Montag, 30. April 2012

Greengrocers' apostrophe

Hallo! Hier ist nicht alles Französisch, auch wenn Sie eine Seite des virtuellen Arbeitstagebuchs einer Französischübersetzerin und -dolmetscherin aufgeschlagen haben. Sehr oft denke ich über Sprache nach und beobachte auch meine Muttersprache.


Und gleich noch einer, weil's so schön war: Der Apostroph der Gemüsehändler, Trinkhallen- und Frittenbudenbesitzer, hier gleich noch mit einem zweiten Deutschfehler.


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Foto: C.E. (vom Münchener Viktualienmarkt)

Sonntag, 29. April 2012

Nach der Arbeit das Vergnügen

Bienvenue auf der Seite einer Spracharbeiterin. Ich biete an: Dolmetschen und Übersetzen und da ich nebenberuflich Autorin bin, auch Rewriting und Moderation. Französisch ist meine zweite Arbeitssprache, Englisch meine "passive" Sprache. Hier erhalten Sie Einblicke in unseren Alltag, in dem ich für die Bereiche Kultur, Politik, Wirtschaft und Soziales tätig werde. Dabei interessiere ich mich grundsätzlich für alle Veränderungen der Arbeitswelt.

"Work hard, party hard!", diesen Spruch habe ich zum ersten Mal in einem Dokumentarfilm über head hunter und das "recruiting" von Unternehmensberatern gesehen. Der (unabgewandelte) Spruch, der auf das lateinische "Laboris gloria ludi" anspielt, wurde zum Titel eines höchst sehenswerten Films über die neuen Arbeitswelten, die Beziehung zwischen Architektur und Kommunikation (oder was die Architekten meinen, planen zu können) sowie über die Optimierung der Arbeitnehmer: "Work hard, play hard".

Den 90-minütigen Dokumentarfilm von Carmen Losmann kann ich sehr empfehlen. Hier geht's zu den exzellenten SZ-Filmkritiken von Martina Knoben (SZ) und Meike Fries (DIE ZEIT). Fries nennt den Streifen "einen Gruselfilm erster Güte".

Als Nichtraucherin ist meine Party die Natur. Sonntagsbild!

Frühlingsbild mit Blättern und weiß-rosa-gelben Blüten

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Foto: C.E.

Samstag, 28. April 2012

Zeit ...

... ist doch immer wieder ein schönes Thema — oder das Älterwerden. Hier mein Link der Woche: Wie sich in einem Zeitraffer-Video ein Baby zur jungen Dame entwickelt ...



Zum kurzen Dokumentarfilm über das heranwachsende Kind, auf den der Begriff "Kurzfilm" nicht so ganz zutreffen mag, passt ein Spielfilm aus Frankreich: "Das Leben gehört uns" (La guerre est déclarée), Regie: Valérie Donzelli, seit Donnerstag im Kino. Da geht es auch um das (allerdings alles andere als unbeschwerte) Aufwachsen eines Kindes. Kurzkritik hier: klick.

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Film: Frans Hofmeester

Mittwoch, 25. April 2012

Eierlegende Wollmilchs...

Willkommen auf den Seiten meines digitalen Arbeitstagebuches. Ich bin Übersetzerin, meine zweite Sprache ist Französisch. Aber auch über Dolmetscher schreibe ich hier, das sind jene Menschen, die mündlich übertragen, denn auch ich dolmetsche in den Bereichen Wirtschaft, Politik, Medien, Soziales und Kultur. Heute weiter in der (inexistenten) Rubrik: Kuriose Anfragen für begabte Multitasker. 

Beifahrer
Ich sitze immer auf dem Beifahrersitz (ohne Führerschein)
Neulich wurde im Auftrag eines großen Pharmakonzerns ziemlich verzweifelt ein Dolmetscher zum Einsatz in einer mittelgroßen Messestadt gesucht.

Im Anschreiben mutmaßte der Anfragende, dass es ihm wohl deshalb schwer falle, jemanden zu finden, weil vor Ort zeitgleich zwei große Messen stattfinden würden.

Er beklagte weiter, dass er nicht nur keinen Sprachmittler finden könne, sondern auch kein Hotelzimmer, um diesen unterzubringen. Der Einsatz würde an sechs nicht aufeinanderfolgenden Tagen in einem Zeitraum von zwei Wochen stattfinden; Wochendeinsätze seien möglich, dafür sei die Präsenz vor Ort nicht an allen Tagen unbedingt erforderlich, Heimfahrten gingen indes auf eigene Rechnung. Dabei, so stand in der Anfrage weiter, sei der Simultandolmetscher täglich nur drei bis vier Stunden gefordert, man möge also "halbe Tage" im Kostenvoranschlag berücksichtigen.

Wichtig sei auch, "mobil und relevant motorisiert zu sein", denn, so entnahmen wir der Mail, solle der Dolmetscher am besten von einem selbst zu findenden Privatquartier aus mit dem eigenen Wagen zu Patienten in der betreffenden Stadt fahren können, die an einer medizinischen Studie teilnehmen würden, und er solle weiterhin dazu imstande und willens sein, parallel zum Dolmetschen eine kleine Consumerkamera zu ausgewählten Momenten jeden Termins sachgerecht zu bedienen.

Die Höhe der offerierten Honorierung wurde uns vorab nicht mitgeteilt ... 

Wir haben weder nachgefragt noch den Suchenden wissen lassen, dass er einen Dolmetscherkameramannfahrer, der selbst disponiert, zu halben Honorarsätzen bei uns nicht kriegen kann.

Der große Auftraggeber hinter der Anfrage war ein großes, börsennotiertes Pharmaunternehmen. Die Agentur, von der die Anfrage kam, war ein Zwei-Mann-Unternehmen, das im Netz großspurig als Dolmetscher- und Übersetzungsagentur auftritt und dessen Geschäftsführer nicht nur selbst nicht vom Fach sind, den Herren sind auf ihrer Webseite auch etliche fachliche Fehler in der Beschreibung unserer Arbeit unterlaufen.


