Bienvenue ! Wie schön, dass Sie auf den Seiten meines Blogs gelandet sind. Hier schreibe ich, wie der Sprachberuf, ich bin Dolmetscherin und Übersetzerin, den Alltag verändert. Sogar auf die Nächte wirkt er sich nicht selten aus.
Wenn ich mich entspanne, ist mein Ruhepuls nomalerweise immer, wie er sein soll: Bei 60 Schlägen in der Minute, wie bei einem langsamen Satz von Bach.
Nach dem Dolmetschen ist das anders. Samstagabend stieg ich ohne jeglichen Anflug eines Gedankens an Lampenfieber auf die kleine Bühne im großen Saal des Kinos Arsenal am Potsdamer Platz. Eine Regisseurin und Filmkritiker diskutierten über die Frage "Was kann Kritik, was hat sie verlernt, wofür brauchen wir sie heute?" Ich saß neben Bernard Payen, der heute für die Cinémathèque Française und die Semaine de la Critique in Cannes Programme kuratiert. Nach der Diskussion wurde der Siegfried Kracauer-Preis für Filmkritik vergeben, da dolmetschte ich weiter, auf dass der Gast aus Frankreich sprachlich nicht abgehängt sei. Insgesamt werde ich etwa drei Stunden lang (mit Pausen!) aktiv gewesen sein. (Hier ein Nachtrag: Das Dankeschön des Veranstalters.)
Anschließend wurde gefeiert. Ich war glücklich, mich mal wieder in der Szene aufhalten zu dürfen, in der ich viele Berufsjahre verbracht habe. Um Mitternacht war ich zuhause und hundemüde. Schlafen konnte ich trotzdem nicht. Das Herzchen bummerte. Um zwei Uhr in der früh lag der der Ruhepuls noch bei 100. Ich bin durchschnittlich sportlich und nicht fett ... und fragte mich, was ich tun kann, um wieder runterzukommen.
Also saß ich kurz darauf in der Küche und war auf Facebook unterwegs. Ein Freund aus den USA mutmaßte zu viel Kaffee, das war es nicht, nur das Adrenalin der Dauerkonzentration, er riet zu einem langweiligen Film. Hm, TV habe ich nicht, mein Verhältnis zu Kino ist ein anderes und überhaupt, der Computer strahlt wachmachendes, blaues Licht aus, also wollte ich nur wenig Zeit hier zubringen. "Milch mit Honig" nach einem Wannenbad, rät Kollegin Giselle, ich verhielt mich folgsam. Katjas Vorschlag mit dem Whiskey scheiterte an den unzureichenden Vorräten. Und Jean empfahl Akupressur, dann entstand eine kurze Diskussion, ob sie wirksam ist, wenn man sie bei sich selbst ausführt.
Nein, keine Angst, diese Hinweise kamen nicht alle noch in der Nacht, die Sprachbranche zeichnet sich nicht durchgängig dadurch aus, dass ihre Mitglieder unter Schlaflosigkeit leiden. Zumal die Hinweise ja von Menschen kamen, die das Herumwälzen im Bett erfolgreich bewältigt hatten! Ich habe vorgegriffen.
Kurz vor fünf war ich jedenfalls weiterhin müde, Schlaf stellte sich nur für Sekunden ein. Kurz nach sieben wachte ich auf und hatte auf Englisch geträumt, wie ich Gespräche zwischen Historikern und Diktatoren aus der europäischen und lateinamerikanischen Geschichte verdolmetscht hatte — noch dazu mit schlechten Arbeitsbedingungen, keine Sicht auf die Redner, keine Kopfhörer, nur zu leise eingestellten Lautsprechersound. Dolmetscheralbtraum!
Nach zehn Uhr wachte ich gerädert auf und fand eine schöne Würdigung meiner Arbeit durch eine Berlinaleverantwortliche inmitten der Einschlafmethodendiskussion! Wie schön!
Die Moral von der Geschicht': Ab Mitte Dezember frische ich meine Kenntnisse in Autogenem Training auf, das ist beschlossene Sache. Denn es ist sinnvoll, Entspannungstechniken in ruhigen Phasen zu lernen, damit sie in Stressphasen angewandt werden können.
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Illustration: facebook
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