Sonntag, 14. August 2016

Objets trouvés

Bonjour, hier liest, denkt und schreibt eine Dolmetscherin und Übersetzerin. Sonntags folgen die Sonntagsfotos.

Aus dem Arte-Film "Fundstücke" von Stan Neumann
Gefunden von Thomas Ruff
(Maschinenfotos, cf. Arte)
Gefundene Objekte sind der Gegenstand des heutigen Blogeintags. Und unter diesen Objekten blicke ich heu­te besonders auf die Fotos. Arte hat heute Mittag einen interessanten Film über den Umgang von Künstlern mit aufgefundem Fotomaterial gezeigt, l'art approprié. Wer mich kennt, weiß, dass ich mich für Fotografie in­te­res­siere. Besonders spannend finde ich Bilder, die (un­ab­sicht­lich oder ge­plant) etwas über mensch­li­chen All­tag erzählen. Davon finde ich viel in photos trouvés.

Der Arte-Film "Fundstücke" von Stan Neumann, der bis zum 22.8. online zu sehen ist, erzählt allerdings von küns­tle­ri­scher Aneignung solcher Fundsachen, von Um­in­ter­pre­ta­tio­nen und Spiel mit den klassischen Codes von Studio- und Urlaubsfotografie sowie von diversen Abnutzungserscheinungen unseres Blicks, aber auch des Trägermaterials. Mein Medientipp!

Der Film hat mich angeregt, über mein eigenes Ver­hal­ten nachzudenken. Seit vielen Jahren fotografiere ich meine Subjektiven für diesen Blog. Außerdem bringe ich Fundbilder und zeige, was mir auffällt. Die digitale Fotografie führt zu ganz anderen Motiven als früher, wo die Bandbreite geringer war, weil Fotografie schlicht zu teuer gewesen wäre für als banal Empfundenes.

Ich eigne mir neben gefundenen Bildern auch Motive an und emp­fin­de das als Luxus.

Herumprobiert mit Formen und Material haben einst nur Künstler und Lehrlinge. Ich fühle mich manchmal wie eine Schülerin, die immer wieder ihre Experimente anstellt. Und denke darüber nach, welche Fotos fehlen in der Samm­lung meiner Familie und der Photos trouvées vom Flohmarkt. Zum Beispiel der Blick in den al­ten Email­letopf am Sonntag. Der Salat wartet gespült und abgetropft in der ir­de­nen Schüssel, der Fisch brät in der Röhre. Diesen Blick hätte das Urchen, wie mei­ne Urgroßmutter im sächsischen Familienkreis hieß, genauso in den Topf werfen können. Und dieser Blick ist als photo trouvée im übertragenen Sinne eine mise en abyme, denn es ist ein Fundstück im Fundstück. Die mise en abyme erkläre ich hier.

Sieben Kartoffeln in einem schwarzen Emailletopf
Draufsicht, Sonntag halb eins
Das Gestänge vom Gasherd ist heute eine Spur moderner in seiner Zeichnung. Sonst ist alles gleich. Es ist sogar ein Topf aus diesem ur­groß­el­ter­li­chen Haushalt, den die Haus­häl­te­rin wohl in den 1920-er Jahren, weil er einen kleinen Schaden hat, in einen Schrank auf dem Speicher getan hat­te, bei­sei­te­ge­stellt viel­leicht für schlech­te­re Zeiten oder für sehr viel Besuch.

Der Schlüssel des Schranks ging verloren und tauchte erst Anfang der 1990-er Jahre bei der Sanierung eines Brunnens wieder auf. Für meinen Berliner Haushalt konnte ich etliche Dinge übernehmen und habe sie seither in Verwendung. So gesehen ist das Bild der "gefundene Blick" in den "gefundenen" Topf. Im übertragenen Sin­ne die Sto­ry in der Sto­ry.

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Foto: C.E.

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