Montag, 29. Juli 2013

Kiezspaziergangs- und Filmlink

Hallo beim ersten Web­log Deutsch­lands aus dem In­ne­ren der Dol­met­scher­ka­bi­ne. In der Ur­laubs­zeit ge­ra­ten die Ka­te­go­rien mei­nes Blogs ein we­nig durch­ein­an­der. Daher heute ganz rasch etwas, das sonst samstags kommt, der "Link der Woche". Dieser Link kommt doppelt, einer für die Berliner, der zweite für alle.

Kaufhaus am Hermannplatz
Hermannplatz, 1936
Regelmäßig zeige ich Freun­den meinen Kiez. Neulich habe ich sogar einen Be­kann­ten, der professionelle Stadt­führungen anbietet, er­setzen dürfen. Mein Wissen kann ich jetzt um die jüdische Ge­schich­te meines Viertels vor Machtergreifung des öster­reich­i­schen Brüllheinis ergänzen, denn ...

Die Humboldt-Universität lädt in einem digitalen Audiorundgang dazu ein, sich entlang einzelner Stationen auf den historischen Spuren jü­di­schen Lebens in Neukölln zwischen Verfolgung und Selbstbehauptung zu bewegen. Erfahren Sie in einem anderthalbstündigen Spaziergang mehr über die Geschichte einzelner jüdischer Unternehmen, die hier bis Ende der 1930er Jahre existierten. Die Hörführung kann als MP3 kosten­los unter http://www.geschichte.hu-berlin.de/bereiche-und-lehrstuehle/dtge-20jhd/forschung/laufende-forschungsprojekte/media/audiodateien-hoerfuehrung heruntergeladen werden.
Kiezplan zwischen Kottbusser Damm und HermannplatzHier noch der Downloadlink zum Flyer der Führung. (Dem Flyer sind auch die Illustrationen entnommen.)

Jetzt zum hochaktuellen 2. Thema, ein Arte-Link, der Film ist leider nur noch bis Dienstagabend bei Arte+7 online zu sehen: Die "Die Akte Alu" (auf Deutsch) bzw. Planète Alu (en français). Aluminium steht im Verdacht, viele Krankheiten auszulösen, darunter Krebs und Alzheimer. Als Dolmetscherin habe ich davon schon sukzessive in den letzten sechs, sieben Jahren gehört, hier also alles zusammengefasst und untermauert. Absolut sehenswert (wenngleich auch ziemlich deprimierend)!

P.S.: Der morgige Eintrag entfällt. 
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Illustrationen:
Hermannplatz (1936), Museum Neukölln
Kiezplan, HU

Sonntag, 28. Juli 2013

Tropischer Hauptstadtsommer

Bon­jour, hel­lo und sa­lut ... auf den Sei­ten die­ses Blogs. Hier schreibt (im Som­mer nur drei­mal in der Woche, sonst öfter) eine Dol­met­scher­in und Über­setzerin über ihren All­tag in Ber­lin. Zeit für ein Sonn­tag­sbild!

Seit dem Jahr der Fußball-WM, und ich vergesse hier absichtlich einige deutlich zu nasse und kalte Einzelmonate der Jahre 2011 und '12, weiß Berlin, was ein rich­ti­ger Sommer ist. 2003 war es auch schon so bombastisch (für viele Menschen und die Natur sogar deutlich zu heiß). Und seit vor sechs Jahren mit Beginn der WM auch eine wunderbare Gelassenheit, eine gastliche Stimmung sowie Phä­no­me­ne wie public viewing auf den Plan traten, gibt es in diesen Sommertagen in Berlin viele, die südliche Lebensweisen pflegen.

"Mir fällt auf, dass die Menschen morgens auf dem Weg zur Arbeit schon ein ge­müt­lich­e­res Tempo draufhaben als sonst", sagt auch Kollege Ansgar, der wie ich derzeit in der Haupstadt ist. Als hätten sie sich verabredet, sich nur nicht aus­zu­powern, nur nicht unnötig zu schwitzen und mittags es am liebsten den Spaniern nachzutun (also bevor denen wg. Finanzkrise neulich die Siesta verboten wurde).

Es gibt Leute, die das heiße Wetter beklagen, da es ihnen übel auf den Kreis­lauf schlägt. Und dann sind da die anderen, die einander mit Ver­schwö­rer­mie­ne ansehen. Sie kennen und schätzen heißes Wetter und süd­eu­ro­pä­isches Flair. Sie sind stille Genießer, denen es mitunter auch zu heiß wird, die dann eben auf dem Balkon schlafen (so sie einen haben), die einen Fächer verwenden (also eher Ver­tre­ter der Damenwelt) und die in den Morgenstunden gründlich querlüften ... und die Hitze tags mit Jalousien oder weißen Vorhänge aussperren.

Meine Tipps für die Nächte in der Sommerhitze: Mit kühlem Wasser gefüllte Wärm­flasche, die zum Ganzjahresaccessoire mutiert ... und, wenn's arg kommt, ein feuchtes Bettlaken vor das Fenster hängen. Ach ja, und ich gehe auch im Hoch­sommer gerne in die Sauna. Das trainiert den Körper.

Sonnenschutz fürs Fenster, hier eine Markise und ein alter Vorhang,
und dann  v i e l   trinken ...
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Foto: C.E.

Freitag, 26. Juli 2013

Altchinesisch bis Zuñi

Som­mer­zeit ist Urlaubs­zeit, trotz­dem ist das Bü­ro für un­se­re Kun­den be­setzt. Sie lesen hier Deutsch­lands erstes Blog aus dem In­ne­ren der Dol­met­scher­ka­bine.

Großes Gelächter! Im Nachgang zum gestrigen Beitrag habe ich auf den ein­schlä­gi­gen Seiten noch nachgeschaut, wie sich denn diese |Agentur| Allrounder-Firma aus Indien dort präsentiert. Unter "Sprachen, in denen diese Firma Geschäfte ab­wickelt" stehen so wunderbare Idiome wie die altfranzösische Sprache, ein Begriff, der die Sprachen zusammenfasst, die im nördlichen Teil Frankreichs sowie in an­gren­zen­den Gebieten vom 9. bis etwa zum Ende des 14. Jahrhunderts ge­spro­chen wurden.

Hm, ich habe hier ein schmales Dokument von 20.000 Anschlägen auf Alt­fran­zö­sisch vorliegen, das gilt es, ins Altpersische zu übersetzen. Hallo Bangalore, geht das bis heute Abend? Für 'nen Hunni?

