Gestern feierte eine der Großen des europäischen Komödienkinos ihren 49. Geburtstag, die viele dem Namen nach nicht kennen, was wohl an der für deutsche Zungen/Augen ungewöhnlichen Häufung von Vokalen liegt: Ich spreche von Madame JAOUI, Vorname Agnès. Also: Tusch und Fanfaren und alles Gute zum Geburtstag nachträglich!
In Frankreich wird sie immer in einem Atemzug mit ihrem langjährigen Lebensgefährten Jean-Pierre Bacri genannt, und "Jaoui-Bacri" als Urheberpaar ist für viele Zuschauer eine sichere Aktie; der Besuch des neuen Films kann blind in Angriff genommen werden, gerne mit den Busenfreunden, mit denen das seit Jahren oder Jahrzehnten Tradition ist, ungefähr so, wie sie den neuesten Woody Allen feiern gehen. Freunde in Paris halten das jedenfalls so (und ich mit ihnen, wenn ich dort bin).
Agnès Jaoui (rechts) und ihre Dolmetscherin bei Radio Eins |
Sie erinnert mich an die correspondante aus Schülertagen meiner Mitschülerin Petra, die wir (zusammen mit den anderen Brieffreunden) zuhause besucht haben und sie uns.
In Deutschland erkennen auf der Straße allenfalls Filmkritiker Agnès Jaoui. Dass sie wie eine Mitschülerin, Nachbarin oder eine Frau wirkt, neben der ich am Schultor auf den Patensohnemann warte, ist sicher Teil ihres Erfolgs. Sie wirkt typisch für unsere Zeit ... und arbeitet in ihrer Filmarbeit klug Themen heraus, die uns angehen.
Vor allem aber ist sie, die Beginn der achtziger Jahre als Schauspielerin mit der Filmarbeit begonnen hat, eine begnadete Plotterin und Dialogautorin, immer zusammen mit Bacri. Seit 2000 sind beide in vier gemeinsam verantworteten Filmen zu sehen, auch das eine Parallele zu W. Allen, der ja (fast) immer auch in seinen Werken auftritt.
Themen wie Fremdheit, Ausgrenzung und natürlich Paarfindung werden auf intelligente Weise interpretiert, aufs Schönste schräg verschraubt und mit ebenso klugen wie witzigen Dialogen versehen. Das Wort "Komödie", das ja in Deutschland durch den Mainstream-Komödienstadl im Kino (muxmäuschenstille Ohrenhasen und so) Schaden genommen hat, bekommt hier einen neuen Klang.
In ihrem neuen Film "Unter dem Regenbogen", der letzte Woche in Deutschland angelaufen ist, wird die Suche nach dem Märchenprinzen spielerisch variiert. Dabei hätte sie sich nicht gescheut, auch die narrativen Codes von Märchen-, Trash- und Liebesfilmen zu verwenden, ja mit ihnen zu spielen, erzählte sie im Interview von Knut Elsterman (Radio Eins).
Ein Gesprächsmoment hat mich besonders überrascht. Mit Bacri, mit dem sie zwischen 1987 und 2012 zusammen war, verbinde sie ein festes Arbeitsritual. Jeder arbeite für sich selbst, ausschließlich zwischen drei Uhr nachmittags und sieben Uhr abends hätten sie einander das Recht eingeräumt, über Filmprojekte zu sprechen. Außerdem arbeiten die beiden noch analog mit Füller und Heft; das Computerzeitalter ist beim berühmten Filmpaar Jaoui-Bacri noch nicht ausgebrochen.
P.S.: Die beiden gehen zwar privat getrennte Wege, arbeiten aber weiter zusammen. Super! Weitere rituelle Kinobesuche im Freundeskreis sind gesichert!
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Foto: Carola Schaffrath (Merci beaucoup !)
1 Kommentar:
Ihr seht beide aus, als hättet Ihr Euch seit der Schulzeit kaum verändert! Auf jeden Fall ein lustiger, gut geschriebener Beitrag.
Danke, Ben
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