Dienstag, 12. Februar 2008

Professionaliät im Aquarium

Berlinale-Palast, fünfter Stock, ich sitze in der Dolmetscherkabine. Der Film, den ich gerade dolmetsche, geht in seine Zielgerade. Es ist ein Film mit weniger Untertiteln als der Durchschnitt (*), so dass ich auch manchmal Zeit habe, länger hinzuschauen. Ich sehe jetzt den Film zum zweiten Mal - und ich spreche alle Rollen. Und auf einmal bin ich so sehr "drin" in der Handlung, dass ich zu weinen anfange, erst eine Träne, dann viele, der Film ist traurig, gerade ist ein Protagonist gestorben, einfach so, mitten im Schlaf.

Ich kenne den Rhythmus des Films, weiß, dass ich noch ein wenig weinen darf, bevor ich wieder sprechen muss. Und ich lasse es zu. Die Räuspertaste ist gedrückt, die Zuhörer bekommen Filmakustik in ihre Kopfhörer gespielt.

Als ich mich wieder beruhigen will, ist es gar nicht einfach. Ich schaue bewusst weg von der Leinwand, lese mir laut Zeitungsschlagzeilen vor, um das Verheulte aus der Stimme rauszukriegen, versuche mich an Witze zu erinnern, alles gar nicht so einfach.

Normalerweise bin ich sehr professionell da "drin" in der Kiste, die manche, die nur draußen sitzen, "Aquarium" nennen. Ich weiß meist nicht, ob der Film, den ich gerade bearbeite, gut oder schlecht ist, dafür bin ich zu nah. Geheult hatte ich in der Dolmetscherkabine bislang noch nie.

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Ein durchschnittlicher Film hat 800-900 Untertitel. Mancher Film ist eher still, "In den Tag hinein" (2001) von Maria Späth, war so einer: knapp 200. "L'anglaise et le duc" (Die Lady und der Herzog, 2001) von Eric Rohmer galt als nicht untertitelbar. Ich habe ihn auch mal gesprochen, der ausgefeilten, detailreichen Dialoge wegen schriftlich vorbereitet und kam auf ca. 1200 Titel.

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