Achinese, ... Artificial (Other), ... Breton, ... Celtic (Other), ... Dutch Middle (ca.1050-1350), ... Egyptian (Ancient), ... English Middle (ca.1100-1500), English Old (ca.450-1100), ... French Middle (ca.1400-1600), French Old (842-ca.1400), Frisian, ... German Middle High (ca.1050-1500), German Old High (ca.750-1050), ... Gothic, ... Indo-European(Other), ... Irish Middle (900-1200), Irish Old (to 900), ... Latin, ... PersianOld (ca. 600-400B.C.), ... ProvencalOld (to1500), ... Volapük, ... Zuni ... und alle auch heute noch bekannte Weltsprachen

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Illustration von einer Seite, auf der Sprachjobs "ver-
tickt" werden (für größere Darstellung anklicken).

Donnerstag, 25. Juli 2013

Outsourcing

Willkommen beim ersten Weblog Deutsch­lands aus dem In­neren der Dol­met­scher­ka­bine. Im Som­­mer­ ist das Bü­­ro be­­setzt. Heute: Blick in den Brief­kasten.

Der Sommer treibt merkwürdige Blüten. Und Outsourcing von Arbeit ist jetzt auch bei Übersetzern angekommen. Merkwürdige Gebrauchsanleitungen von kleinen Ver­brauchs­gü­tern haben das ja schon lange nahegelegt, die sind oft kaum ver­ständ­lich und der Anteil der korrekt übersetzten Begriffe gering.

Jetzt betrifft das Problem auch schwere Agrarmaschinen. Da viele Kollegen derzeit im Urlaub sind, scheinen manche Billigheimer großes Muffensausen bekommen zu haben. Auch meine Büropräsenz ist derzeit höchst virtuell, aber bei Bedarf helfen wir weiter. Daher landete jetzt eine Sammelmail bei mir im Briefkasten, genauer: am Dienstag, dem 23. Juli, abends um kurz vor sechs, eine Übersetzungsanfrage mit Liefertermin 25. Juli, 8.00 Uhr morgens.

Das wäre ein klarer Fall für einen Eilzuschlag. Denn der Umfang, 1312 Wörter, ist schon für eine "normale" Übersetzung stattlich, nämlich mehr als die Hälfte eines durchschnittlichen Tagesprogramms, einen durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad vorausgesetzt. (Hier rechnen wir Pi mal Daumen mit 2500 Wörtern.)
 
Technische Übersetzungen brauchen mehr Zeit und Vorkenntnisse. Fehlt die Spe­zi­a­li­sie­rung, wird die Arbeit mehr Zeit kosten. Dieser Mehraufwand würde bei mir die Rechnungssumme erhöhen. Es ist ja nicht mein Risiko, dass offenbar eine Agen­tur einen fest terminierten Auftrag angenommen hat und dass ihr an­schlie­ßend auffiel, dass die Fachübersetzer im Urlaub sind. Ich nenne das einen Ma­nage­ment­feh­ler. Die Agentur müsste hier auf einen Teil der Marge verzichten oder sogar draufzahlen, weil sie z.B. auch im Hochsommer ihren Stammkunden halten will.

Der Blick ins Dokument bestätigt meine kühnsten Befürchtungen. Es geht um viele technische Details, die nur absolut sicher in den Griff zu kriegen sind, wenn ich zuvor Zeit hatte, mir auf einer Landwirtschaftsmesse Prospekte und Datenblätter deutscher Hersteller zu besorgen. Fachübersetzer (und -dol­met­scher) arbeiten so. In meiner Materialsammlung befinden sich z.B. etliche eng­lische, französische und deutsche Informationen über digitale Kinoprojektoren.

Dann betrachte ich die Illustrationen. Au weia. Da hat jemand aber große Angst vor der Konkurrenz gehabt: Anstelle der Fotos sind hier nur graue Flächen mit "Pfeilen" wiedergegeben, die in der grauen Masse enden. Ich könnte also nicht mal meinen Lieblingsagrartechniker fragen, sofern ich einen hätte. (Im Filmbereich arbeite ich so.)

Hier ein gebasteltes Beispiel:
ELEMENTS D'ALIMENTATION CONDUITES ENTRE LE TRACTEUR ET LA MACHINE ET PICTOGRAMMES DE SÉCURITÉ  (1) Boîtier ou poignée de commande en cabine (2) Jauge à tube extérieur (3) Conduites hydraulique pour connection au double effet du tracteur (4) Soupape de sécurité 12 bars (5) Poignée de commande en cabine ou boîtier si option électro-distributeur hydraulique (6) Conduite hydraulique pour connection au simple effet du tracteur (7) Emplacement prise du câble électrique d'éclairage (8) Emplacement prise du faisceau électrique de connexion au boîtier de commande en cabine (9) Régulation débitmètrique avec capteur de vitesse, vanne de régulation et débitmètre (10) Relevage hydraulique avec suspension sur boule d’azote (11) Sélecteur de circuit (12) Réglage du pulvérisateur lors des mesures (13) Catadioptres rouge  (14) Panneaux d'avertissement
Begriffe und Bildbeispiel wurden wild aus den 1312 Wörtern zusammengeschustert
Basteln musste ich deshalb, weil ich ja keine Betriebsgeheimnisse veröffentlichen will und darf. Aber ich lese eindeutig Wörter wie "Sicherheits'tasse' (?) 12 Bar" (soupape de sécurité 12 bars), "Stickstoff" (azote), "Warntafel" (tableau d'aver­tis­se­ment), "elektrisches Leitungsbündel" (faisceau électrique) ... Au weia. Hier können sich Verbalimprovisationen schlimmstenfalls lebensbedrohlich auswirken.

Aber das ist noch nicht alles, ich nähere mich langsam der Pointe des Auftrags, den ich in der Einleitung angedeutet habe. Die Anfrage kam nämlich ... von einer Agentur, die alles macht: Lokalisierung, Webseitenbau, Übersetzen, Dolmetschen, Schulung, Grafikdesign. Wer weiß, ob der Endkunde diese Firma direkt kon­tak­tiert hat oder ob die nur Sub-Sub-Unternehmer sind.

Name und Schriftzug wirken nicht vertrauenserweckend. (Hab's leicht verändert, aber der "Stil" ist gewahrt.)
Auch die "Logline" der Firma klingt wie eine Bedrohung: "Ihr Job ist unser Ge­schäft". Die Agentur ist übrigens in Indien beheimatet. Das Kalkül: Dort lässt sich billiger leben, die Übersetzer kommen mit weniger aus. Nur sind derzeit offenbar die vielen indischen Fachübersetzer für Agrartechnik mit der Sprachkombination Französisch und Deutsch auf Muttersprachniveau in Urlaub!

Zum Schluss hier die Anfrage, aus der die großzügige Honorarhöhe hervorgeht:
We have 4 projects for Translation from French into German. / Total WC : 1312 / Client Budget for this particular project : 66 Euros / If you can take care of it, Please contact us asap. / You can contact us at any of the folioing ids ...
asap — as soon as possible
Jetzt kümmere ich mich asap um meine folioing (*) tasks.

