Dienstag, 26. November 2013

Dumping mit öffentlicher Hilfe?

Will­kom­men beim 1. Web­log aus dem In­ne­ren der Dol­met­scher­ka­bine Deutsch­lands. Hier berichte ich regelmäßig über meine Arbeit. Heute kommentiere ich eine aktuelle Fundsache.

No, we are not amused! Die Übersetzer- und Dolmetschercommunity hat sich in den letzten Tagen hierüber ausgetauscht: Eine GmbH in Köln, die ver­mut­lich im Auf­trag der deutschen Arbeitsverwaltung tätig wird, fördert Lohndumping in einem hochqualifizierten Bereich:

Übersetzer/-in auf 400,00 -Basis für spanisch / deutsche Übersetzungen | Unsere Erwartungen an Sie: Für diverse Übersetzungsarbeiten suchen wir regelmäßig spanisch- und deutschsprechende Aushilfskraft auf 400,00 €-Basis. Neben Übersetzungsarbeiten sollten Sie auch in der Lage sein, einem unserer Mitarbeiter die spanische Sprache zu lehren.

Die Frage ist natürlich, ob die gesuchte Person einen halben Nachmittag in der Woche in dem Unternehmen zubringen soll, womit ihre Leistungen mit 25 Euro die Stunde vergütet werden würden, oder doch vielleicht eher häufiger. Komisch, An­zei­gen wie "Für diverse Rechtsberatungstätigkeiten und für die Betreuung un­se­rer Vertragsabteilung suchen wir eine(n) erfahrene(n) Rechtsanwalt/-anwältin auf 400 Euro-Basis ..." finden sich nirgends. Nur mit unsereinem glaubt man of­fen­bar, es machen zu können.

Wie war das gleich noch? Was ab Januar 2014 zum 450 Euro-Job wird, wurde einst eingeführt, damit Unternehmen kurzfristig auftretende Spitzenauslastung mit un­qua­li­fi­zier­ten Kräften ohne großen Verwaltungsaufwand abfedern können und um Rück­keh­rern in die Arbeitswelt den Wiedereinstieg zu erleichtern. Meistens han­delt es sich dabei um Aushilfstätigkeiten im Versand, Pakete packen vor Weih­nachten zum Beispiel, in Gastronomie und Handel.

Dass diese sozialversicherungsfreie Beschäftigungsmöglichkeit in den letzten Jah­ren zu negativen Aus­wüchsen geführt hat, ist inzwischen sogar im Bun­des­kan­zler­amt an­ge­kom­men. In Newsgroups, über die sich Sprachfachleute austauschen, berichtet eine junge Kollegin sogar davon, dass ihr in noch jüngeren Jahren von einer Agentur einmal ein 400 Euro-Job für 40 Wo­chen­stun­den Arbeit angeboten worden sei.

Diese Art Beschäftigungsverhältnis hat sich in den letzten Jahren nicht nur als Arbeitsplatzvernichtungsmaschine entwickelt, die Altersarmut derjenigen, die sich darauf einlassen (müssen), ist programmiert.

Von Spitzenlastabfederung kann hier keine Rede sein: Bei der ausgeschriebenen Stelle, das ist eindeutig, tritt das Arbeitsaufkommen nicht überraschend und vermutlich auch nicht völlig geballt auf, es handelt sich auch nicht um un­qua­li­fi­zier­te Tätigkeiten. Die zweite oft vorgebrachte Begründung für diese Ver­trags­form, dass eine "geringfügige Beschäftigung" ein "Sprungbrett" zurück in den 1. Arbeitsmarkt bieten solle, hat, sozialwissenschaftlichen Stu­dien zufolge, bislang nur in Aus­nah­me­si­tu­a­tionen funktioniert.

Mich ärgert diese Anzeige sehr; sie beschädigt unseren Berufsstand. Übersetzen, Dolmetschen und Sprachunterricht sind keine "Aushilfsarbeiten". Und dass sich hier der Staat an der Abwertung beteiligt, denn wer weiterklickt, wird über Seiten des Jobcenters weitergeleitet, ärgert mich noch mehr. Passend dazu: "Datenreport 2013 — Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland", kann hier als PDF (12,2 MB) heruntergeladen werden.


P.S.: Last but not least ist es nicht selbstverständlich, dass jemand, der übersetzt oder dolmetscht, auch ein guter Pädagoge ist. 
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Illustration: jobkontakt GmbH, Köln

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hier in Spanien versuchen es auch manchmal sogenannte "Unternehmer" - und die verlangen sogar einen Fachmann mit mehrjährige Erfahrung für diesen Preis, aber sie kommen damit nicht durch …

caro_berlin hat gesagt…

Besser so. Wir müssen lernen, potentiellen Kunden klar und freundlich zu sagen, dass die Dinge ihren Preis haben. Oder aber sie bekommen von dubioser Seite aufgehübschte Machine Translation untergejubelt, alles schon erlebt (was dann bei uns mit der Bitte um Korrekturlesung eingereicht wurde, aber nicht zu verwenden war).