Mittwoch, 20. November 2013

Küchenutensilien

Hallo! Sie le­sen hier ei­ne Sei­­­te des ersten Web­logs aus dem In­neren der Dol­met­scher­ka­bine. Ich schreibe als Dol­met­scherin und Über­setzerin für die fran­zö­sische Spra­che und aus dem Eng­li­schen über un­se­ren Beruf­sall­tag. Eine Liebe zu Spra­chen haben sicher alle von uns schon im Kindesalter entwickelt.

Gestern und heute habe ich mich jeweils verschrieben beim Versuch, einen kurzen Blog­ein­trag zu texten. "Verschrieben" möchte ich hier im Sinne wie "verlaufen" oder "verirrt" verstanden wissen. Das ist eine individuelle Verwendung der Sprache, ich genehmige sie mir, aber ich dränge sie niemandem auf.

Mancher fremde Sprachgebrauch wird einem als Bürger mitten in Europa von den Bildungseinrichtungen aufgedrängt. Auch dann, wenn Begriffe allzusehr nach ei­nem schlechten Kalauer klingen.

Drei Kochlöffel mit Loch darin: LochlöffelRückblende: Marburg an der Lahn, vergangenes Jahr­hun­dert. Im polytechnischen Un­ter­richt der hessischen in­te­grier­ten Ge­samt­schu­le hatten wir Haus­wirt­schafts­un­ter­richt. Ich fand das gut und lehrreich. Mein Cousin in der DDR ging schließ­lich auch auf eine poly­tech­nische Ober­schu­le, und viel über Technik wollte ich auch lernen.

Wenn da nicht die Klassenarbeiten gewesen wären! Die Fragen waren oft an Ein­fäl­tig­keit kaum zu überbieten. Einmal, wir hatten gerade diverse Kü­chen­ge­rät­schaf­ten durchgenommen, sollten wir auf die Frage antworten: "Wie nennt man einen Kochlöffel mit Loch darin?"

Für den Fortgang der Geschichte muss ich jetzt erzählen, dass wir an Grup­pen­ti­schen saßen, dass ich in allen Fächern außer Mathe einigermaßen gute bis gute Noten hatte und dass ich zu denjenigen zählte, die den Ton angaben. Außerdem war ich gerade erst mit 12 Jahren große Schwester geworden, weshalb ich in der Fach­un­ter­richts­stunde vor der Klassenarbeit zu Baby und Mutter ins Krankenhaus durfte.

Aus Gründen, an die ich mich nicht erinnere, verließ die Lehrerin kurz den Klas­sen­raum, ich wurde angestupst, Finger deuteten auf die bewusste Frage. Ich zuckte mit den Achseln und ließ ein als Kalauer gemeintes: "Bestimmt Lochlöffel" fallen.

Wenig später erhielten wir die Klassenarbeiten zurück. Vor unserem Tisch stehend sagte die Lehrerin: "Hier sitzen fünf, die sehr gut aufgepasst haben, denn alle haben die Kochlöffelfrage völlig richtig beantwortet! Alle, bis auf eine ..." Ich wurde trotzdem auch gelobt dass ich nicht abschreiben würde, sei hiermit bewiesen. Die Frage wurde zudem nicht gewertet, denn ich hatte den Stoff ja wegen Ba­by­be­suchs­ur­laubs verpasst. Ja, ich glaube, wir haben manche unserer Lehrer nicht ernstgenommen.

Verwissenschaftlichung von Nicht-Wissenschaftlichem heißt das.

Aber sonst war die Schule toll. Viel besser, als das naturwissenschaftliche Gym­na­si­um in Baden-Württemberg, auf dem ich mich anschließend einige viel zu lange Jahre mit zum Teil rechts­ex­tre­mem Lehrpersonal herumquälen musste. Unser Chemie-Fachleiter, der mich besonders gepiesackt hatte, ließ sich mit Eintritt ins Rentenalter von den Re­pu­bli­ka­nern aufstellen. Mal 'ne Frage: Wurde ihm eigentlich auch aus an­ti­de­mo­kra­ti­schen Gründen die Pension gekürzt, wie es mit den DDR-Funktio­nä­ren und anderen im Staatsapparat tätigen (z.B. Chefdolmetschern) der Fall gewesen ist?

Aber das ist eine ganz andere Geschichte.


P.S.: Mit Bildungsstudien lässt sich noch heute nachweisen, dass in der DDR im Schnitt die besseren Schulen standen, ging es hier doch um den positiven Wett­be­werb, möglichst viele Talente zu entdecken und zu fördern. Im Westen hing/hängt schulischer Erfolg oft vom Nachhilfebudget der Eltern ab; das gräßliche Wort "Se­lek­tion" führte nämlicher Chemiefachleiter täglich ins Feld.
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Foto: C.E.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die Frage kann ich leider auch nicht beantworten, aber sehr süße Geschichte :)
Als chronische Neugierde musste ich jetzt natürlich direkt mal nachgucken, wie so ein Lochlöffel denn nun wirklich heißt - Lochkelle oder Rührlöffel. Aha, muss ich nicht dumm sterben, sehr gut :)

OHE hat gesagt…

Ja wie hieß der Löffel denn nun? Ausgesparter Holzrührer oder mittelpunktfreier Anbrennvermeider?

caro_berlin hat gesagt…

Ganz einfach, hm, offenbar ist die richtige Antwort in der Dramaturgie und der Parallelhandlung untergegangen.

Ich ergänze: "Hier sitzen fünf, die sehr gut aufgepasst haben, denn alle haben die Kochlöffelfrage völlig richtig beantwortet! ..."

Jetzt besser?