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Illustrationen bearbeitet von C.E.
(*) siehe Mailcorpus

Dienstag, 23. Juli 2013

Berufsprägung

Bon­jour ! Be­wusst oder zu­fäl­lig ha­ben Sie ein di­gi­ta­les Arbeits­ta­ge­buch aus der Welt der Spra­chen an­ge­klickt (oder abon­niert). Hier be­richte ich fast täg­lich da­rü­ber, was den Be­ruf Dol­met­scher und Über­setzer aus­macht ... berichte aber auch, was er mit uns macht.

The medium is the message
DolmetscherpultMittagessen mit Kunden. Nach langen Tagen, in denen wir um ein Fachthema ge­kreist sind, ist plötzlich die Dol­met­scherin und ihre Arbeit Gegenstand des Ge­sprächs. Also werde ich befragt, wie wir arbeiten, uns vorbereiten und warum ich mir ständig so viel auf­schrei­be. (Ich muss alleine antworten, die Kollegin ist schon zuhause beim kran­ken Kinde.)

Dolmetschtermine bereiten wir nicht nur aufwändig vor, wir bereiten sie auch nach. Denn nach dem Einsatz ist immer auch vor dem Einsatz. Und manches, das in Zeitungsartikeln auf eine bestimmte Art zu lesen steht, wird in Fachgesprächen ganz anders ausgedrückt. Daher studieren wir unsere "Kunden" auch immer ein wenig. Am Ende sollen ja die Kunden und ihre Gesprächspartner "aus dem Dol­met­scher sprechen". So bekommt das berühmte Zitat von Marshall McLuhan über "das Medium" (siehe oben) eine ganz andere Bedeutung.

Gestatten, Wortjongleuse!
Wer beruflich mit Wörtern zu tun hat, muss sie gut kennen. Auch das Jonglieren muss uns leicht von der Hand gehen. Eine gewisse Akrobatik ist immer mit dabei, das gebe ich zu, wenn wir Inhalte so schnell wie möglich in die andere Sprache und oft auch in den anderen Kulturkreis rüberwuppen.
 
Beispiel Neukölln: Stadtteilmütter aus dem Kiez treffen sich mit Müttern aus fran­zö­sischen Vororten und diskutieren die Themen Schule, Erziehung, Rolle der Re­li­gion. Bei meinen Verdolmetschungen lasse ich immer auch Hintergrundwissen mit einfließen, kleine einordnende Nebensätze, um Unterschiede zu ver­deut­lichen. Zum Glück sitze ich mittendrin und meine Rednerinnen machen immer wieder mal wieder kurze Pausen.

Täglich Yoga, zweitägig Sprachkontakt, wöchentlich Sport
Wie ich das denn aushalten würde, fragen mich die Kunden bei Tisch. Nichts ein­facher als das: In der Regel arbeiten wir zu zweit, wechseln uns spätestens alle halbe Stunde ab. Ansonsten ordne ich meinen Lebensstil dem Beruf unter. Ich habe einige Entspannungstechniken erlernt, übe täglich, muss spätestens alle zwei Tage Kontakt mit meinen jeweils anderen Sprachen haben und treibe mindestens einmal in der Woche Sport (wenn nicht gerade ein Bänderriss oder derlei ...).

Selbstdisziplin und Selbstorganisation erfordert dieser Beruf, der kein "Job" ist, in hohem Maße. Was ich beruflich an den Tag lege, fehlt mir dann leider auch mal privat in diesen Bereichen, die Energie ist halt begrenzt.

Regelmäßig Gesundes, selten Alkohol, nie Tabak
Dolmetschen gilt als eine der stressigsten Berufsaufgaben der Welt. Dass sich das in einer bewussten Lebensführung niederschlägt, wird einleuchten. Eines meiner Hobbies: schlafen. Ansonsten geht es darum, mit den eigenen Kräften zu haus­hal­ten, sich gesund zu ernähren und von Drogen fernzuhalten.

Das heißt jetzt nicht automatisch, dass alle Dolmetscher automatisch Nichtraucher wären, aber meinen unmaßgeblichen Beobachtungen zufolge sicher ein höherer Pro­zentsatz als in anderen Berufen. Würde ich rauchen, meine ohnehin schon tiefe Stimme ginge wohl noch mehr auf Tauchkurs. Das kann ich allerdings meinen Zu­hö­rern nicht zumuten.

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Foto: C.E.

Sonntag, 21. Juli 2013

Fischladendeutsch

Bon­jour auf den Seiten mei­nes vir­tu­ellen Ar­beits­ta­ge­buchs aus dem In­ne­ren der Dol­met­scher­ka­bine. Hier schrei­­­be ich da­rü­ber, was der Sprach­be­ruf mit un­ser­ei­nem so macht. Wer regelmäßig neben dem Dolmetschen auch Drehbücher über­setzt, hat gelernt, dem Volk aufs Maul zu schauen, sogar in der Urlaubszeit.
(Das Büro ist aber besetzt.)


Im Fischladen. Der Verkäufer aus Norddeutschland: "Die Gambas gibt's jetzt auch easy peel, wie das auf Neudeutsch heißt. Also der Rücken ist geschlitzt und der Darm ist gezogen. Einfach nur waschen und fertig, das ist 'ne wunnerbare Sachää!"


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Foto: C.E.

Donnerstag, 18. Juli 2013

Weißabgleich

Hallo, will­kom­men, lie­be Le­­se­rin/lie­ber Le­­ser auf mei­nen Blog­­sei­ten. Hier schrei­­be ich über die Ar­­beit­s­welt der Kon­­fe­r­enz­­dol­­met­scher und Über­setzer. Rück­blick auf einen Arbeitseinsatz im Juni.

faire le blanc - "das Weiß machen"
Kurz vor dem Einrichten des Interviews muss der Kameramann nochmal weg. In der Kameraausleihe bekam er fälsch­li­cher­wei­se zum richtigen Stativ (le pied) die falsche Schnellspannplatte (la se­melle). Wenigstens brauchen wir kein kleines Kameralicht (la mandarine), denn wir haben Zusatzlicht (lumière ad­di­tion­nelle). Das wird möglicherweise mit Filtern aus Folie (des gélatines) an die gewünschte Filmsituation angepasst.

Die Regie fragt, warum der Kameramann verschwunden ist. Als Dolmetscherin antworte ich wie aus der Pistole ge­schos­sen. Kaum ist der Kameramann wieder da, folgt der Weißabgleich (faire le blanc).

Dieses Procedere, siehe Foto, ist schnell erklärt. Die für die Kamera an jedem Ort unterschiedliche Farbpalette ergibt sich ausgehend von einem als reines Weiß definierten Farbwert. Dann trinke ich einen Schluck, sortiere im Geiste nochmal die Fragen, und schon geht's los.


