Willkommen auf den Seiten einer Dolmetscherin für die französische Sprache (und aus dem Englischen). Hier denke ich über den Arbeitsalltag in der Kabine und am Übersetzerschreibtisch nach. Zeit für das Sonntagsbild!
Mein heutiges Sonntagsbild entstand vor zwei Tagen, der Anlass ist aber länger her. Am Freitag, dem 1. November, kam ich am späten Nachmittag vom Dolmetscheinsatz. Ich schlief fast im Gehen. Wir hatten fünf Tage lang eine ausländische Delegation begleitet und waren dabei nicht ganz auf die erforderlichen Schlafmengen gekommen.
Ich nahm alles überscharf war. Zwei Abende zuvor hatte ich bereits eine besondere Erfahrung gemacht. Überdreht lag ich im Bett. Der Körper schrie nach Ruhe, der Geist war hellwach. Anstatt ruhig wegzudämmern, erlebte ich (nicht ohne eine fast wissenschaftliche Neugier) eine REM-Phase im Wachzustand.
Ich konnte beobachten, wie alles absurd wurde, spürte meine Augen in Bewegung, wollte mich nicht mehr bewegen. Das Ganze dauerte ca. zehn Minuten, dann war ich wieder 'wacher' ... und konnte erst 1,5 Stunden später einschlafen.
An jenem Freitag also kam ich am späten Nachmittag nach Hause. Bei mir um die Ecke findet dienstags und freitags immer der Wochenmarkt statt. Plötzlich durchzog ein Schauer meinen Körper. Es war ein wohliges Gefühl. Ich spürte etwas Pastoses, Süßes, fühlte dem Zuckerschock im Hirn nach, etwa in der Nähe des Hinterhauptslochs saß etwas, das eine andere Form von Müdigkeit ausstrahlte. Mein Geist fragte sich, was das zu bedeuten habe, dachte an den Gemüse- und den Brotstand der Ufa-Fabrik, den Käsemann und den Quarkwagen. Aber nichts passte zu dem Gefühl. Die genannten Kaufstellen besuche ich seit vielen Jahren.
Jünger ist ein anderer Stand, und blizartig war mit dem Bild eines gekrönten Bauchnabelbären die Erkenntnis da: An den Stand mit dulce de leche (Milchcreme) und Aromahonigen, dem Stehtisch mit Knäckebrot zum Probieren hatte sich der Körper erinnert, und zwar lange, bevor ein Bild da war ... und noch viel länger, bevor ein Wort hinzukam. Die mir selbst gestellte Frage: In welcher Sprache findet mein innerer Monolog am häufigsten statt, auf Französisch oder auf Deutsch?, findet hier eine klare und überraschende Antwort: In der Körpersprache.
Der Ausgangspunkt meines Textes, die Müdigkeit und ihre Folgen, ist bitte nicht als Beschwerde zu lesen, ich beschreibe nur. Wenn das Arbeitspensum unserer Kunden hoch ist, folgen wir so gut wir können. Ausschlafen können wir ja, wenn sie wieder abgereist sind.
Und ohne diese mitunter extrem anmutenden Arbeitsphasen wäre ich um einige Erfahrungen ärmer.
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Foto: C.E.
Kaiser-Honige und -Milchcremes: hier.
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