So, ich wende mich dann mal ernsthaften Kostenvoranschlägen zu.

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Foto: C.E. (Archiv)

Dienstag, 24. April 2012

scharf

Bienvenue auf der Seite einer Dolmetscherin und Übersetzerin. Französisch ist meine zweite Arbeitssprache, Englisch meine "passive" Sprache. Hier erhalten Sie Einblicke in unseren Alltag. Zu dem gehört ganz zentral eins: Vokabelsammeln.

Wir sind im Kino, Filmpremiere: Gleich kommt der Trailer, dann sind wir mit der Anmoderation dran, anschließend heißt es "Film ab!"

"Mir wurde zugetragen, dass bei der Anmod nur ein Mikro im Einsatz sein soll, welches von den beiden, die auf der Bühne liegen, sollen wir denn nehmen?", frage ich den Kinoleiter, denn ich moderiere heute. "Egal, beide sind scharf, du musst es nur einschalten!", bekomme ich zur Antwort.

Fotografin steht auf Kinoklappsitz und fotografiert Filmteam
"Scharfes Mikro", ich muss grinsen, klingt wie "scharfe Waffe". Wo ich es doch erst neulich von einem Mikro hatte, das in der Produktionssprache Shotgun heißt.

Überhaupt gibt's bei Films so manchen martialisch klingenden Begriff, angefangen bei Schuss/Gegenschuss und dem to shoot a film.

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Foto: C.E. — Teamfoto zu "Mein Ungarn
in Berlin" von Rita Lengyel

Montag, 23. April 2012

Mal wieder: Apostroph

Willkommen auf den Logbuchseiten einer Sprachmittlerin für die französische Sprache. Ich arbeite von Berlin aus, bin aber auch oft in Paris, Marseille oder Cannes. Dabei achte ich natürlich überall auf die Sprache — und stelle Entwicklungen derselben fest, Weiterentwicklungen sowie Rückentwicklungen.
"Andreas Kiosk" gehört Andrea
"Andreas' Kiosk" gehört Andreas
"Andrea's Kiosk" gehört einem Idioten (oder einer Idiotin)
                                                                       Netzfund 
Wenigstens wurde hier nur ein Apostroph missbraucht, nicht ein Accent grave, denn auch das habe ich schon gesehen: "Bommy`s Pommesbude" oder sowas in der Preislage. (Das Thema ist alt, aber leider immer wieder aktuell.)
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Sonntag, 22. April 2012

Aus Gleis fünf

Die heutigen Sonntagsbilder habe ich nicht Ihrer Schönheit wegen ausgewählt, sie sind weder Einblick in unseren Berufsalltag noch ein wenig privat, es handelt sich lediglich um Beweisfotos. 

Ich habe schon bei der Bahn stets die Neigung zu widersprechen, wenn der Zug "aus Gleis fünf" fährt. Lieber nicht, denke ich, das vertragen die Schienen nicht so gut, wenn der schwere Zug der Gleis verlässt, das klingt nach Unfall, nach Blut und rotem Kreuz und Blaulicht und dem fahlen Weiß der Notbeleuchtung und am Ende sogar nach Funkenflug, wenn die letzten Eingeklemmten aus der quergelegten Konservenbüchse genannt Eisenbahnwagon ausgeschweißt werden.

Warum können die bei der Bahn neuerdings nicht mehr "Der Zug nach Berlin fährt ab Gleis fünf" sagen? Sprachlich gesehen ist das Nouvelle Cousine für schweres, rollendes Gerät, "ein Hauch vom Wachteltäubchen an seinem Wildreisnest" oder ähnlicher Humbug.

Und jetzt auch noch die BVG! Hier der Anlass meines Eintrags, unten Beweisbilder:

Laufschrift Bushaltestelle mit komischer Grammatik

Der Bus hält "im Kurfürstendamm" ... aha. Hier ist schon wieder die Schwerkraft mit am Werk: Wie tief drinnen hält er denn? Wie tief muss ich mich den Asphalt reinbeamen, wenn ich zusteigen möchte?


Laufschrift Bushalte mit komischer Grammatik
Laufschrift Bushaltestelle mit komischer Grammatik
Laufschrift Bushaltestelle mit komischer Grammatik

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Fotos: C.E.

Samstag, 21. April 2012

Relais, die Zweite

Wenn wir Dolmetscher mit Sprachkombinationen arbeiten müssen, die wir nicht parat haben, dann entsteht so etwas wie eine sprachliche Kettenraktion, "relais" genannt. In der US-amerikanischen Kultserie "I love Lucy" aus den 1950-er Jahren findet sich ein Beispiel dafür.

Link der Woche!


Donnerstag, 19. April 2012

Innerer Saboteur

Hallo! Sie haben die Blogseite einer Französischdolmetscherin angesteuert. Neben der mündlichen Übertragung arbeite ich auch schriftlich, also als Übersetzerin. Dieser Blog entsteht in diversen Dolmetscherkabinen, am Schreibtisch und in den Konferenzräumen und Hinterzimmern dieser Republik. Dabei vermittelt sich mir unabhängig vom Arbeitsort immer öfter der Eindruck, ein ewiger Prüfling zu sein.

Titelschrift auf Popfarben: Was mache ich hier?
Wie gut, dass ich seit letzter Woche meine tägliche Lese- und Lernzeit in Sachen Europa-, Wirtschafts-, Finanz- und Energiepolitik mehr als verdoppelt hatte, denn für gestern hatten sich Dolmetschkunden angekündigt, ohne mir mitzuteilen, für welches Thema sie nach Deutschland kommen würden. So durfte ich Mittwoch an der Seite von zwei Journalisten aus Marokko mit einem großen deutschen Energieversorger sprechen; die Namen der Interviewten und das genaue Thema wurden mir gerade mal einen halben Tag vor dem Einsatz mitgeteilt.