P.S.: Dieses Fachvokabular steht so dicht, wie es in meinem Kopf wohnt, in keinem Wörterbuch. Ich habe jahrelang am Set gesammelt, notiert, Listen geschrieben und gepaukt. Ähnliches gilt für die Bereiche Politik, Bildung und Soziales, Migration und Integration, Kulturwirtschaft, Berlin und DDR, deutsch-französische Be­zie­hun­gen und einige Bereiche mehr ...
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Foto: C.E.

Dienstag, 16. Juli 2013

Ungeduld vs. Neugierde

Som­mer­zeit ist Urlaubs­zeit, trotz­dem ist das Bü­ro für un­se­re Kun­den be­setzt. Was Sie hier le­sen, Deutsch­lands erstes Blog aus dem In­ne­ren der Dol­met­scher­ka­bine, folgt indes ei­nem neuen Rhyth­mus: neue Einträge jetzt nur dienstags, don­ners­tags und sonntags. Manche sind nicht einmal selbergeschrieben. Heute: Blick in den Briefkasten. Die Absenderin der Mail studiert an einem der re­nom­mier­testen In­sti­tu­te für Übersetzer- und Dolmetscherausbildung Deutschlands.

Guten Tag Frau Elias,

ich verfolge nun schon seit einiger Zeit begeistert Ihren Blog. Für mich als Stu­dentin am FTSK Germersheim ist es schön, auch außerhalb des regulären Un­ter­richts­stoffs in den Dolmetschalltag "reinschnuppern" zu können.

Ich hätte allerdings eine kleine Bitte an Sie: Seit einiger Zeit fällt mir immer mehr auf, dass das Antizipieren in der Kabine offenbar dazu beiträgt, dass Dol­metschstudenten im Laufe ihres Studiums immer größere Schwierigkeiten haben, Fragen nicht schon mitten im Satz zu unterbrechen und zu antworten, weil sie das Ende bereits zu kennen scheinen. Eine Angewohnheit, die für Nicht-Dol­met­scher wie mich unter Umständen sehr irritierend sein kann ...

Kennen Sie dieses Phänomen? Ist es Ihnen auch bereits an sich aufgefallen? Und wäre es möglich, dass Sie einen kurzen Artikel über Ihre diesbezüglichen Be­ob­achtungen schreiben?

Vielen Dank schon im Voraus!
Mit freundlichen Grüßen,
Yasmin

Der Leser liest "Über die Kunst seinen Chef anzusprechen und
ihn um eine Gehaltserhöhung zu bitten" von Georges Perec
Liebe Yasmin, das ist her­vor­ra­gend beobachtet. Und ich habe das Gefühl, als würden Sie mir hier einen Spiegel vorhalten. Kurz: Ich bin pein­lich berührt, erkenne mich selbst in Ihren Zeilen wie­der. Oh (un)heilige Ungeduld! Wie oft habe ich mich über sie (bzw. über mich) schon ge­är­gert!
Und ich muss leider zugeben: Das wird mit den Jahren nicht besser.

Sie beschreiben etwas, das sehr unhöflich ist, einen Gesprächskiller, durch den der/die Dolmetscher/in zudem  wie ein arroganter Klugsch... wirkt (die weibliche Form spare ich zugunsten der Satzstruktur jetzt mal).

Es gibt ein Parallelmoment, z.B. bei einem Sektempfang sich die Beine in den Bauch zu stehen und das ungute Moment zu verspüren, im Grunde schon alles zu wissen. Da versagen manchmal die Fragen in Gegenwart der Zeitgenossen. Der Mensch trocknet aus wie eine Quelle.

Natürlich handelt es sich hier um einen Irrtum. Ich übe regelmäßig Zuhören. Das habe ich einst als Journalistin gelernt. Dabei erkenne ich beim Gegenüber oft deut­lich ein Muster — und versuche ganz bewusst, es durch gezielte Fragen ge­mein­sam zu ver­las­sen. Ich liebe dieses Moment, denn es kommen immer wieder völlig un­ge­wohn­te Einsichten und Anekdoten zutage, die mich dann tagelang beschwingen können.

Also: Als "Medizin" für den beschriebenen Weiterdenkimpuls hilft durchaus, als Quer­denker Fragen zu stellen und Überraschungen zu suchen. Dabei ganz bewusst wieder neugierig zu werden auf die Mitmenschen. Dann hört das mit dem Ins-Wort-Fallen auch rasch wieder auf.


P.S.: Und Danke für die schöne Leserrückmeldung! ______________________________
Foto: C.E. Aufruf! Zur Plakatgestaltung in
Mosaiktechnik suche ich Leserfotos!

Sonntag, 14. Juli 2013

Merci beaucoup IX

Hallo, ich hei­ße Sie als Le­se­rin/Le­ser auf meinen Blog­seiten willkommen. Hier schrei­be ich über die Ar­beits­welt der Kon­fe­renz­dol­met­scher und Über­setzer. Manch­mal brau­che ich al­ler­dings nicht selbst zu texten ... Hier eine ak­tu­el­le Dank­sa­gung des Vereins Pen Paper Peace.

Doppelportrait
Alissa Jung und Caroline Elias
Wir wollten die haitianische Botschaft für unsere Po­di­ums­dis­kus­sion gewinnen, genauso wie in Berlin lebende Haitianer für das Publikum. Beide haben gerne zugesagt — zu Alissa Jungs Lesung aus Yanick Lahens Buch "Und plötzlich tut sich der Boden auf". Die große Her­aus­for­de­rung: Wie vermögen wir die sprachlichen Barrieren des Abends abbauen? 

Ohne Verdolmetschung? Unmöglich! Sogleich starteten wir einen Aufruf, in­ner­halb kürzester Zeit ehrenamtliche Un­ter­stüt­zung dank einer professionellen DolmetscherIn finden. Caroline Elias war sofort bereit, zu helfen.

Mehr noch: Sie bereitete sich ausgiebig im Vorfeld der Ver­anstaltung vor, tauschte sich aktiv mit uns über die Inhalte der Lesung aus und ging sehr offen, charmant, geradezu strahlend auf die Bot­schafts­ver­tre­ter­Innen, das Publikum und alle Organisatoren zu. Alle Anwesenden konnten ak­tiv teilnehmen dank Carolines an­ge­nehmer, intelligenter Sprach- und Kul­tur­ver­mitt­lung. 
Wir sind sehr glücklich darüber, Caroline für uns gewonnen zu haben und überaus dankbar für ihre ausgezeichnete, unentbehrliche, einfach großartige Leistung!

Alissa Jung, Mitinitiatorin "Schulen für Haiti" und Vorstandsmitglied von Pen Paper Peace e.V. Claudia Gersdorf, Projekt- und Kampagnenkoordinatorin von Pen Paper Peace e.V.

