Heute flatterte mir wieder eine Übersetzungsanfrage ins Haus. Nein, im eigentlichen Sinne war es keine Übersetzungsanfrage, ich sollte nur eine fertige Arbeit lektorieren. Auch das mache ich regelmäßig. Die "Übersetzung", die ich mir ansehen durfte, sah allerdings wie Kraut und Rüben aus.
Ich fragte mit einer bewusst karg gehaltenen einzeiligen Antwort nach. So erfuhr ich, was ich bereits geahnt hatte: Der Text war das Produkt eines maschinellen Übersetzungsvorgangs.
Verlockendes Angebot |
Automatische Übersetzung ist möglicherweise bei hochgradig standardisierten Texten sinnvoll, ein "Translation Memory System" als aktives Wörterbuch, das in die Übersetzungsvorlage erste Vorschläge automatisch einfügt, bei hochgradig technischen Texten.
Die Vorlage war nichts davon.
Der Agentur schwebte übrigens die fürstliche Entlohnung von 20 Cent je Normzeile vor. Normalerweise entstehen Preise so: Die Übersetzung wird beispielsweise je Übersetzernormzeile (à 55 Anschläge) mit 1,50 Euro entlohnt, das Lektorat mit 30 Cent je Normzeile. Die Vorlagen von Profis sind meistens gut; so ist mal hier ein Komma, dort ein treffenderer Ausdruck oder eine Zeitform zu ändern.
Zusammen mit dem "Lektoratsangebot" erhielt ich einen Vertrag über meine Beauftragung, der nur so von Ungereimtheiten strotzte. Dazu fällt mir ein, dass Google Translate das Wort nichtrechtskräftig mit not quite strong übersetzt.
Warum denken so viele, dass sich ein derartiges komplexes, vieldeutiges und kulturell eingebundenes Gebilde wie Sprache von Maschinen übertragen lassen könnte? Glauben diese Leute auch allen Phishing-Mails, die sie erhalten, in Vorfreude auf die Kohle? Dass Grace nicht mit Namen "Fräulein" heißt, davon darf ausgegangen werden. Na klar, machine translation is powerful, maschinelle Übersetzung ist mächtig!
Gnade!
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Illustration: Gnade, Fräulein!
2 Kommentare:
Moin, moin,
der hier wiedergegebenen Textprobe ist ist trotz Vergoogelung zu entnehmen, dass es sich um einen so genannten Nigeria-Scam handelt. Näheres dazu hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Vorschussbetrug
Sie hätten für Ihre Arbeit wohl nie Geld bekommen, hätten Sie den Auftrag angenommen.
Ulrich Schol
öllig logisch, wir kennen ja alle diese Art von Mails. Noch "schicker" ist die Variante, wo Dolmetscher aus dem Ausland gebucht werden und vorab ein Verrechnungsscheck zugesandt wird. Der ist dann allerdings höher als die Rechnung betragen wird. Der "Kunde" schreibt etwas von Irrtum und bittet um Überweisung des Differenzbetrags.
Nun geht die Überweisung ins Ausland schneller als die Gutschrift des Schecks — und futsch ist das Geld.
Immer schön vorsichtig sein!
Gruß,
CE
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