Aber so schnell schockiert mich nichts mehr. Oder besser: Ich habe meinen inneren Saboteur meistens auch dann im Griff, wenn er sich zu recht aufregen würde. Montagabend wäre eine gute Gelegeneheit dazu gewesen. Ein ruhiger Abend, ich war sehr entspannt, als das Telefon läutete und eine Kollegin mich wegen einer akuten Erkrankung bat, sie am nächsten Morgen zu vertreten. Und auch sie konnte nicht wirklich ein Thema nennen: "... Aktuelles halt". Offenbar scheinen derlei Prüfungssituationen bei politischen Themen allgemeiner Natur gerade in Mode zu kommen, sei's drum! Erstens blieb ohnehin keine Zeit mehr, um sich aufzuregen, und zweitens hatte ich das Gefühl, gut auf viele aktuelle Themen vorbereitet zu sein.

Und auch Marokko kommt jetzt öfter vor! So ging's also Dienstag an der Seite von zwei marokkanischen Politikberatern zu einem Termin. Die Spannung hätte typisch mündliche Prüfung halt! kaum größer sein können, als der deutsche Vorsitzende der Prüfungskommission, der Gastgeber, der eingerahmt von zwei Damen an der anderen Seite des Tisches saß, den großen Umschlag zückte und das Thema verlas: "Deutsche think tanks mit wissenschaftlichem Anspruch im tagespolitischen Geschäft". Der Prüfling, also ich, sammelte sich kurz, atmete einmal tief durch ... und fing an, zu sprechen.

Zum Glück wurde mir der Inhalt vorgegeben, darin unterscheidet sich die Sache von so manchen Prüfungen; allerdings gab es weder einführenden Text noch eine Vokabelliste oder sonstige Hilfsmittel zur Vorbereitung der Verdolmetschung, wie wir es sonst bei Sprachprüfungen kennen ...

Und gleich noch ein Glück: Ich durfte die Dolmetschart wählen. Ich setzte mich also zwischen die zwei Gäste aus dem Ausland und flüsterte; die Fragen übersetzte ich mehrheitlich konsekutiv, so gelangten sie besser auf die andere Seite des Konferenztischs. Bis auf wenige Fachtermini, die ich den Antworten entnehmen konnte, bei den Fragen hatte ich sie noch umschrieben, war das geforderte Vokabular Standard. Ich konnte auf "Autopilot" schalten. Nur einmal schreckte ich wie wohl bei jedem Einsatz einmal kurz zusammen und die Frage: "Was mach' ich hier eigentlich?" verlangte nach Raum den ich ihr aber nicht gab.

Ob diese Art von Anfechtungen auch Dolmetscher kennen, die zum Beispiel seit einem Vierteljahrhundert im Job sind? Ich beobachte zunehmend distanziert, wie sich das kleine Störprogramm von selbst abspult, ich kämpfe nicht dagegen an, das würde mich mehr Energie kosten, als einfach den Ton leise zu drehen: Warum hab ich hier keine Ablösung? Ach ja, nur ein kurzer Termin. Kurz, hm, das ist ja wohl relativ, wir sitzen schon ziemlich lange hier. Und alle sehen mich an. Nein, alle hören mir zu. Hab ich den Satz eben zuende gesprochen? Und autsch!, war die Angleichung nicht falsch? Die hören jetzt gerade nur auf jeden klitzekleinen Fehler, die könnten es ohnehin besser als ich. Nee, war kein Fehler, warum zweifle ich, falls doch, 'versendet sich'. Jetzt auf jeden Fall von der Meta-Ebene fernbleiben, später nachdenken, jetzt machen. Eigentlich bin ich hier die Einzige, die wirklich und ununterbrochen schuftet. Die anderen können sich zwischendurch vom Sprechen ausruhen, wie ungerecht. Und jedes Zögern meinerseits, also wie heißt das gleich noch, das Wort ... jetzt habe ich sicher eine mehr als einige Sekundenbruchteile lange Pause eingelegt, viel zu intensiv nach der richtigen Vokabel gesucht, wo ist der abschließende Halbsatz? Ist er vielleicht noch gar nicht ausgesprochen worden, dehnt sich jetzt wieder die Zeit, ogott, alle Augen sind auf mich gerichtet, Danke, ich möchte keinen zweiten Kaffee, ja, Wasser ist mir lieber, oh, ich habe gerade gehustet, die könnten sich genauso gut über mich lustig machen jetzt, galt das Grinsen in Monsieurs Mundwinkel da, dieser kleine Anflug, nicht mir oder was und warum schüchtere ich mich selbst jetzt schon wieder ein, die Stimme trägt, sie ist gut, keine Selbstzweifel sind auch nur entfernt zu hören, ich gehe eine halbe Oktave tiefer, atme tiefer durch, verlangsame mein Tempo, lasse eine Redundanz aus, ja, doch, es wird besser, also richtig schlecht bin ich nicht!

Der ganze innere Monolog dauert nur Sekunden(bruchteile?). Nach dem Gespräch kommen die Komplimente und Händeschütteln. Der Prüfling hat mal wieder bestanden.

"Ihr Dolmetscher setzt Euch ja schon extremen Situationen aus", sagt meine Freundin Sandra, eine Schauspielerin, wenig später beim Mittagessen. Und als hätte mir der Dienstagvormittag nicht gereicht, wiederhole ich das Ganze am Mittwochvormittag ... nur da kannte ich das Grobthema einen halben Tag im Voraus. Welch' Luxus!