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Foto: Manfred Schweiker

Samstag, 13. Juli 2013

Schulen für Haiti

Will­­­kom­­­men auf den Blog­­­sei­­­ten ei­ner Dol­­­met­­­scher­in. Neu­­lich durf­te ich bei ei­ner Be­­­ne­­­fiz­­­ver­­­an­­­stal­­­tung für Haiti le­sen und dol­metschen. Wer steckte hin­ter der Le­sung? Die Ve­ran­stal­ter stel­len sich vor.

Haitianische Schulkinder mit bunten T-Shirts des Projekts
Alissa Jung und Janin Rein­hardt initiierten die Kampagne "Schulen für Haiti" bereits vor dem zerstörerischen Erd­be­ben. 2011 gründeten sie ge­mein­sam mit Freunden den Verein PEN PAPER PEACE mit Sitz in Berlin, um den Wie­der­auf­bau zu un­ter­stützen.

Besonders das Thema Bildung haitianischer Kinder steht im Mittelpunkt der Ver­eins­arbeit von PEN PAPER PEACE. Mit Stift und Papier verbessern wir die Lebens­situation von Menschen. Im Rahmen unserer aktuellen Kampagne "Schulen für Haiti" finanzieren wir zwei Schulen in den Slums von Port-au-Prince. Wir bieten vor Ort 500 haitianischen Kindern regelmäßigen Unterricht, warme Mahlzeiten, me­di­zi­ni­sche Versorgung und eine verlässliche Anlaufstelle.

Die während des Erdbebens zerstörten Schulen sollen nun erdbebensicher wieder aufgebaut werden. Inzwischen wurden zwei Grundstücke gefunden und erworben. Der Bau von Umgrenzungsmauern hat begonnen. 


Schulen für Haiti richtet sich auch an deutsche Schüler, die gemeinsam mit uns die haitianischen Schüler durch eigene kreative Aktionen und Ideen unterstützen. Auch Spendeneingänge können wir von Schulen aus ganz Deutschland verzeichnen und so die Finanzierung des Wiederaufbaus in Haiti unterfüttern.

PEN PAPER PEACE schärft zudem das Bewusstsein und fördert das Engagement deut­scher Schüler — Voraussetzung für Eigenverantwortung und Perspektiven in Deutschland wie in Haiti.

Sie können helfen! Mit Ihrer Spende sichern Sie Bau & Unterhalt zweier Schulen, die durch unsere Kampagne "Schulen für Haiti"  finanziert werden: PEN PAPER PEACE e.V., Kontonummer 1126113400 bei der GLS Gemeinschaftsbank, BLZ 43060967

CHARITY-SMS an 81190. Mit dem Stichwort "Schulen für Haiti" werden auf Ihrer Te­le­fon­rechnung 5 Euro abgebucht: 4,83 € gehen direkt an Schulen für Haiti, 0,17 € sind Verwaltungskosten des Anbieters, zzgl. Kosten der SMS (je Handy­ver­trag).

Kontakt: Claudia Gersdorf, Kampagnen- und Projektkoordinatorin, +49 (0)30 2844 99 79
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Foto und Text: Pen Paper Peace
bzw. Schulen für Haiti

Donnerstag, 11. Juli 2013

dünnhäutig

Hallo, hier bloggt eine Über­setzerin und Dol­met­scherin. Eine sehr aktive Som­mer­pau­se ist das, was ich gerade erlebe. Eigentlich sollte es heute mit Haiti weitergehen, aber mir fehlen Zeit und klarer Geist zum ernsthaften Kor­rek­tur­le­sen des fertigen Texts, denn ein Last-minute-Auftrag beschäftigt das Som­mer­team gerade rund um die Uhr. Also folgt heute nur eine kurze Pausennotiz.

Jazz-Sendung im Radio, ge­nau­er: beim Deutschlandfunk. Die Sendung JazzFacts wandelt unter dem Titel Scènes de rue auf den Spuren Kurt Weills. Karl Lippegaus stellt den fran­zö­si­schen Pianisten François Chesnel vor.
Wunderbar einfallsreiche In­ter­pre­ta­tionen von Stücken aus der Dreigroschenoper wer­den gebracht, die gehört übrigens zur Lieblingsmusik des weltbesten Patensohns, der den Kanonensong schon als Erstklässler aus Leibeskräften schmettern konnte. (Was für ein Bild zum martialischen Text!)

François Chesnel wird zu seinen Interpretationen interviewt. Er nennt weitere Vorbilder und beschreibt, dass ihn bei Tom Waits stets dessen côté écorché vif besonders angerührt habe. Der Musikkritiker macht "wie lebendig erdrosselt" daraus.

Hier hat die oft so bildreiche fran­zö­si­sche Sprache jemandem, der vermutlich mindestens über gutes Schulfranzösisch verfügt, einen Streich gespielt. Dieses écorché vif gehört zu den stehenden Redewendungen, und meint über­sen­si­bel, hoch­empfind­lich, zartbesaitet oder dünnhäutig.

Nein, ich bin nicht dünnhäutig, nur weil ich das hier notiere. Ich schreibe es in Verbindung mit der kurzen Empfehlung, das Gespür für das eigene Wissen und den Moment zu schärfen, in dem es sich lohnt, die lie­ben Mitmenschen um Rat zu fragen. Wissen ist wunderbar. Nichtwissen ist menschlich und auch phantastisch, kann es doch Erkenntnis bringen.

Danke, liebe Radiomacher für den Hörtipp, das Chesnel-Album "The Kurt Weill Project" werden wir uns besorgen! Und ich bleibe noch kurz beim Sender für eine zweite musikalische Notiz, als Programmtipp diesmal. Am Wochenende (in den Nächten auf Samstag und Sonntag) bringt das Deutschlandradio eine "lange Chan­son­nacht" über Léo Ferré, überschrieben mit "In der harten Faust die Liebe". Ferré gehört zur Generation von Brassens und Barbara, Aznavour, Gréco und Montand. Auch seine Anfänge gehen auf die Jazzkeller der rive gauche in den Nach­kriegs­jah­ren zurück.

So, auf zur Spätschicht! Das wird eine kurze Nacht.

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Illustrationen: Deutschlandradio

Mittwoch, 10. Juli 2013

Lesung für Haiti

Gu­ten Tag oder gu­ten Abend! Zu­fäl­lig oder ab­sicht­lich ha­ben Sie ei­ne Sei­te mei­nes di­gi­ta­len Arbeits­ta­ge­buchs auf­ge­schla­gen. Hier den­ke ich über Berufs­all­tag nach, über die Welt der Kon­fe­renz­dol­met­scher und Über­setzer. Diese Woche: Rückblick auf einen Junitermin.

