln usw.)
Am Ruhm werde ich künftig wohl arbeiten müssen. Nicht einfach, wo ich doch so schüchtern bin. Also das wirkliche Ich, das hier tippt, ist schüchtern, nicht aber die Dolmetscherinnenkunstfigur, die regelmäßig neben den Deneuves, Depardieus und Depardons dieser Welt auf den Festivalbühnen steht und sie vertont. Das war bislang mein Trick zur Überwindung des Lampenfiebers, du trac: Ich spiele diese Dolmetscherin nur. Und genau diese Persona steht in diesem autobiofiktionalen Arbeitstagebuch im Mittelpunkt.
Jetzt bin ich aber vom Thema abgekommen. Und morgen, Freitag, dürfen dann fünf Angebote raus, eines davon in drei Varianten. Weil die Kunden nicht nur mitunter spät dran sind, sondern auch im Vorfeld nicht immer genau wissen, was letzten Endes gebraucht werden wird. (Keine Angst, rechtzeitig vor dem Termin wird dann unterschrieben.)
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Foto: C.E.
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