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Foto: C.E. (Motiv gibt's in holzbraun
irgendwo als Frühstücksbrettchen)

Mittwoch, 18. April 2012

Knieschuss

Bienvenue auf den digitalen Logbuchseiten einer Dolmetscherin und Übersetzerin. Französisch ist meine zweite Arbeitssprache, Film meine "dritte" Sprache. Ich bin oft für Medienunternehmen tätig, aber auch in der Wirtschaft, für Politiker und für Privatleute. Ein Gros des Jahres bringe ich mit Filmthemen zu, und zwar in beiden Berufsfeldern. Derzeit beobachten wir bestürzt, wie einige Firmen versuchen, aus dem Wunsch vieler junger Leute, "was mit Medien" machen zu wollen, Profit zu schlagen.

Und wieder eine Wahnsinnsanfrage, die über einen Ticker reinkam, an dem auch viele Studenten hängen.
Wir suchen einen Transkribierer und Portugiesischübersetzer für eine TV-Reportage. Thema: Liebe, Ehe und Treue in anderen Ländern. Wir liefern: Link zu einer Transkriptionssoftware („F4“), mit der leicht von der Audiodatei abgetippt werden kann (es kommen drei Sprachen darin vor, Deutsch, Englisch, Portugiesisch). Vom Transkript sind dann nur die portugiesischsprachigen Passagen ins Deutsche zu übersetzen. Achtung, es handelt sich nicht um Untertitlung mit Bauchbinden, sondern soll als Synchronisation brauchbar sein. Pro transkribierter Minute gibt es 1,50€. (...*) Beste Grüße, M. S., Associate Producer, Firma soundso, 10179 Berlin
Wir diktieren Texte
Wir diktieren viele Texte, auch, um die
mühsame Transkription
sphase zu erleichtern
Okay, tief durchatmen, ganz in Ruhe, Hyperventilation aus! Liebe Leute, unser Erfahrungswert ist dieser:
An jedem Zehn-Minuten-Aufnahmeabschnitt transkribieren mittelprächtige bis gute geübte Transkribierer etwa eine Stunde lang. (Kann auch mehr werden, je nach Verständlichkeit der takes, also je nach Qualität der Aufnahme, Reinquatschen, Dialekte, Soziolekte ...)

Oder etwas weniger, wenn die Tonqualität optimal ist, die Finger geübt sind und man ein Fußpedal verwenden kann. Was beim Transkribieren richtig Zeit kostet, ist nämlich das "Spulen".

Die Filmproduktionsfirma bietet hier also für einen qualifizierten Fremdsprachenjob neun Euro die Stunde an nur für das Transkript. Die anschließende Übersetzung erfolgt unbezahlt. Zitat: "... soll als Synchronisation brauchbar sein." Super, Qualität muss das Ganze sicher auch noch haben! Am Ende kommt der/die Betreffende, wenn's gut geht, auf drei bis vier Euro die Stunde.

Früher bekamen gerne frisch gebackene Absolventen Transkriptionsaufträge (für roundabout das Zehnfache des feilgebotenen HOHNorars)... und erfahrene Übersetzer texteten anschließend den Sprecherkabinentext (für geschätzt das 15- bis 20-fache). Bei komplizierten Interviews empfiehlt es sich, der Effizienz wegen für alles einen erfahrenen Kollegen zu beauftragen, denn ein Transkribierer im Hinblick auf Filmschnitt muss wissen, wie Film geschnitten und was beabsichtigt wird. (Hier bieten die meisten erfahrenen Leute für längere Aufträge bei [halbwegs] freier Zeiteinteilung Rabatte an.)

Studis, wenn ihr Euch hier |ins Knie schießt| bewerbt, antwortet mir bitte auf eine Frage: Welche Jobs wollt ihr eigentlich machen, wenn Ihr mal fertig seid mit dem Studium? Und nach zehn oder fünfzehn Berufsjahren, wenn Ihr langsam richtig, richtig gut werdet wie alter Wein, was dann?

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Foto: C.E. (Archiv)  
(*): Text leicht gekürzt und unwesentlich verändert

Dienstag, 17. April 2012

Aksesuar kaufen ...

Willkommen beim Blog einer Französischdolmetscherin und -übersetzerin. Hier berichte ich aus Berlin, Paris, Cannes, Marseille, München, Hamburg oder Leipzig unter Wahrung dienstlicher Geheimnisse — oder ich sammele Vokabeln aus aller Herren (und Frauen) Länder.

Dass die französische Sprache das Türkische beeinflusst hat, vermittelt sich Berliner Passanten in manchen Vierteln auf Schritt und Tritt, angefangen beim kuaför (auch manikür und pedikür sind fest in türkischer Hand) über eşarp bis hin zu sürpriz ..., sehr kokett auch: robdoşambr, wird auf dem Maybachufermarkt verkauft. Ja, und mein neues bisiklet habe ich auch beim türkischen Fachhandel gefunden!


Wer nicht alles verstanden hat, in den Kommentaren stehen Übersetzungen.

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Fotos: C.E. 
(*): ... ein wenig bearbeitet ;-)

Montag, 16. April 2012

Was lerne ich?

Willkommen beim Arbeitsjournal einer Dolmetscherin und Übersetzerin mit Wohnort Berlin! Hier schreibe ich über meinen erfüllenden deutsch-französischen Berufsalltag, dabei fehlt mir zu meinem vollständigen beruflichen Glück nur eins: die große Glaskugel.

Mon dieu, was lerne ich heute? Diese Frage stelle ich mir seit Donnerstag. Da kam die Anfrage für Mitte der Folgewoche rein, drei Journalisten aus Nordafrika seien an Orte der bundesdeutschen Politik zu begleiten. Alles ganz schön und gut, aber könntet Ihr's nicht vielleicht etwas genauer benennen? Gibt's schon Namen? Einige Hintergrundinfos für die werten Herren, die für unsereinen auch von Nutzen wären? Es gibt doch sicher einen Grund für ihren Besuch.

