Als Jugendliche hatte ich einen Traum von der Zukunft: Ich reise mit leichtem Gepäck in einer rollenden oder fliegenden Blechbüchse von A nach B, komme dort in der Früh an, frühstücke im Café, gehe durch vertraute Straßen in ein Gebäude, setze mich in eine schalldichte Box, sehe Lichtkegel und leuchtendes Rot am Mikrofon. Ich beginne zu sprechen; mir gegenüber Menschen, die ich mag. Später gehe ich in ein Museum und diskutiere in einem Buchladen. Die Szenen sind blaustichig, sie klingen nach Jazz, die Häuser sind entweder sehr alt oder sehr modern. Später kommt ein Tout dans la tête, rien dans les poches, „Alles im Kopf, nichts in den Taschen“, hinzu.
Dieser Blog, der heute vor neun Jahren auf dieser Berlinale aus der Taufe gehoben wurde, hat nur noch ein Jahr vor sich. Ich habe von der Geringschätzung, die wir in unserem Beruf erleben, die Nase voll. Dabei meine ich nicht nur den Trend zu Englisperanto, sondern das ewige Feilschen um Geld, Pseudo-Agenturen mit fragwürdigem Verhalten, keine oder zu spät gelieferte Materialien, Redner mit MG-Salven statt mit rhetorischen Künsten, wer hier manchmal reinliest weiß, wovon ich spreche. Zehn Jahre Blog möchte ich schaffen, und ich überlege, was sich öffentlichkeitswirksam noch anstellen lässt, um das Image unseres Berufs zu verbessern. Comics aus der Sprachenwelt? Die Dolmetscherin als Kabarettfigur? Ich weiß es noch nicht.
Nulla dies sine linea, mit dem Blog begleite ich mich selbst vom journalistischen Schreiben hin zum Verfassen von Büchern. Gerade entsteht mein zweites Kinderbuch. Ein möglichst unterhaltsames Sachbuch über die Sprachmittlerwelt konzipiere ich parallel. (Kuriose und lustige Berichte von Kolleginnen und Kollegen sind übrigens sehnlichst erhofft.)
Die inoffiellen Paten des Blogs, Devid Stresow und Nina Hoss |
Die Eingangsszene haben alle Dolmetscherkollegen als Szene auf einem Kongress interpretiert.
Für mich als gelernte Radiofrau ist der Ort aber auch ein Hörfunkstudio. Last but not least kann es auch ein Tonstudio sein. Im Studium habe ich eine Sprechausbildung absolviert, meine Stimme bekommt regelmäßig gute Noten, ich kann mir auch eine Karriere als Sprecherin vorstellen. „Der Weg ist das Ziel“ sagt Konfuzius, oder profaner: Umwege erhöhen die Ortskenntnis.
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Foto: Berlinale (2007)
2 Kommentare:
Huch, Caro,
zunächst mal gute Besserung, und Glückwunsch dem Blog!
Der Tenor Deines Geburtstagspostings gefällt mir gar nicht. Gerade die Franzosen bestehen doch immer darauf, kein Englisch zu sprechen, und außerdem arbeitest Du doch oft für die Botschaft ...
Deine Situation sollte doch eine bequemere sein als der Frust, der hier durchscheint. Kann es sein, dass Deine Grippe schon im Anzug (oder im Kostümchen) war und Dir die Sicht auf die Welt getrübt hat?
Besser' Dich weiterhin! Grippe braucht ja Zeit.
Ich melde mich nachher ...
Gruß,
Th.
Lieber Th.,
Danke für Deine guten Wünsche! Ja, kann sein, dass mein Blick auf die Lage davon getrübt wurde. Aber es ist nicht zu übersehen, dass immer mehr Veranstalter aus Kostengründen auf Englisch zurückgreifen und das selbst dann, wenn die Beteiligten kaum mehr als durchschnittliches Schulenglisch sprechen.
Abgesehen von den Missverständnissen wird uns oft von Teilnehmern berichtet, dass die Hürde, sich zu äußern, damit nicht selten unüberwindbar ist. Etliche Fragen, Einwände und Anregungen unterbleiben so.
Der Kostenfaktor dafür wird leider noch nicht berechnet. Doch, ein deutscher Autobauer hat das wohl mal getan und die Verkehrssprache Englisch nach einigen Jahren wieder abgeschafft. Das Management und die Ingenieure hatten wohl keine Probleme damit, aber ab dem Werkstattleiter gingen dann die Momente teurer Fehlkommunikation los.
Mir fehlt gerade der Optimismus, dass derlei Einsicht sich rasch verbreitet. Ich fürchte, das Gros der Entscheider nennt das Kollateralschäden und setzt auf den Faktor Zeit.
Und Sensibilität ist halt auch nicht jedermanns Sache. "Neulich", in einer Bundesbehörde, eine Afrikakonferenz, die nur ins Englische verdolmetscht wurde. Bestimmt 50 % der Teilnehmer kamen aus französischsprachigen Ländern. Wir waren für einen Minister aus Paris einbestellt, saßen mit der mobilen Anlage am Rand des Geschehens und haben geflüstert. In den Pausen wurden wir um Kopfhörer geradezu angefleht. Wir hatten nur zehn Stück dabei, von denen vier für den Politiker und sein Team bestimmt waren. Das war ein Sch*problem auswählen zu müssen, wer von den Menschen aus Afrika mithören durfte. Ich hab mich für den Gastgeber geschämt.
Rasch und herzlich,
Caro
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