Dienstag, 16. Juli 2013

Ungeduld vs. Neugierde

Som­mer­zeit ist Urlaubs­zeit, trotz­dem ist das Bü­ro für un­se­re Kun­den be­setzt. Was Sie hier le­sen, Deutsch­lands erstes Blog aus dem In­ne­ren der Dol­met­scher­ka­bine, folgt indes ei­nem neuen Rhyth­mus: neue Einträge jetzt nur dienstags, don­ners­tags und sonntags. Manche sind nicht einmal selbergeschrieben. Heute: Blick in den Briefkasten. Die Absenderin der Mail studiert an einem der re­nom­mier­testen In­sti­tu­te für Übersetzer- und Dolmetscherausbildung Deutschlands.

Guten Tag Frau Elias,

ich verfolge nun schon seit einiger Zeit begeistert Ihren Blog. Für mich als Stu­dentin am FTSK Germersheim ist es schön, auch außerhalb des regulären Un­ter­richts­stoffs in den Dolmetschalltag "reinschnuppern" zu können.

Ich hätte allerdings eine kleine Bitte an Sie: Seit einiger Zeit fällt mir immer mehr auf, dass das Antizipieren in der Kabine offenbar dazu beiträgt, dass Dol­metschstudenten im Laufe ihres Studiums immer größere Schwierigkeiten haben, Fragen nicht schon mitten im Satz zu unterbrechen und zu antworten, weil sie das Ende bereits zu kennen scheinen. Eine Angewohnheit, die für Nicht-Dol­met­scher wie mich unter Umständen sehr irritierend sein kann ...

Kennen Sie dieses Phänomen? Ist es Ihnen auch bereits an sich aufgefallen? Und wäre es möglich, dass Sie einen kurzen Artikel über Ihre diesbezüglichen Be­ob­achtungen schreiben?

Vielen Dank schon im Voraus!
Mit freundlichen Grüßen,
Yasmin

Der Leser liest "Über die Kunst seinen Chef anzusprechen und
ihn um eine Gehaltserhöhung zu bitten" von Georges Perec
Liebe Yasmin, das ist her­vor­ra­gend beobachtet. Und ich habe das Gefühl, als würden Sie mir hier einen Spiegel vorhalten. Kurz: Ich bin pein­lich berührt, erkenne mich selbst in Ihren Zeilen wie­der. Oh (un)heilige Ungeduld! Wie oft habe ich mich über sie (bzw. über mich) schon ge­är­gert!
Und ich muss leider zugeben: Das wird mit den Jahren nicht besser.

Sie beschreiben etwas, das sehr unhöflich ist, einen Gesprächskiller, durch den der/die Dolmetscher/in zudem  wie ein arroganter Klugsch... wirkt (die weibliche Form spare ich zugunsten der Satzstruktur jetzt mal).

Es gibt ein Parallelmoment, z.B. bei einem Sektempfang sich die Beine in den Bauch zu stehen und das ungute Moment zu verspüren, im Grunde schon alles zu wissen. Da versagen manchmal die Fragen in Gegenwart der Zeitgenossen. Der Mensch trocknet aus wie eine Quelle.

Natürlich handelt es sich hier um einen Irrtum. Ich übe regelmäßig Zuhören. Das habe ich einst als Journalistin gelernt. Dabei erkenne ich beim Gegenüber oft deut­lich ein Muster — und versuche ganz bewusst, es durch gezielte Fragen ge­mein­sam zu ver­las­sen. Ich liebe dieses Moment, denn es kommen immer wieder völlig un­ge­wohn­te Einsichten und Anekdoten zutage, die mich dann tagelang beschwingen können.

Also: Als "Medizin" für den beschriebenen Weiterdenkimpuls hilft durchaus, als Quer­denker Fragen zu stellen und Überraschungen zu suchen. Dabei ganz bewusst wieder neugierig zu werden auf die Mitmenschen. Dann hört das mit dem Ins-Wort-Fallen auch rasch wieder auf.


P.S.: Und Danke für die schöne Leserrückmeldung! ______________________________
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Mosaiktechnik suche ich Leserfotos!

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