Sonntag, 10. November 2013

Denkorgan

Will­­kom­­men auf den Sei­­ten ei­­ner Dol­­met­­scher­in für die fran­­zö­­si­sche Spra­che (und aus dem Eng­li­schen). Hier denke ich über den Arbeits­all­tag in der Ka­bi­ne und am Über­­setzer­schreib­tisch nach. Zeit für das Sonntagsbild!

Bunt gefüllte Gläser auf gestreiftem Tablett ...
Mein heutiges Sonntagsbild entstand vor zwei Ta­gen, der Anlass ist aber länger her. Am Freitag, dem 1. November, kam ich am späten Nach­mittag vom Dolmetscheinsatz. Ich schlief fast im Gehen. Wir hatten fünf Tage lang eine ausländische Delegation be­glei­tet und waren dabei nicht ganz auf die er­for­der­li­chen Schlafmengen ge­kom­men.
Ich nahm alles überscharf war. Zwei Aben­de zuvor hatte ich bereits eine be­son­de­re Er­fah­rung gemacht. Überdreht lag ich im Bett. Der Körper schrie nach Ruhe, der Geist war hellwach. Anstatt ruhig weg­zu­däm­mern, erlebte ich (nicht ohne eine fast wissenschaftliche Neugier) eine REM-Phase im Wachzustand.

Ich konnte beobachten, wie alles absurd wurde, spürte meine Augen in Bewegung, wollte mich nicht mehr bewegen. Das Ganze dauerte ca. zehn Minuten, dann war ich wieder 'wacher' ... und konnte erst 1,5 Stunden später einschlafen.

An jenem Freitag also kam ich am späten Nachmittag nach Hause. Bei mir um die Ecke findet dienstags und freitags immer der Wochenmarkt statt. Plötzlich durch­zog ein Schauer meinen Körper. Es war ein wohliges Gefühl. Ich spürte etwas Pas­to­ses, Süßes, fühlte dem Zuckerschock im Hirn nach, etwa in der Nähe des Hin­ter­haupts­lochs saß etwas, das eine andere Form von Müdigkeit ausstrahlte. Mein Geist fragte sich, was das zu bedeuten habe, dachte an den Gemüse- und den Brot­stand der Ufa-Fabrik, den Käsemann und den Quarkwagen. Aber nichts passte zu dem Gefühl. Die genannten Kaufstellen besuche ich seit vielen Jahren.

Jünger ist ein anderer Stand, und blizartig war mit dem Bild eines gekrönten Bauch­na­bel­bä­ren die Erkenntnis da: An den Stand mit dulce de leche (Milchcreme) und Aro­ma­ho­ni­gen, dem Stehtisch mit Knäckebrot zum Probieren hatte sich der Kör­per er­in­nert, und zwar lange, bevor ein Bild da war ... und noch viel länger, bevor ein Wort hinzukam. Die mir selbst gestellte Frage: In welcher Sprache findet mein in­ner­er Monolog am häufigsten statt, auf Französisch oder auf Deutsch?, findet hier eine klare und überraschende Antwort: In der Körpersprache.

Der Ausgangspunkt meines Textes, die Müdigkeit und ihre Folgen, ist bitte nicht als Beschwerde zu lesen, ich beschreibe nur. Wenn das Arbeitspensum unserer Kunden hoch ist, folgen wir so gut wir können. Ausschlafen können wir ja, wenn sie wieder abgereist sind.

Und ohne diese mitunter extrem anmutenden Arbeitsphasen wäre ich um einige Erfahrungen ärmer.

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Foto: C.E.
Kaiser-Honige und -Milchcremes: hier.

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