Diskussion nach der Lesung. Hinter den Rednern zu sitzen,
bedeutet ohne Blick aufs Mundbild zu arbeiten
.
Spontan nach einem In­ter­view, das es zu führen und zu übertragen galt, noch eine Publikumsveranstaltung an­zu­neh­men, das machen ver­mut­lich nicht viele Dol­met­scher. Für micra war es neulich eine Ehrensache. Erstens weil et­li­che infragekommende Kol­le­gin­nen keine Zeit hatten oder zum Teil gar nicht in Berlin waren.

Zwei­tens weil es für die gute Sache war. Drittens musste ich nur einmal kurz über'n Damm laufen, um von einem "Austragungsort" zum anderen zu gelangen.

Im Haus des ZDF in Mitte war zunächst ein berühmter Film­schaf­fender zu ver­dol­met­schen, ich saß als visueller Konterpart in der Sichtachse und formulierte die Fragen empfängergerecht, nahm ein wenig vom Erstaunen des fran­zö­sisch­spra­chigen Fragenden weg und fügte einige Nuancen und Nebensätze ein. Das darf ich hier — und auch nur hier! — , da ich dem Regisseur seit etlichen Jahren gut be­kannt bin und daher nicht nur dolmetsche. Ich bin als Interviewerin am Film be­tei­ligt, führe auch eigenständig Gespräche und stehe am Ende als dra­ma­tur­gi­sche Beraterin zur Verfügung. Vielleicht werde ich schließlich sogar erneut als deutsche Ko­pro­du­zen­tin fungieren.

Dann eilte ich in ein großes Autohaus mit Konferenzraum. Hier finden regelmäßig Lesungen mit anschließendem Gespräch statt, diese hier zugunsten zweier Schulen in Haiti. Ein kleiner Dolmetschkoffer ermöglichte mir, den drei ausschließlich fran­zö­sisch­sprachigen Menschen im Raum simultan "zuzuflüstern", was auf Deutsch gesagt wurde; die rein französischsprachigen Redebeiträge übertrug ich konsekutiv (also in kurzen Redepausen) ins Deutsche.

Solcherart sind Einsätze außerhalb der Kabine. Es ging also mit der Lesung los. Schau­spielerin Alissa Jung stellte selbst festgelegte Ausschnitte aus dem Buch "Und plötzlich tut sich der Boden auf" von Yanick Lahens vor und ich "flüsterte" die gleich­en Passagen in mein Mikrofon, das Buch in der Originalfassung vor mir auf dem Tisch. Die Chose erwies sich als ganz schön irritierend, denn Alissas Stimme wurde über Lautsprecher übertragen, die ihren Namen zurecht trugen. Ich legte beide Hände wie vergrößerte Hörmuscheln an die Ohren, um mich selbst besser hören zu können. Denn einfach nur sprechen, ohne sich selbst zu hören, klappte ir­gend­wie nicht, da fehlte mir die kopfeigene "Hinterbandkontrolle".

(Auf die Idee, mir den Rückkanal über ein Empfangsgerät der Flüsteranlage zu ho­len, meine Stimme dann vielleicht nur auf 1,5 Ohren zu hören, um mich besser auf das eigene Sprechen konzentrieren zu können, bin ich leider zu spät ge­kom­men. Ich schreibe die Idee jetzt hier auf, um mir den Trick fürs nächste Mal zu merken.)

Etwa die Hälfte der Zeit hindurch waren wir fast synchron, dann hatten wir of­fen­bar vergessen, einige Auslassungen des Lesetexts auch in der Originalfassung zu über­neh­men. Jedenfalls bekam ich im letzten Drittel einen tüchtigen Überhang. Da die Lesestellen unterschiedliche Dynamiken hatten, es gab dramatische Pas­sa­gen, stille, dialogische, hatte das Ganze (aus meiner Perspektive) den Charakter eines zunächst harmonischen, dann immer mehr divergierenden Paartanzes.

Zu sprechen war es jedenfalls nicht leicht, sicher für beide nicht, wobei ich, wie ich fürchten muss, den schwereren Part hatte. Meine Muskeln verkrampften we­gen des "Ohrenabschirmens" zusehends; auch hatte ich die Passagen "nur" im Lap­top, sie waren im Word-Manuskript farbig markiert, und nicht über eine zu (er)­fin­dende Form "digitaler Reiter". Alissa jedenfalls konnte im Hardcoverbuch schnell weiterblättern ... während ich aufwendiger suchen musste.

Die ganze Veranstaltung lief übrigens ohne Probe ab. Der Gedanke an die "sprach­li­che Tanzperformance" half mir, den Job durchzustehen, der ein enormes Maß an Kon­zen­tra­tion erforderte. Denn nebenbei galt es einen Text zu sprechen, den ich erst einmal gelesen hatte, ich bin ja kurzfristig eingesprungen, der zudem viele Eigen- und Orts­namen aufwies ... und dessen Inhalt schlicht an die Nieren geht. Ja, einige Male habe ich mich schon verstolpert (und das hat mir wehgetan).

Was alles wieder gut machte: Eine der Beflüsterten kam am Ende auf uns zu. Dank der Literatur sei sie in der knappen Stunde der Lesung "regelrecht in Haiti ge­we­sen". Wir Vermittler sind immer dann gut, wenn man uns möglichst nicht bemerkt.

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Foto: Danke an Manfred Schweiker!

Dienstag, 9. Juli 2013

Jahrestag

Hallo! Will­kom­men auf den Sei­ten des di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buchs einer Dol­met­scherin und Über­setzerin für die fran­zö­si­sche Spra­che. Ich selbst fühle mich nicht nur als Urenkelin recht weltläufiger Vorfahren, ein Zweig meiner Familie ab­solv­ier­te stets in Frankreich einen Teil seiner Ausbildung, ich bin selbst ein Kind der deutsch-französischen Aussöhnung und dieser Völkerfreundschaft.

Letzte Woche aufgestellt, und schon weiche ich von meiner Sommer(ferien)regel ab, die da eigentlich besagt: Nur dienstags, donnerstags und sonntags bringe ich neue Blogposts.

Aber dieser Tage feiert das deutsch-französische Jugendwerk den 50. Jahrestag seiner Gründung, dazu rasch zwei Links.

Das Marburger Schloss hoch oben über dem Schülerpark, alte Aufnahme.Mit Michael Wulfes durfte ich (visuell) in meine Geburtsstadt Marburg reisen, von der aus der Regisseur anlässlich dieses Jubliäums diversen deutsch-französischen Freundschaften und Liebesbeziehungen nach­ge­gan­gen ist. Sehr stimmungs- und eindrucksvoll!

Lien pour la version française, en ligne jusqu'à mardi/Link des Films, noch bis Dienstag on­line. Danke, Michael!

