Montag, 7. Oktober 2013

Blatt im Wind

Wie Dol­­­­met­­­­scher und Über­­­­setzer ar­bei­ten, ist der brei­­­ten Öf­­­­fent­­­­lich­­­­keit oft nicht ge­­­nau be­­­kannt. Hier schrei­­­be ich da­­­rü­­­ber. Heute: Kostengünstiges Untertiteln.

Noch nicht wieder im Büro, aber schon wieder aktiv: Ich stecke mitten in einer Un­ter­ti­telung. Regisseur Jean-Marie Teno kenne ich vom Internationalen Forum des Jungen Films der Berlinale, er ist zu den Französischen Filmtagen Tübingen-Stutt­gart eingeladen, die mir auch wohlbekannt sind.

Sein Doku­men­tar­film "Ein Blatt im Wind" (une feuille dans le vent) lief schon beim Festival FIDMarseille. Jetzt ist eine deutsche Untertitelung fällig. Der mit­­tel­­lan­ge Film enstand selbstproduziert. Die Untertitelung eines Low-budget-Films (*) er­for­dert genauso viel Geduld und Zeit, Hingabe und Talent wie normale, voll fi­nan­zier­te Untertitelungen auch. Sein Thema, das mich hier also einige Tage lang be­schäf­tigt, hat größtmögliche Sorgfalt verdient. Es ist eine Le­bens­ge­schich­te, ein be­bil­der­tes autobiografisches Interview, das zu Herzen geht.

Protagonistin Ernestine Ouandié wurde als Tochter eines kamerunesischen Wi­der­stands­kämpfers geboren, der 1971 ermordet wurde. Sie hatte eine sehr un­glück­li­che Kindheit und re­flek­tiert das, was ihr widerfahren ist, vor dem Hin­ter­grund der tragischen und brutalen Kolonialzeit. Es geht wieder einmal um trans­ge­ne­ra­tio­nel­le Weitergabe von Traumata.

Heute also die zweite Videokonferenz zum Thema: Die Untertitel sind übertragen, den Film hatte ich immer im Augenwinkel und die Titel sind entsprechend knapp gehalten. Da ich inzwischen nur noch selten untertitele, verfüge ich derzeit über keine pro­fes­sio­nel­le Untertitelungssoftware. Die meisten Regisseure nutzen zum Un­ter­ti­teln ihre Schnittsoftware, so dass sich jetzt die Frage der Umsetzung stellt, denn Jean-Marie kann das Timing nicht selbst machen, sein Deutsch ist nicht gut genug.

Das Interview wurde auf Englisch geführt, die Kommentare sind auf Französisch, das "Spotting" (Festlegung der Zeiten für die Titel) der Interviewteile liegt für fran­zö­si­sche Titel vor, muss aber noch angepasst werden, da die Sprachen un­ter­schied­lich raumgreifend sind. Die Kommentaruntertitel werden völlig neu sein.

Wir müssten uns jetzt auf ein- und dasselbe Open-source-Untertitelungsprogramm ei­ni­gen, das dann professionelle Timecodes auswürfe, die sich wiederum beim Avid, dem Profi-Schnittprogramm, einspielen ließen. Neues Programm bedeutet aber: Finden desselben, einspielen, zum Laufen brin­gen, bedienen lernen, Com­pu­ter­ab­sturz, Inkompatibilitäten, Neustart. Wir versuchen's jetzt erstmal mit dem, was wir bereits nutzen. Hier sieht man uns heute Abend beim Nachdenken, noch etwas ratlos. Fortsetzung folgt.

Ernestine Ouandié, rechts unten, die Protagonistin des Film von Jean-Marie Teno, rechts oben


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Fotomontage: C.E.
(*) Zu den Kosten: Die Arbeitstunde hier ist mit ca.
einem Zehntel einer Dolmetscherstunde vergütet.
Schön, dass Konferenzen diese Filmarbeit kofinanzieren.

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