Zum Wochenende kaufe ich mir einen Schwung Zeitungen und fange an zu büffeln. Mein roter Wortfeldordner wird regelmäßig gefüllt, ich beobachte die aktuellen Themen und einige Dossiers, die ich bei früheren Einsätzen als Kernthemen ausmachen konnte.
Es ist ungefähr so, als würde ich auf eine Prüfung lernen.

Nur dieses Mal kenne ich weder Fach noch Thema noch Prüfer. Die Situation ist schwer zu vermitteln. Und bitte ... dass mir keine Beschwerden kommen!
— Caro muss lernen!
— Was denn?
— Weiß sie selbst nicht genau.

Klingt komisch. Hm, unfair? Nö, Berufsalltag! Und die Glaskugel, um die Themen voraussehen zu können, habe ich selbst am Neuköllner Flowmarkt nicht gefunden, der nun alle 14 Tage wieder am Maybachufer stattfindet, also fast vor der Haustür.

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Foto: C.E. (Archiv)

Sonntag, 15. April 2012

Sonnenbank

Gesehen in Kreuzberg. Langsam wird es Frühling, die Sonne scheint eher selten und brennt noch nicht. Also ab auf die "Sonnenbank" ...

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Foto: C.E.

Samstag, 14. April 2012

Strickmuster

Hallo! Sie haben die Blogseite einer Französischdolmetscherin angesteuert. Neben dem Dolmetschen übersetze ich auch. Von Berlin aus führen mich meine Reisen an viele Orte auch des französischsprachigen Auslands. Und ich bin regelmäßig auch in Deutschland mit frankophonen Kunden unterwegs, zum Beispiel im Rahmen der Herstellung von Fernsehfilmen.

Wer für die Medien dolmetscht und übersetzt, sollte zumindest in Grundzügen etwas darüber wissen, was mit den Ergebnissen der Arbeit geschieht. Je nach Situation ist nämlich völlig unterschiedliches Dolmetschen erforderlich. Außerdem ist es gut, wenn wir Sprachmittler in dem Fall, in dem wir der/die Einzige am Ort sind, der/die mit der Sprache der Interviewgäste vertraut ist, auch bei für die Produktion kritischen Momenten diese nicht nur erkennen, sondern auch vermitteln können.

In den letzten Jahren greift allerdings bei den Medien immer mehr |der Formatierungswahn| die Suche nach dem perfekten Strickmuster um sich. Nicht ohne Selbstironie nimmt sich dabei die Branche selbst aufs Korn; heute einige Beispiele.



Mit diesem Volontariats-Abschlussfilm hat ein deutscher Nachwuchsredakteur die deutsche Antwort auf Charlie Brookers "How to make the news" gedreht. Hier ist das Original:



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Filme: Martin Giesler, Charlie Brooker

Freitag, 13. April 2012

Zeitfahren

Willkommen beim Blog aus der Dolmetscherkabine für die französische Sprache. Heute sitze ich nicht in der knapp zwei Quadratmeter kleinen, schallisolierte Kabine, sondern am Übersetzerschreibtisch. Einblick gefällig? 

Mittwochabend gegen halb sieben, wir machen uns fertig, die Studienfreundin und ich, zwei Frauen auf dem Weg ins Theater. Da klingelt das Handy: Eine Zeitungsredaktion ist dran auf der Suche nach einer Übersetzerin. Für jetzt. Und für einen eher kleinen Zeilenpreis ... hm, auf den Theaterabend hatte ich mich so gefreut ... Aber das Projekt ist mir sympathisch und so schaffe ich es, einen Aufschlag von 33 % auszuhandeln. "Der erste Teil des Texts kommt nach acht", lautet die Ansage, "der zweite Teil morgen gegen sieben, um elf müssten Sie fertig sein."

So verabschiede ich Madame auf dem Weg ins Theater, drehe die Heizung im Arbeitszimmer nochmal kurz auf, mache Gymnastik. Um acht tut sich nichts. Auch nicht um halb neun.

Neun Uhr klingelt das Telefon. Jetzt solle alles morgen um sechs fertig zur Übersetzung sein, heißt es. Der Autor erhält meine Mailadresse. Heizung im Arbeitszimmer wieder aus, Schalter umlegen: Heute früh ins Bett, um genug Schlaf zu kriegen. Das wird allerdings nicht so wunschgemäß klappen, das mit dem Schlaf. Ein anderes Kapitel.

Um fünf in der Früh klingelt der Wecker. Ich weiß um meine manchmal langsamen Morgenstarts ... Birchermüsli, Klassik, schwarzer Tee ... ab sechs sitze ich am Schreibtisch. Nichts im elektronischen Briefkasten. Um viertel nach sechs lege ich mich nochmal hin. (Das Arbeitszimmer verfügt über ein Sofa.) Der Rechner ist auf laut gestellt, ich höre jede einzelne Mail, die eintrifft. Parallel stelle ich sicherheitshalber noch den Wecker. Siesta im Viertelstundentakt ist nicht schön. Um sieben sende ich der Redakteurin, deren Namen ich inzwischen auch kenne, eine Mail.

Viertel nach sieben ist der Text da: Ein Drittel mehr Zeichen als angekündigt. Festpreis, merdre. Ich hau in die Tasten. Es macht Spaß. Aber elf Uhr wird kaum zu halten sein. Sende später päckchenweise die fertigen Teile an die Redakteurin. Die Seite wird 12 Uhr gesetzt. 12.12 Uhr geht der letzte Absatz raus (der am Ende aus Platzgründen nicht abgedruckt wird). 12.25 Uhr der Anruf der Redakteurin: "Das war ganz großes Übersetzerkino!"