Hier wird auch vom Schülerpark (Foto) berichtet, dem Ort, in dem ich mir als Grundschülerin auf Rollschuhen mehrfach blutige Knie geholt habe. An diesem Park hat im Rahmen von deutsch-französischen Jugendbegegnungen auch François Hollande mitgebaut, wie mir Michael Wulfes schon letztes Jahr verraten hat. Leider hat es nicht geklappt, den französischen Präsidenten für den Film zu interviewen.

Und dann ist da noch die Rede des französischen Premierministers zum gleichen Jubiläum, leider nicht untertitelt, dafür zwischendurch und am Ende auf Deutsch.



P.S.: Morgen gibt's gleich den nächsten Eintrag. Thematisch reise ich für den Rest der Woche nach Haiti.
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Foto: Arte/HR/Michael Wulfes
Film: Gouvernement français

Sonntag, 7. Juli 2013

Autobiofiktion

Die­ses Blog ist mein Log­buch aus der Ka­bi­ne. Die Ka­bi­ne ist die von Kon­fe­renz­dol­met­schern. Sie steht an wech­seln­den Orten und ist manch­mal auch nur vir­tu­ell vor­han­den. Ge­le­gent­lich ist sogar die Au­to­rin vir­tu­ell.

Letzten Februar, parallel zu den Berliner Filmfestspielen, wurde dieses Ar­beits­ta­ge­buch sechs Jahre alt. In der schnell­le­bi­gen Netzwelt ist das schon ver­dammt lang. Wie kann es sein, dass hier neben dem for­dern­den Dol­metscher- und Übersetzerberuf so ein um­fang­rei­ches Blog entsteht?

Und wer spricht hier eigentlich?

Eines meiner Geheimnisse: Meine Notizen sind nur selten aktuell. Das mag ver­wun­dern, denn es ist ein Vorteil des digitalen Zeitalters, schnell zu sein. Schnell muss ich aber schon in der Kabine sein, das geht im Blog nicht auch noch. 

In Zeiten, in denen Hochfrequenzmärkte im Nano-Sekundentakt arbeiten und sich an manchen Tagen die Nachrichten nur so überschlagen, ist es zudem mein Glück, Privileg und Luxus, nicht alles sofort umsetzen zu müssen. Ich kann Themen ab­hän­gen lassen oder, um ein anderes Bild zu bemühen: sie eindampfen. Drittes Bild: Aus der Nähe sehe ich Details gut, habe Eindrücke; das ganze Tableau lässt sich oft nur mit Abstand gut erkennen. 

Und noch einen Grund gibt's fürs Nicht-Aktuelle. Oft dolmetsche ich in ver­trau­li­chen Situationen. Mein Fokus beim Bloggen liegt ohnehin vor allem auf den Din­gen, die sich hinter den Kulissen abspielen. Und weil ich meine Redner und "Ziel­ohren" nicht erschrecken will und darf, fasse ich Episoden zusammen, ver­la­ge­re sie an andere Orte, verschiebe sie in der Zeit, greife zu Fotos von anderen Ein­sätzen, die ich dann auch noch verändere — und schon bin ich da angelangt, wo ich hinwill: Ich kann vom Allgemeingültigen unseres Berufsalltags berichten.

Trotzdem wird mir oft die Zeit knapp, mancher Eintrag gerät mir zu lang. Ich lade die Texte dann mit schlechtem Gewissen hoch und denke dabei an Plinius den Älteren, der an Plinius den Jüngeren geschrieben haben soll (oder war es an­ders­he­rum?): "Entschuldige bitte meinen langen Brief, ich hatte zu wenig Zeit."

Und warum der ganze Aufwand? Jedes Jahr zum girls day bekommen wir An­fra­gen, ob uns eine Schülerin begleiten kann. Außerdem erhalten wir viele Prak­ti­kums­be­wer­bungen. Das ist alles leider nicht praktikabel. Während wir sprechen, können wir nicht gleichzeitig in die Meta-Ebene gehen und erklären, was wir tun. Menschen beim Nachdenken zuzusehen macht nicht klüger. Also schreibe ich hier.

Last but not least: Die Nachfrage nach Sprach­dienst­leistungen nimmt zu, das Wissen um unsere Arbeitsweise nimmt eher ab. Ich möchte mit­hel­fen, dass (potentielle) Kunden besser ihren Teil zu gelingenden Projekten beitragen können.

Bei so vielen hehren Zielen wird es nicht ver­wun­dern, dass manches hier berichtete Mo­ment nicht von mir stammt, sondern von den ver­trau­ens­wür­di­gen Ko-Kabinen beigesteuert wird. Wer spricht hier? Das berichtende "Ich" ist ähnlich virtuell wie das Kabinenlogbuch an sich.

Das Ganze ist Autobiofiktion.


Sonntagsbilder: Leser im öffentlichen Raum, mein derzeitiges Sammelprojekt zur Gestaltung eines Plakats in Mosaiktechnik. Mehr darüber hier.
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Foto: C.E. (Archiv)

Donnerstag, 4. Juli 2013

A la maison

Will­kom­men beim ersten deut­schen Web­log aus dem In­ne­ren der Dol­met­scher­ka­bine. Fran­zös­isch und Deutsch sind mei­ne Haupt­ar­beits­spra­chen (daneben über­setze/dolmetsche ich aus dem Englischen). Diesen Sommer bin ich für Kunden in Berlin, manage das aktive Sommerbüro. Dienstags, donnerstags und sonntags be­richte ich aus der letzten "Saison".

A la maison bedeutet "zuhause". Nur ist dieses maison auf Französisch sprachlich viel stärker präsent, als es im Deutschen der Fall ist.

Neulich haben wir in Paris gedreht. Wir hatten die Termine per Mail verabredet, soundsoviel Uhr à la maison, beim In­ter­view­ten zuhause.

Der Regisseur bekam alles als Carbon Copy in seinen Mailbriefkasten. Er hatte einige Jahre Französisch in der Schule gelernt. Als wir dort ankamen, schaute er auf das Ge­bäu­de. Es war ein älteres, nicht so hohes Haus in einem vornehmen Stadtteil.

Dann pfiff der Regisseur einmal kurz anerkennend und meinte, unser Ge­sprächs­part­ner müsse vermögend sein, wo er doch das ganze Haus bewohne. Wir wurden vorgelassen und halfen, die Technik zu schleppen: Treppenhaus, zwei Parteien im Erdgeschoss, zwei im 1. Stock, da­von war eine Wohnung die unseres In­ter­view­part­ners. Der Regisseur zeigte sich zusehends irritiert. Zumal das französische Ge­gen­über wiederholt von seiner Wohnung als ma maison sprach.

Für Franzosen kann maison ein Haus sein, muss es aber nicht. Es kann eine Eta­gen­wohnung sein, ja sogar eine Dienstbotenkammer unterm Dachjuché lässt sich auf Fran­zö­sisch als ma maison bezeichnen.