Schön, dass jetzt alle zufrieden sind. Nach dem sportlichen Einsatz, es war wie beim Radrennen, die Etappe contre la montre, das Gegen-die-Uhr-Fahren, gönne ich mir Wannenbad und Siesta.

Der Artikel erschien heute im "Freitag" und ist sogar online lesbar, hier.

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Foto: C.E. (Archiv)

Donnerstag, 12. April 2012

Busfahrer

Willkommen auf den Seiten des Arbeitsjournals einer Französischdolmetscherin aus Berlin. Neben dem Dolmetschen biete ich Übersetzungen an, und hier ist der Ort, an dem ich auch über unseren alltäglichen Umgang mit Sprache und die Unterschiede der Idiome nachdenken kann. 

Das Küchenradio bringt die Meldung, dass irgendwo wieder Bus- und Bahnfahrer streiken, der nächste Bericht stellt die Reaktionen auf hohe Benzinpreise dar. Wir schnippeln Gemüse. Der Osterferiengast aus Frankreich hört genau hin. Dreißig Minuten später die Wiederholung der Rundfunknachrichten.

Dann kommt die Frage der Pariser Journalistin, die Deutsch als erste Fremdsprache gelernt hat: "Wieso bestreiken denn die Pendler Bus und Bahn, wo es doch soviel logischer wäre, wegen der Spritpreise zu streiken?"

Immer wieder spannend, seine Muttersprache mit fremden Ohren zu hören. Und in der Tat fällt mir der Satz eines Lehrers ein, der in der Kleinstadt mal ironisch etwas gesagt hat wie: "Wer es eilig hat, weil er 'Busfahrer' ist, darf jetzt gehen, die anderen räumen erst noch das Chaos hier auf!" Damals war mir die komische Verwendung des Wortes "Busfahrer" aufgefallen, die Hälfte der Klasse kam aus den umliegenden Dörfern, und ich dachte da nur an "Wagenlenker". (Der Begriff hatte sich an dieser Schule eingebürgert, weil zuvor das Wort "Fahrschüler" in der Mittelstufe kritisiert worden war ... frei nach: Wir sind zwar 'täglich fahrende Schüler', aber keine Schüler, die das Fahren lernen, das kommt erst in der Oberstufe.)

Die Franzosen unterscheiden in utilisateurs oder usagers ("Nutzer") und conducteurs ("Lenker"), hier ist alles klar. Das Deutsche ist weniger trennscharf.

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Foto: ein Cabrio "bestreikt" eine Bushalte

Mittwoch, 11. April 2012

Baustelle!

Willkommen auf dem Blog aus der Dolmetscherkabine für die französische Sprache. Heute sitze ich nicht in der knapp zwei Quadratmeter kleinen, schallisolierte Kabine, sondern am Übersetzerschreibtisch. Stallwache in der Woche nach Ostern ...

Ferienzeit, Reisezeit — oder aber es werden an diesen ruhigen Tagen längst fällige Umbauarbeiten unternommen. Die Stille im Büro war schon gestern irritierend, und schnell stellte sich heraus: Wir sind derzeit auf einigen Kanälen nur unregelmäßig erreichbar. (Komisch, so wenig Mails ...)

Eine kurze Recherche später bin ich schlauer. Nun, es gibt trotzdem Trost, denn das Mobiltelefon bleibt die Leitung zur Außenwelt, und es läutet auch immer wieder mal.

Und wo's überwiegend so schön ruhig ist, nehme ich mir Bücher zum Quadrat vor: erst Buchhaltung, dann das Regalbrett mit den unausgelesenen Büchern. Auch schön.

Sonntag, 8. April 2012

Frohe Ostern!

Meine Ostereinträge verzögern sich aufgrund spontaner Umplanung des Osterwochenendes. Frohe Ostern!

Donnerstag, 5. April 2012

Shotgun

Hallo aus Berlin! Sie haben eine Seite meines Logbuchs aufgeschlagen. Hier schreibe ich über Dolmetschen und Übersetzen für Medien, Politik, Wirtschaft, Kunst, Gesellschaft und Soziales. Ich arbeite in Berlin, Paris, München und dort, wo ich gebraucht werde. Meine Arbeitssprachen sind Französisch (2. Sprache) und Englisch (3. Sprache, passiv, d.h. ich dolmetsche auf Konferenzen aus dem Englischen, aber nicht zurück).

Letzte Woche war ich mit einem Kollegen von Radio Canada unterwegs. Die Reise, es ging um ein Wirtschafts- und Europathema, war reich an Informationen, weniger an dolmetschtypischen Anekdoten.

Nächsten Dienstag folgt hier dazu noch ein ausführlicher Blogeintrag. Nachtragen werde ich Ostersonntag auch noch etwas über meinen Einsatz bei den "Marburger Kameragesprächen" Anfang März. Achim Friederich, der Fotograf des Events, hatte analog fotografiert und mir letztens, als der Stress auf dem Höhepunkt war, seine Bilderauswahl zugeschickt.
(Vorab Dank an den Bodensee!)

Diese Dienstreise für den Funk führte uns nach München, Ingolstadt und Berlin und war wieder ein guter Anlass fürs Wörtersammeln. Aus meiner Radiozeit, im ersten Beruf war ich Journalistin, weiß ich noch, wie das längliche Mikrofon heißt, nämlich "Niere". Der Grund dafür: Der Aufnahmebereich einer Niere vor dem Mikrofon hat etwa die Form einer solchen. Entsprechend heißt das Mikrofon, dass die Schallwellen kugelförmig wahrnimmt, eine "Kugel". Die Kugel gibt Räume besser wieder und ist in den tiefen Tönen nicht selten besser als die Niere.

Wir hatten von jeder Form ein Gerät im Gepäck. Sonderkorrespondent Sylvain nannte die Niere le shotgun, wobei Kanadier öfter mal auf englische Begriffe ausweichen. Dieses Mikrofon hat meine Schreib- und Umblättergeräusche ausgeblendet, wenn ich neben ihm stand oder saß. Als die Kugel in Aktion war — Sylvain, wie heißt det Dingen auf Französisch? —, habe ich deshalb aufs Notizenmachen verzichtet.
Mehr zur Tontechnik in der Mikro-Broschüre des SWR für Reporter von 2001. Der Teil zu den Aufnahmegeräten ist veraltet, die Mikrotechnik hat sich meines Wissens kaum verändert.

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Fotos: C.E. (Lakritzmann von kadó
und Wirtschafsanalyst)

Mittwoch, 4. April 2012

Nur fünf Minuten

Bonjour auf den Seiten eines Logbuchs aus der Dolmetscherkabine. Regelmäßig texte ich die Blogeinträge aber auch am Schreibtisch, nach der Arbeit, wenn ich denn ein Arbeitsende wirklich bewusst erfahre. Leider geht nicht selten bei uns Sprachmittlern das Berufs- ins Privatleben über, auch im privaten Alltag spreche ich viel Französisch. Und nicht nur wir haben mitunter Schwierigkeiten, das eine vom anderen zu trennen ...

Neulich, auf der Party: Einer der Mitfeiernden outet sich als Arzt, und schon klagen ihm zwei später eingetroffene Frauen ihre Wehwechen. Da ich gerade mit Herrn Doktor über etwas ganz anderes im Gespräch war, als die Damen hinzutraten, sage ich: "Was für ein Zufall, dahinten ist ein Facharzt für diesen Bereich, warten Sie mal, wer war das gleich noch?" Dabei sehe ich mich um, nicke in eine Richtung. Dann spreche ich weiter: "Außerdem hat uns die Gastgeberin gerade in die Küche abgeordnet, um das Buffet neu zu befüllen ..." ... und ziehe den Betreffenden hinter mir her. In der Küche spülen wir erstmal eine Runde, denn die Spülmaschine kommt nicht hinterher.

Vor dem Eintreffen der Ladies hatten wir uns gerade darüber unterhalten, wie oft die lieben Zeitgenossen uns als Auskunftei missbrauchen, sogar in der Freizeit.

Gestern Nachmittag klingelt das Telefon, ich schleife an einem Pressedossier rum, ein alter Bekannter ist dran, von dem ich lange nichts mehr gehört habe. Nach dem Austausch einiger belangloser Worte über das feuchte Frühjahr sagt er unvermittelt: "Sag' mal, ich hab ein kleines Problem mit deiner Lieblingssprache, dauert auch nur ein paar Minütchen. Ich hab dir gerade 'nen Absatz gemailt, an dem ich festhänge. Magst du mal kurz draufschaun?"
Erstens bin ich nicht für alle Probleme zuständig, die Menschen mit dem Idiom Frankreichs haben, und zweitens wäre die Frage angebracht gewesen, ob er mich denn störe. Vielleicht muss ich eine Deadline einhalten?

Einige Minütchen ... solche Worte machen mich immer nervös. Woher weiß mein Gegenüber, wie lange ich am betreffenden Satz arbeiten würde? Und warum meldet er sich nur, wenn er was von mir will? Und kann er ermessen, dass ich mich in etwas völlig Neues erstmal eindenken muss und mich am Ende das "Umschalten" zurück in mein Gebiet auch wieder Kraft und Zeit kosten wird?

Das Hirn rödelt und macht sich seine Hintergedanken: Rufen Leute wie mein Bekannter auch Anwaltsfreunde mit der Bitte um einen kleinen Draufguck an? Oder soll der Werbetexter mal eben eine kleine Logline für Freundesfreunde basteln, im Vorbeigehen gewissermaßen?

Mich ärgert, dass solche Momente in letzter Zeit immer häufiger werden. Liegt es daran, dass sich mein Bekanntenkreis laufend vergrößert? Oder fallen in Zeiten der Krise nicht nur auf Parties Hemmungen, die Menschen, denen wir begegnen, irgendwie zu instrumentalisieren?

Den zugemailten Text des Anrufers sehe ich mir kurz an. Und ja, der Absatz und das Davor und Danach würden mich sicher länger als ein Stündchen beschäftigen, da stimmt einiges nicht. Ich sage das kurz und ergänze, dass ich nach Abgabe des aktuellen Texts durchaus fit genug sei für eine Überstunde, und schlage halb scherzend, halb ernst gemeint dem Anrufenden vor, an meiner statt auf den Markt zu gehen und abends für uns zu kochen. 

So stolz ich auf meine Schlagfertigkeit bin, die Idee verfängt leider nicht. (Nicht alle übernehmen mal einfach die Haushaltspflichten anderer wie der Doc und ich.) Aber was ich darauf als Antwort hören muss, ärgert mich dann leider richtig: Ach, so wichtig sei es dann doch nicht, sagt der Anrufer.

Wie, mich aus der Arbeit rausreißen für etwas Unwichtiges? 

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Foto: C.E. (Archiv)

Dienstag, 3. April 2012

Westdeutschland

Willkommen auf den Seiten einer Französischdolmetscherin und -übersetzerin. Hier berichte ich aus Berlin, Paris und Cannes oder Marseille, München und Marburg unter Wahrung dienstlicher Geheimnisse. Daneben denke ich über unsere Sprache nach: heute Berliner Vokabelforschung.

Neulich, bei der Eröffnung des französischen Restaurants: Ein Mann mittleren Alters stellt sich mir vor und sagt, er sei kein Berliner, eigentlich komme er ja aus "Westdeutschland". Ich muss schmunzeln ... er fügt hinzu: "Naja, also aus der alten Bundesrepublik, früher in Westberlin nannte man die so."