Die Irritationen konnte ich dem regieführenden Part unseres Teams schnell neh­men. Ich verwies auf englische Gepflogenheiten und Redewendungen wie my home is my castle, und dass sich das deutsche  "Zuhause" ja auch auf einen Teil eines großen Hauses beziehen könne.

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Foto: C.E.

Dienstag, 2. Juli 2013

Sommer: Aktive Pause

Lie­be Leserin, lie­ber Leser, herz­lich will­kom­men auf den Sei­ten mei­nes di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buchs. Hier schrei­be ich stets unter Wah­rung der Be­rufs­ge­heim­nisse über Epi­so­den mei­nes Alltags als Dolmetscherin und Übersetzerin. Neben täg­li­chem Arbeiten mit meinen Arbeitssprachen Französisch und Englisch gilt es na­tür­lich, die Zukunft zu planen. Dazu gehören auch kreative Pausen.

Seit zwei Wochen sind die Berliner Schüler in den großen Ferien! Auch mein Blog geht in die Sommerpause. Von kur­zen Reisen abgesehen bleibe ich indes in Berlin, Büro-Stall­wache, wir wollen unseren Kunden das ganze Jahr über Sprachdienstleistungen anbieten können.

Das bedeutet außerdem: Blogeinträge gibt es in den kom­menden Wochen nur noch dienstags, donnerstags und sonntags. In der Zwischenzeit denken wir zu mehreren Kolleginnen/Kollegen über einen aktualisierten Inter­net­auf­tritt nach. Die Überlegungen werden in Entwürfe mün­den, bei Gefallen in einer neuen (weiteren) Webprä­senz — und mit neuen Fotos.

Damit ich auch in Deutschland den Zusatz "staatlich an­er­kannt" führen darf, werde ich bald erneut eine Über­setzer- und 2014 auch die Dolmetscherprüfung ablegen. Dies geschieht vor allem im Hinblick auf immer häufiger geforderte ISO-Zertifizierungen bei Ausschreibungen.

Mein home office darf ich diesen Sommer komplett um­ge­stalten, ab dem Herbst kommt ein freier Mitarbeiter für die Buchhaltung. Dann miete ich mir einen externen Schreibtisch in einer Bürogemeinschaft hinzu.
Die Erfahrungen als Schreibtischnutzerin bei einem Rah­men­ver­trags­kun­den waren gut.

Trotzdem bleibt das Arbeitszimmer der weltbeste Ort für Kreatives wie Drehbuchübersetzungen. Textarbeit setzt eine andere Art von Ruhe voraus.

Im Sommer möchte ich auch mein 2. Buch fer­tig­schrei­­ben. Es ist ein Bilderbuch für Kinder von vier bis 104 Jahren. Da mir in der Mitte der dramatische Wendepunkt fehlt, denke ich mit dem Aquarellpinsel in der Hand nach. (Später suche ich mir eine Illustratorin/einen Illustrator.) Jetzt warte ich auf visuelle narrative Ideen, die ich nur finde, wenn ich in Bildern nachdenken kann.
Gerade als Spracharbeiterin liebe ich es, auch mal ohne Worte kreativ zu sein.

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Home office im Wandel der Zeit: C.E.
Papierknüll: Friederike Elias

Montag, 1. Juli 2013

Stichwort: Arbeitsplätze

Will­kom­men auf mei­nen Blog­sei­ten! Hier schrei­be ich über mei­nen viel­sei­ti­gen Berufs­all­tag an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Kultur und Kom­mu­ni­ka­tion.

Hochkonzentriert mit kleinem Bildschirm, so war lange meine Arbeitsweise am Rechner. Dann bekam ich zuhause einen großen Monitor. In der Wohnung verfüge ich über ein gesondertes Arbeitszimmer und über einen zweiten Schreibtisch, an dem ich nur Vokabelarbeit mache. Diese Trennung behagt mir sehr, ich bin kon­di­tion­ierbar wie einer Pawlowscher Hund.

Die anderen Arbeitsplätze sind die Kabinen in den Konferenzzentren und Lu­xus­ho­tels dieser Welt, an Drehorten, in Hinterzimmern der Politik (Eintrag vom 8. Mai), in Kinos, in Schneideräumen beim Filmschnitt von zum Beispiel fremdsprachigem Material.

In einer Elektrowerkstatt knobeln zwei junge Männer an der Lösung ...
Dolmetschen im Berufsbildungszentrum
Digitalen Tonschnitt habe ich vor 14 Jah­ren bei der Deutschen Welle ge­lernt, es war in den Tagen der totalen Son­nen­finster­nis, das System hieß DIGAS. Damals war ich noch haupt­be­ruf­lich Journalistin und als fran­zö­sisch­spra­chi­ge Kor­res­pon­den­tin der Welle-Pro­gram­me für Afrika tätig. Ein lang­ge­heg­ter Wunsch aus Re­por­ter­zei­ten ging damit in Erfüllung, auch wenn mit einem Schnitt­meister zu schneiden nochmal was anderes ist (vier Ohren hören nun mal mehr).
Einer meiner Arbeitsplätze der letzten Monate war die etwas andere Schnitt­stel­le. Ich durfte testen, wie ich mich mit einem eigenen Arbeitsplatz au­ßer­halb der Wohnung fühle.

Dolmetscherin Caroline Elias: konzentrierter Blick
Dolmetschen im Jobcenter
Obwohl das Dolmetschernetzwerk über ein externes Büro verfügt, so ist es doch vor allem der Arbeitplatz einer meiner liebsten Ko-Kabinen.
Mein Rahmenvertragskunde hatte einen Schreibtisch mehr im externen Büro, als die Firma gebraucht hat, und war froh, dass ich dort tageweise meinen Klapp­rech­ner aufgeschlagen habe. Ich war in dieser Zeit ansprechbar als Schnittstelle zwi­schen der Schwesterfirma und den Ber­li­ner Mitarbeitern, las Lebensläufe, hielt Kontakt zum Vermieter, zur Lohn­buch­hal­tung und zur Arbeitsrechtlerin.

Meistens ging ich dort aber mei­nen eigenen Aufgaben nach.

Großer Monitor mit dem Bedienungsanleitung, kleiner Monitor mit Tonkurven, Vokabelzettel und Notizbuch
Schnittstelle zum Quadrat
Rückblick: Hier bereite ich eine Dis­kus­sions­ver­an­stal­tung zu ei­nem weiteren Afrikathema vor. Ich höre Radiosendungen, die auf meinem Leib- und Ma­gen­sen­der France Culture liefen (ich pod­caste). Damit die Kol­le­gin zeit­sparend auch etwas da­von hat, ziehe ich die in­ter­es­san­ten Pas­sagen aus den oft zwei­­stün­­di­gen Sendungen he­r­aus, schnei­de das Über­zäh­li­ge weg und formatiere rasch um.
Voilà !

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Fotos: C.E./Privat