Habe ich so unwissend gegrinst? Mir ist das schon lange klar. Den anderen im Raum vielleicht aber nicht. Hier feiern viele Theaterleute. Seit 2009 gibt es in Berlin für die immer größer werdende Gemeinde der "expatriés" und für alle, die Frankreichs darstellende Künste lieben, den Verein "La Ménagerie". Gegründet haben ihn zwei Französinnen, die seit ca. 2004 in Berlin leben. Der Verein baut ein Netzwerk für Fans des frankophonen Theaters auf, hier finden freie Truppen weitere Darsteller und Probenräume, und ab dem 25. Mai gibt's ein kleines Festival.

Doch zuvor findet eine Soli-Party statt, auf die hiermit auch hingewiesen wurde.

Ich erschrecke, als ich auf dem Weg zu Klo das Plakat für eben diese Party sehe: "West Germany" steht da — hat denn niemand dem Grafiker gesagt, dass es einen Unterschied gibt zwischen Westberlin,Westdeutschland und ... naja, dem Bezirk SO 36 (*), wie das alte, südöstliche Kreuzberg einst hieß, das sich der Mauer entlang erstreckte?

Dann sehe ich nochmal hin. Ostberlin ist tot, Westberlin stirbt auch gerade (die bevorstehende Aufgabe des Tegeler Flughafens ist der Schlussakkord), nur "West Germany" lebt weiter ... in Form des Namens eines Clubs! Zu Hause suche ich im Netz danach und finde heraus, dass wie kurz nach der Wende in Berlin fortgesetzt ungenutzte Räume zum Übergangsszenetreff werden, hier eine alte Arztpraxis, aber nicht mehr wie früher im unsanierten Osten, sondern im an vielen Stellen vor sich hinbröselnden Westen.

So, rasch noch der Link zu einem alten Radiobeitrag von Cornelius Wüllenkemper über die Ménagerie aus einer Epoche, in der es RFI noch eine oder mehr Stunden täglich auf Deutsch gesendet hat, auch das war die alte Zeit.
Huch, so viel Nostalgie heute, da fühle ich mich plötzlich um mindestens ein Jahrzehnt gealtert ;-)

Warum ich das hier im Blog aufschreibe? Nur noch solche Jungs wie die gestern Erwähnten, ich meine Jochen, Thomas und Dirk beispielsweise (sowie die etwas älteren Heinrichs oder Herberts), verwenden heute noch das Wort "Westdeutschland". Ein Fall fürs Sprachmuseum!

Und was ist mit "Soliparty"? Die "Spendengala der Unterschicht", wie ein Leser auf einer Fragewebseite schreibt? War früher eindeutig links konnotiert, der Begriff, das ist wohl jetzt auch bald vorbei.


(*) SO 36 heißt nicht nur ein anderer Club in Kreuzberg, so lautete die alte Postleitzahl des Bezirks, "Süd-Ost 36"
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Illustration: La Ménagerie

Montag, 2. April 2012

Vornamen

« Bienvenue !» Sie sind auf den Arbeitstagebuchseiten einer Berliner Übersetzerin gelandet, die daneben als Französischdolmetscherin für Politik, Wirtschaft und Handel, Kino, Medien und Medienökonomie arbeitet. Als Übersetzerin habe ich mich auf Texte zu Kunst und Kultur, Dossiers zur Filmfinanzierung sowie Drehbücher spezalisiert. Und wenn mir etwas auffällt, das logisch so nicht sein kann, sage ich es meinen Kunden.

Samstag habe ich hier auf dem Blog französische Autowerbung vorgestellt, in der deutsche Männer vorkommen. Sie heißen Hans, Jürgen und Gunter und sollen Ende Zwanzig sein ... Hier funktioniert das gut, denn die zwei Filmchen spielen auf einer phantastischen Ebene. Wenn in einem heutigen Drehbuch ein Baby "Gerhard" heißen soll, erhält der Produzent von mir in der Übersetzung eine Randnotiz. Außerdem geht meine vorsichtige Kritik in einen zweiten Text ein, denn die wichtigsten Anmerkungen fasse ich zusätzlich in einem weiteren Dokument noch einmal zusammen und belege, falls nötig, die Randnotizen.

Letzte Woche waren wir zum Hörfunkinterview in einer Fabrik. Die Chefs, die wir dort trafen, Geschäftführer und Abteilungsleiter, hießen Jochen, Thomas, Andreas, Bernhard und Dirk. Ich denke, sie waren zwischen Mitte Dreißig und Anfang Sechzig. Diese Namen waren so schön repräsentativ, das musste ich gleich fotografieren.

Die beliebtesten deutschen Geburtsnamen der verschiedenen Jahrgänge lassen sich im Netz finden. Um zu wissen, aus welcher sozialen Schicht Mandy, Mike, Jule und Konstantin vermutlich kommen, ist etwas Lebenserfahrung im betreffenden Land nötig.

Schräge Namenswahlen sind natürlich dann denkbar, wenn der Autor seine Figur gegen den Strich bürsten will. Aber gerade bei Koproduktionen, die in Deutschland spielen sollen, ist es wichtig, das "Hinterland" von Namen aufzudröseln, wenn die französischen Partner ihr Nachbarland kaum oder wenig kennen.

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Foto: C.E.

Sonntag, 1. April 2012

Schnell gesprochen ...

... und schnell geschrieben. Auf dem Markt vor un­se­rer Haustür, dem May­bach­ufer­markt, gibt es schöne Dinge zu kaufen. Zum Beispiel "Granny Simitis" beim griechischen Obststand, sein türkischer Kollege bietet eilige Zitrusfrüchte feil (siehe Foto, mit kurzem "i"). Und bei "ESSTKATSANIEN" ein Stück weiter handelt es sich ja wohl mehr um eine Aufforderung, als um eine Produktbezeichnung, oder?


Hier noch ein Höreindruck zum Markt von Radio Eins (vom letzten Januar).
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Foto: C.E.